Fischerei
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WOR 2 Die Zukunft der Fische - die Fischerei der Zukunft | 2013

Stand der Weltfischerei

Die weltweite Jagd nach Fisch

> Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich der industrielle Fischfang von den klassischen Fischereigebieten auf der Nordhalbkugel über alle Meere ausgebreitet. Viele Bestände sind überfischt und zusammengebrochen. Ausweglos ist die Situation aber nicht. Verschiedene Länder haben inzwischen gezeigt, dass sich Fischbestände durch ein nachhaltiges Fischereimanagement tatsächlich wiederaufbauen lassen

Von der Kunst, Fische zu zählen

Wohl kaum eine Tiergruppe ist so schwer zu erfassen wie die Fische. Zugvögel werden entlang ihrer Flugroute mithilfe von Ferngläsern und Radargeräten geortet und gezählt. Fledermäuse erfasst man mit Ultraschalldetektoren und mit Lichtschranken am Eingang ihrer Höhlen. Aber Fische?

Der Mensch kann nicht ins Meer blicken und die Fische direkt zählen. Vielmehr muss die Größe von Fischbeständen so genau wie möglich berechnet werden. Die Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Or­ganization of the United Nations, FAO) bemüht sich, aus verschiedenen Quellen die Entwicklung der Fischbestände weltweit möglichst realistisch abzuschätzen. Die aktuellen Ergebnisse werden alle 2 Jahre in einem Statusbericht veröffentlicht, dem SOFIA-Report (The State of World Fisheries and Aquaculture). Der letzte Bericht ist im Jahr 2012 erschienen und stellt die Entwicklung der Weltfischerei bis 2009/2010 dar. Fisch ist eine Lebensgrundlage für Milliarden Menschen. Insofern ist der Report eine wichtige Grundlage für die Entscheidungen der UNO sowie für internationale Abkommen und Verträge. Für den SOFIA-Report nutzt die FAO Daten aus folgenden Quellen:

Fischerei– Fischer melden ihre Fangmengen an staatliche Behörden ihres Heimatlandes, zum Beispiel an Fischerei- oder Agrarministerien. Die Behörden sind verpflichtet, diese Daten an die FAO zu schicken. Zudem werden die Daten an Wissenschaftler im eigenen Land weitergeleitet.

Wissenschaft– Die Daten der Fischerei sind oftmals unvollständig oder fehlerhaft. So melden Fischer zum Beispiel nur die Mengen jener Fische, die sie offiziell fangen dürfen. Der unerwünschte Beifang wird nicht erfasst. Dabei handelt es sich um all jene Fische und Meerestiere, die versehentlich mitgefangen und bislang meist wieder über Bord geworfen werden. Eine quantitative Erfassung des Beifangs wäre allerdings sehr wichtig, da sie eine realistischere Einschätzung des Zustands der Fischbestände liefern könnte. Um die unsichere Datenbasis zu verbessern, erheben Fischereiwissenschaftler deshalb eigene Daten.

1.  Fischereiabhängige Daten: Fischereiwissenschaftler fahren regelmäßig auf Fangschiffen mit. Sie nehmen Proben des Fangs und erfassen detaillierte Fischdaten: das Alter, die Größe, die Länge und die Menge geschlechts­reifer Fische. Von Interesse sind die Fangmenge und die Zusammensetzung des Fangs. Darüber hinaus protokollieren sie den Fischereiaufwand, beispielsweise wie lange ein Netz hinter dem Schiff hergezogen wird, bis es gefüllt ist. Dabei wird exakt ermittelt, wie viel Aufwand man betreiben muss, um eine bestimmte Menge zu fischen. Forscher sprechen vom „Fang pro Aufwand“ (catch per unit effort, CPUE). Nur aus diesem Verhältnis kann man auf die Bestandsdichte schließen, darauf, wie viele Fische in einem Gebiet zu finden sind.

2. Fischereiunabhängige Daten: Wissenschaftler un-ternehmen außerdem Fahrten mit eigenen Forschungsschiffen. Dabei machen sie zahlreiche Probefänge – und zwar nicht nur in den besonders ergiebigen Gebieten, die die Fischer aufsuchen, sondern an vielen verschiedenen Stellen eines Meeresgebiets. Die Probenahmestellen werden entweder zufällig oder nach einem bestimmten Schema ausgesucht. Das Ziel ist, einen umfassenden Überblick über das ganze Meeresgebiet sowie die Verbreitung der Fischbestände zu erhalten. Wichtig ist, dass bei diesen Fahrten alle gefangenen Meerestiere gezählt und vermessen werden. Damit lässt sich der Zustand des gesamten Ökosystems einschätzen. Die Wissenschaftler interessieren sich auch für das Alter der Fische. Sie fangen deshalb mit engmaschigen Netzen auch Jungtiere, die Fischer für gewöhnlich nicht aus dem Meer holen. Die Altersverteilung der Fische in einem Bestand ist für Vorhersagen besonders wichtig. Nur so erfährt man, wann wie viele Tiere geschlechtsreif sein werden und wie sich der Bestand in den folgenden Jahren entwickeln kann. Wie viele Forschungsfahrten es gibt, ist von Land zu Land verschieden. Forscher beproben einzelne Fischbestände bis zu 5-mal im Jahr. Zusätzlich werden für einige Bestände auch Eier und Larven erfasst. Die Zahl der Eier oder Larven lässt auf den Elternbestand und die zu erwartende Zahl der Jungtiere schließen.

Die fischereiabhängigen und -unabhängigen Daten nutzen die Forscher, um damit die offiziellen Fangzahlen der Fischerei zu korrigieren und zu ergänzen. So können sie beispielsweise anhand eigener Probefänge abschätzen, wie hoch die Beifangmenge im Fanggebiet in etwa gewesen sein muss. Zudem fallen dabei oftmals illegal gefischte Mengen auf. So gibt es in vielen Fällen doppelte Logbücher, solche mit den offiziellen Zahlen für die Behörden und jene mit den höheren echten Fangzahlen, die an die Wissenschaftler geschickt werden. Durch den Vergleich lässt sich besser schätzen, wie viel Fisch in einem Meeresgebiet tatsächlich gefangen wurde.
3.1 > Ehrwürdige Herren der Fischereiwissenschaft: 1929 trafen sich die Fischereiforscher des ICES zu ihrer satzungsgemäßen Versammlung im House of Lords in London. Im Jahr der Gründung 1902 gehörten dem ICES 8 Länder an. Heute sind es 20.
3.1 > Ehrwürdige Herren der Fischereiwissenschaft: 1929 trafen sich die Fischereiforscher des ICES zu ihrer satzungsgemäßen Versammlung im House of Lords in London. Im Jahr der Gründung 1902 gehörten dem ICES 8 Länder an. Heute sind es 20. © ICES 2012

Der ICES wurde 1902 in Kopenhagen als erste zwischenstaatliche Institution der Welt gegründet. Damals hatte sich in einigen europäischen Fischereinationen das Bewusstsein durchgesetzt, dass wandernde Fischbestände auf Dauer nur gemeinsam zu bewirtschaften sind. Der ICES arbeitet heute im Auftrag der EU und anderer Fischerei­nationen wie etwa Kanada, Island oder Russland. Er ist für alle lebenden Ressourcen im Nordostatlantik zuständig, insgesamt 120 Arten. Der ICES gibt Empfehlungen, wie viel Fisch in einem Meeresgebiet höchstens gefangen werden sollte.   © ICES 2012

ICES In Kopenhagen als erste zwischenstaatliche Institution der Welt gegründet. Damals hatte sich in einigen europäischen Fischereinationen das Bewusstsein durchgesetzt, dass wandernde Fischbestände auf Dauer nur gemeinsam zu bewirtschaften sind. Der ICES arbeitet heute im Auftrag der EU und anderer Fischerei­nationen wie etwa Kanada, Island oder Russland. Er ist für alle lebenden Ressourcen im Nordostatlantik zuständig, insgesamt 120 Arten. Der ICES gibt Empfehlungen, wie viel Fisch in einem Meeresgebiet höchstens gefangen werden sollte.

Der Weg der Daten zur FAO

Sowohl die Fangdaten der Fischer als auch die von den Wissenschaftlern erhobenen Daten werden zunächst an übergeordnete wissenschaftliche Einrichtungen weitergereicht, die aus den Daten die aktuellen Bestandsgrößen für die verschiedenen Fischarten und Meeresgebiete errechnen. Ein Ziel besteht darin, aus den nationalen Daten einen überregionalen Überblick zu generieren. Für den Nordostatlantik ist beispielsweise der Internationale Rat für Meeresforschung (International Council for the Ex­ploration of the Sea, ICES) in Kopenhagen zuständig. Die Arbeitsgruppen des ICES berechnen aus den offiziellen Fangdaten der Fischerei und den wissenschaftlichen Ergebnissen die aktuellen Bestandsgrößen der verschiedenen Fisch- und Tierarten. Diese Bestandsabschätzungen schickt der ICES schließlich an die FAO. In gleicher Weise gelangen Bestandsdaten aus anderen Meeresgebieten zur FAO. Für den Nordwestatlantik etwa ist die Nordwestatlantische Fischereiorganisation (Northwest Atlantic Fisheries Organization, NAFO) zuständig. Sie trägt Daten aus Kanada, den USA, Frankreich (für die Inselgruppe Saint-Pierre und Miquelon) und von den ausländischen Flotten aus Russland oder der EU zusammen, die in diesem Gebiet fischen. Die Daten leitet die NAFO dann an die FAO weiter. Darüber hinaus berichten die nationalen Fischereiinstitute aus Kanada und den USA direkt an die FAO. Die FAO bewertet diese Daten nicht noch einmal. Sie fasst sie für die verschiedenen Meeresregionen der Welt lediglich zusammen, bereitet diese auf und veröffentlich sie im Anschluss.

Streit um den Zustand der Fischbestände

Weltweit werden rund 1500 Fischbestände kommerziell befischt, wobei die verschiedenen Bestände unterschiedlich stark genutzt werden. Nur für gut 500 dieser Bestände gibt es heutzutage umfassende Bestandsberechnungen. Dabei handelt es sich vor allem um Bestände, die seit vielen Jahrzehnten industriell befischt werden. Für einige wird seit Langem genau protokolliert, was und wie viel gefangen wird: die Fangmenge in Tonnen und auch das Alter und die Größe der Fische. Die Datensätze für den Kabeljau vor Norwegen zum Beispiel reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Über andere Fischarten oder ­Meeresgebiete ist kaum etwas bekannt – insbesondere über die Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) mancher Ent­wicklungsländer. Viele Entwicklungsländer liefern reine Fangdaten, die nicht wissenschaftlich bewertet sind. ­Solche Daten nutzt die FAO nur begrenzt. Des Weiteren gibt es diverse Meeresgebiete, über die noch nicht einmal einfache Fangdaten vorliegen. Nach Ansicht der FAO sind für die betreffenden Bestände keine sicheren Aussagen möglich. Für viele Fischbestände weltweit gibt es also keine sicheren Daten. Außerdem können Fischereibiologen bis heute nicht einmal sagen, wie viele Fischbestände es überhaupt gibt. Schließlich liegen, wenn überhaupt, nur für kommerziell genutzte Arten Daten vor. Natürlich wäre ein Gesamtüberblick über alle Fische weltweit wünschenswert. Doch wäre der Aufwand exorbitant hoch. Hunderte von Forschungsfahrten wären dafür nötig, und das bleibt unbezahlbar.
3.2 > Weltweite Bestands­schätzung: Daten über den Zustand der Fischbestände werden von der Fischerei und von Wissenschaftlern geliefert. Die FAO trägt die Daten zusammen und versucht daraus ein globales Gesamtbild zu erstellen. Problematisch ist, dass nur für etwa 500 Bestände sichere Daten vorliegen. Wie es um die anderen Fischbestände steht, darüber streiten sich die Experten.
3.2 > Weltweite Bestandsschätzung: Daten über den  Zustand der Fischbestände werden von der Fischerei und  von Wissenschaftlern  geliefert. Die FAO trägt die Daten zusammen und versucht daraus ein globales Gesamtbild zu erstellen. Problematisch ist, dass nur für etwa 500 Bestände sichere Daten vorliegen. Wie es um die anderen Fischbestände steht, darüber streiten sich die Experten. © maribus
Kritiker geben zu bedenken, dass die FAO-Statistik damit einen Großteil der Bestände unberücksichtigt lässt. Eine amerikanisch-deutsche Forschergruppe hat deshalb ein eigenes mathematisches Modell entwickelt, mit dem sie versucht, den Status aller Bestände allein aus den von den Fischern gemeldeten Fangmengen abzuschätzen, also ohne fischereiunabhängige Daten, die von den Fischereiwissenschaftlern erhoben werden. Die Forscher untersuchen dazu, wie sich die Fangmenge eines Bestands über die Jahre entwickelt hat. Nach diesem Modell ist ein Bestand dann zusammengebrochen, wenn die Fangmenge innerhalb weniger Jahre auffällig stark abnimmt. Es wird versucht, das Problem fehlender Bestandsberechnungen dadurch zu umgehen, dass man allein den zeitlichen Verlauf der Fangmenge interpretiert. Für Gebiete, über die bislang noch nicht einmal Fangdaten vorlagen, haben die Forscher in mühevoller Kleinarbeit bei den Behörden in den betreffenden Ländern Informationen abgefragt. Nach diesem Modell, das 1500 kommerziell genutzte Bestände und darüber hinaus etwa 500 weitere Bestände berücksichtigt, steht es um den Fisch noch schlechter, als die FAO annimmt: 56,4 Prozent der Bestände sind demnach überfischt/­zusammengebrochen, nicht 29,9 Prozent, wie die FAO sagt. Doch auch die Arbeit der amerikanisch-deutschen Forschergruppe steht in der Kritik. Die Daten seien uneinheitlich und nach wie vor unsicher. Sie gäben nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wieder, sagen andere Forscher. Welche der Methoden den Zustand der Weltfischerei besser abbildet, wird derzeit also kontrovers diskutiert. In einem aber stimmen die Forscher und die FAO trotz aller Unsicherheit überein: Insgesamt hat sich der Zustand der Bestände mit den Jahren verschlechtert. Eine Erholung ist nur dann möglich, wenn man die gefährdeten Bestände für mehrere Jahre weniger stark befischt.

Es wird langsam schlimmer

Die Ergebnisse sind besorgniserregend, denn der Druck auf die Fische nimmt seit Jahren zu. So ist laut des aktuellen SOFIA-Berichts der Anteil der überfischten oder zusammengebrochenen Bestände von 10 Prozent im Jahr 1974 auf 29,9 Prozent im Jahr 2009 gestiegen. Der Anteil der voll genutzten Bestände stieg im selben Zeitraum nach zwischenzeitlichen Schwankungen von 51 auf 57 Prozent. Der Anteil der gemäßigt genutzten Bestände ist hingegen seit 1974 von knapp 40 auf nur noch 12,7 Prozent geschrumpft. Damit zeichnet sich ein klarer Trend ab: Was die Überfischung und intensive Nutzung der Meere angeht, wird es nicht besser, sondern langsam, aber stetig schlechter. Interessanterweise schwankt die jährliche Gesamtfangmenge an Fisch seit ungefähr 2 Jahrzehnten stets zwischen gut 50 und 60 Millionen Tonnen. Den Höchstwert erreichte sie 1994 mit 63,3 Millionen Tonnen. 2011 betrug die Fangmenge 53,1 Millionen Tonnen – rund 4-mal mehr als 1950 (12,8 Millionen Tonnen). Die FAO wiederum erfasst nicht nur Fische, sondern auch die Fänge anderer mariner Artengruppen wie Garnelen, Muscheln oder Tintenfische. Addiert man diese Mengen zum Fischfang, ergeben sich noch deutlich größere Fangmengen. Demnach liegt die jährliche marine Gesamtfangmenge seit circa 2 Jahrzehnten stets bei etwa 80 Millionen Tonnen. Den Höchstwert erreichte sie 1996 mit 86,4 Millionen Tonnen. 2011 betrug die Fangmenge 78,9 Millionen Tonnen.

Abb. links 3.3 > Die Zahl der überfischten Bestände ist seit den 1970er Jahren stark gestiegen, die der gemäßigt genutzten gesunken. Dass Bestände voll genutzt werden, ist nicht grundsätzlich problematisch. Wichtig ist, sie nachhaltig zu bewirtschaften.

Abb. rechts 3.4 > Entwicklung der Fangmengen aller marinen Meereslebewesen seit 1950 weltweit. Die chinesischen Daten sind unsicher und vermutlich zu hoch und werden deshalb separat aufgeführt.

Abb. links: 3.3 > Die Zahl der überfischten Bestände ist seit den 1970er Jahren stark gestiegen, die der gemäßigt genutzten gesunken. Dass Bestände voll genutzt werden, ist nicht grundsätzlich problematisch. Wichtig ist, sie nachhaltig zu bewirtschaften. Abb. rechts: 3.4 > Entwicklung der Fangmengen aller marinen Meereslebewesen seit 1950 weltweit. Die chinesischen Daten sind unsicher und vermutlich zu hoch und werden deshalb separat aufgeführt. © nach FAO (2012)

Dass die reine Fischfangmenge ziemlich stabil geblieben ist, hat folgenden Grund: Weil man im Laufe der Zeit nach und nach die Meeresregionen nahe den Küsten leergefischt hatte, wurde die Fischerei in immer neue Meeresgebiete ausgedehnt. Einerseits breitete sich die Fischerei geografisch aus: von den klassischen Fischrevieren im Nordatlantik und Nordpazifik immer weiter nach Süden. Außerdem dehnte man die Fischerei in die Tiefe aus. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es technisch kaum möglich, Netze tiefer als 500 Meter hinabzulassen. Heute fischt man bis in 2000 Meter Tiefe. Des Weiteren schwenkte die Fischerei, sobald die Bestände klassischer Zielarten ausgeschöpft waren, auf andere Fischarten um. Diesen gab man als verkaufsfördernde Maßnahme zuweilen neue Namen, um sie dem Kunden schmackhaft zu machen. Der „Schleimkopf“ (Slimehead) etwa kam als „Granatbarsch“ (Orange Roughy) in den Handel. So ist es bis heute möglich, den Meeren jährlich annähernd gleiche Mengen zu entnehmen, die Zusammensetzung des Weltfangs und die Auswahl der Bestände aber haben sich verändert. Gleichbleibende Fangmengen sind also keineswegs ein Zeichen dafür, dass die Fischbestände stabil sind.
3.5 > Die wichtigsten Fischereinationen nach Fangmenge.
3.5 > Die wichtigsten Fischereinationen nach Fangmenge. © nach FAO (2012)

China fängt am meisten Fisch

Nimmt man die Fangmenge als Maßstab, ist China seit Jahren die wichtigste Fischereination. Allerdings sind die Fangmengenwerte äußerst unsicher. Viele Experten gehen davon aus, dass die Mengenangaben über etliche Jahre hinweg nach oben korrigiert wurden, um das von der Regierung offiziell vorgegebene Plansoll erfüllen zu können. Die Werte sind daher vermutlich seit geraumer Zeit zu hoch. Erst seit Kurzem beginnt China diese Praxis zu ändern. Peru, bis 2009 zweitwichtigste Fischereination, ist auf Platz 4 abgerutscht. Der Grund sind geringe Sardellenfangmengen, was insbesondere auf Klimaänderungen, aber auch auf Fangstopps zurückgeführt wird, durch die der Sardellennachwuchs geschont werden soll. Derzeit ist Indonesien die zweit- und die USA sind die drittwichtigste Fischereination. Interessant ist die Entwicklung in Russland. Seit 2004 sind die Fänge hier um etwa 1 Million Tonnen gestiegen. Dieser Zuwachs liegt nach Angaben der russischen Behörden daran, dass Russland die umfangreiche Dokumentation der Fänge geändert hat. Bislang wurden Fänge der eigenen Flotte in Heimathäfen teilweise als Import und nicht als heimischer Fang verbucht. Russland will in den kommenden Jahren die Fischerei weiter ausbauen. Bereits 2020 sollen 6 Millionen Tonnen angelandet werden. Das wäre etwas mehr als die Fangmenge aller EU-Staaten, die es 2010 auf insgesamt 5,2 Millionen Tonnen gebracht haben.

3.6 > Ein mit Heringen prall gefülltes  Netz wird an Bord des norwegischen  Fangschiffs „Svanug Elise“ gezogen.  2004 war der letzte starke Heringsjahrgang vor Norwegen.  © Jean Gaumy/Magnum Photos/Agentur Focus

3.6 > Ein mit Heringen prall gefülltes Netz wird an Bord des norwegischen Fangschiffs „Svanug Elise“ gezogen. 2004 war der letzte starke Heringsjahrgang vor Norwegen.

Das Umdenken beginnt

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. In vielen Regionen ist die ungehemmte Jagd auf den Fisch vorbei. Nachdem in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren nach und nach Bestände zusammenbrachen, wurde der Fischereiwirtschaft und den politischen Entscheidern in verschiedenen Ländern klar, dass die Überfischung nicht nur ein ökologisches, sondern vor allem ein volkswirtschaftliches Problem ist, denn viele Fischer verloren ihre Arbeit. Einige Nationen zogen daraus Konsequenzen. Australien, Kanada, Neuseeland und die USA beispielsweise haben Fischereimanagementpläne entwickelt, die den Fang so weit einschränken, dass eine Überfischung künftig weitgehend vermieden wird. Auch in Europa hat man zum Teil aus den Fehlern gelernt. Nachdem der Nordseehering in den 1970er Jahren massiv überfischt worden war, wurde sein Fang für mehrere Jahre gestoppt. Der Bestand erholte sich. Auch in diesem Fall wurde ein Fischereimanagement eingeführt, um einen erneuten Kollaps zu verhindern. Viele andere Meeresregionen und Bestände werden allerdings bis heute nicht nachhaltig befischt. Ein solches Gebiet ist der Golf von Biskaya, in dem unter anderem der Europäische Seehecht (Merluccius merluccius) starkem Fischereidruck ausgesetzt ist. Darüber hinaus sind im Mittelmeer viele Bestände überfischt. So zeigt sich derzeit weltweit ein uneinheitliches Bild. In einigen Regionen gibt es Bestrebungen, Bestände durch gutes Management zu erhalten und nachhaltig zu befischen. Andernorts haben kurzzeitig hohe Profite noch immer Vorrang vor einer schonenden, langfristig ertragreichen Fischerei. Es ist daher zu befürchten, dass weiterhin Bestände zusammenbrechen. Zwar können sich kollabierte Bestände wieder erholen, wenn der Fischfang gestoppt oder massiv eingeschränkt wird. Mitunter kann es aber auch dauern, bis eine solche Regeneration eingetreten ist. Der Herings­bestand vor Norwegen brauchte rund 20 Jahre, um sich von der Überfischung zu erholen. Die Bestände des Nordseeherings hingegen nahmen erfreulicherweise schon nach wenigen Jahren wieder zu, sodass der Fangstopp aufgehoben werden konnte. Grundsätzlich aber bedeutet eine Überfischung für die Fischindustrie, dass ihr ehemals ertragreiche Bestände für längere Zeit verloren gehen.
3.7 > Die FAO teilt die Meere in 19 Fanggebiete ein, die sich deutlich in der jährlichen Fangmenge unterscheiden (in Tonnen Lebendgewicht). Die Balkendiagramme zeigen, in welchem Zustand die Bestände in den entsprechenden Meeresgebieten sind. Dabei werden die Angaben der FAO (basierend auf rund 500 Beständen) mit Daten einer deutsch-amerikanischen Forschergruppe (basierend auf rund 2000 Beständen) ver­glichen.
3.7 > Die FAO teilt die Meere in 19 Fanggebiete ein, die sich deutlich in der jährlichen Fangmenge unterscheiden (in Tonnen Lebendgewicht). Die Balkendiagramme zeigen, in welchem Zustand die Bestände in den entsprechenden Meeresgebieten sind. Dabei werden die Angaben der FAO (basierend auf rund 500 Beständen) mit Daten einer deutsch-amerikanischen Forschergruppe (basierend auf rund 2000 Beständen) ver­glichen. Zwar wurde der Zustand der Bestände mithilfe unterschiedlicher Methoden ermittelt, dennoch sind die Datensätze miteinander vergleichbar. Die Arktis wird hier wegen der geringen Fangmengen nicht im Detail dargestellt. Die roten Zahlen geben die FAO-Nummer des jeweiligen Fanggebiets an. Die Fanggebiete unterscheiden sich stark in ihrer Produktivität. Die Küstengebiete, genauer:  die Kontinentalschelfe, sind in der Regel viel produktiver als die Hohe See. Im FAO-Gebiet 81 etwa gibt es nur wenige Schelfgebiete, entsprechend gering ist die Fangmenge. Die Fischbestände sind aber in gutem Zustand (nach Angaben der FAO). Eine geringe Fangmenge ist also nicht zwangsläufig ein Anzeichen dafür, dass die Fischbestände in einem Gebiet in schlechtem Zustand sind.  © maribus, nach FAO

Ein kleine Reise um die Welt – die FAO-Fanggebiete

Die FAO teilt die Ozeane in 19 verschiedene Fanggebiete ein. Diese regionale Einteilung ist historisch gewachsen. Sie vereinfacht die Erfassung der Fänge, weil die regionalen Behörden eng mit ihren jeweiligen Fischereiverbänden zusammenarbeiten. Heute erscheinen andere Einteilungen sinnvoller – etwa Einteilungen nach großräumigen Meeresökosystemen. Dennoch ist die klassische Einteilung der FAO nach wie vor ein probates Mittel, um einen weltweiten Vergleich anzustellen. Die 19 Regionen wiederum werden drei Kategorien zugeordnet: Es gibt Gebiete, in denen die Fangmengen seit 1950 schwanken, Gebiete, in denen die Fangmengen mit den Jahren abgenommen haben, und Gebiete, in denen die Fangmengen kontinuierlich zugenommen haben. Bei dieser Analyse berücksich­tigt die FAO erneut jene rund 500 Fischbestände, für die verlässliche Bestandsberechnungen vorliegen. 4 der 19 Gebiete allerdings werden im Folgenden nicht näher betrachtet, nämlich die Arktis und die 3 antarktischen Gebiete, weil in ihnen kaum Fischfang betrieben wird oder weil nur wenige Bestände kommer­ziell genutzt werden.

Gebiete mit schwankender Fangmenge

Zur ersten Gruppe zählen der Mittlere Ostatlantik (FAO-Gebiet 34), der Südwestatlantik (41), der Nordwestpazifik (61), der Nordostpazifik (67), der Östliche Pazifische Ozean (77) und der Südostpazifik (87). In den letzten 5 Jahren lieferten diese Gebiete durchschnittlich 52 Prozent der weltweiten Fangmenge. Das bedeutendste Fanggebiet weltweit ist heute der Nordwestpazifik. Im Jahr 2010 wurden in dieser Region 21 Millionen Tonnen Fisch gefangen – mehr als ein Viertel der weltweiten marinen Gesamtfangmenge. Kleine pelagische Fische wie etwa die Japanische Sardelle haben hier den größten Anteil am Gesamtfang. Der Östliche Pazifische Ozean und der Südostpazifik sind ebenfalls besonders produktiv, weil hier die nährstoffreichen Auftriebs­gebiete vor Südamerika liegen. Sie zeichnen sich durch besonders starke Schwankungen der Fangmenge aus, die teilweise von Jahr zu Jahr auftreten. Ein Grund dafür ist die große Menge kleiner Schwarmfische (Sardinen und Sardellen), deren Bestandsgrößen stark von den Strömungen in den Auftriebsgebieten abhängen. In diesen Gebieten steigt nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe auf. Darin gedeiht das Plankton besonders gut, von dem sich die Fische ernähren. Schwächt sich die Strömung aufgrund von Klimaschwankungen ab, gibt es weniger Plankton und damit weniger Nahrung für die Fische.
3.8 > Die FAO zählt den Nordwestpazifik zu den Gebieten mit schwankender Fangmenge.
3.8 > Die FAO zählt den Nordwestpazifik zu den Gebieten mit schwankender Fangmenge. © nach FAO (2012)

Laicher Als Laicher bezeichnet man die männlichen und weiblichen geschlechtsreifen Fische, die durch Produktion von Nachkommen dazu beitragen, den Bestand zu erhalten. Schrumpft die Menge der Laicher durch intensive Fischerei oder ungüns­tige Umweltbedingungen, kann der Bestand zusammenbrechen, weil nicht genug Nachkommen gezeugt werden.

Verglichen mit dem Gesamtzustand der Fischbestände weltweit, sieht es im Mittleren Ostatlantik besonders düster aus: 53 Prozent der Bestände in diesem Gebiet gelten als überfischt, 43 Prozent als voll genutzt und nur 4 Prozent als gemäßigt genutzt – etwa vor dem Senegal. Hier dominiert die Sardine (Sardina pilchardus). Auch im Südwestatlantik ist die Situation angespannt. Wichtige Fischarten sind der Argentinische Seehecht und die Sardelle vor Brasilien. Beide sind vermutlich überfischt. Letztere scheint sich aber, so Experten, zu erholen. 50 Prozent der Bestände des Südwestatlantiks gelten als überfischt, 41 Prozent als voll genutzt und 9 Prozent als gemäßigt genutzt. Vergleichsweise erfreulich sind die FAO-Daten für den Nordostpazifik. In diesem Gebiet erreichte die jährliche Fangmenge in den 1980er Jahren einen Spitzenwert. Alaska-Pollack, Kabeljau und Seehecht machen hier den größten Teil des Fangs aus. Heute gelten 80 Prozent der Bestände in dieser Region als voll genutzt und jeweils 10 Prozent als überfischt und gemäßigt genutzt.

Gebiete mit abnehmender Fangmenge

Zu jenen Gebieten, in denen die Fangmengen im Laufe der Jahre abgenommen haben, zählen der Nordwestatlantik (FAO-Gebiet 21), der Nordostatlantik (27), der Mittlere Westatlantik (31), das Mittelmeer und das Schwarze Meer (beide 37), der Südostatlantik (47) und der Südwestpazifik (81). In den letzten 5 Jahren lieferten diese Gebiete durchschnittlich 20 Prozent der weltweiten Fangmenge. In einigen Gebieten gingen die Fangmengen zurück, weil der Fischfang durch das Fischereimanagement beschränkt wurde. Die Fischbestände sollen sich dort erholen. Wenn die Fangmenge eines Bestands in der Jahresstatistik schrumpft, liegt das also keineswegs immer daran, dass ein Bestand zusammenbricht oder überfischt wurde. Im Nordostatlantik beispielsweise wurde der Druck auf Kabeljau, Scholle und Seezunge verringert. Für die wichtigsten Bestände dieser Arten gibt es entsprechende Managementpläne. Erfreulicherweise hat im Nordostatlantik der Laicherbestand des Nordost-Arktischen Kabeljaus wieder zugenommen – insbesondere im Jahr 2008. Offensichtlich hat sich der Bestand erholt, nachdem er sich noch in den 1960er bis 1980er Jahren auf einem niedrigen Niveau befunden hatte. Auch die Lage des Nordost-Arktischen Köhlers und des Nordost-Arktischen Schellfischs hat sich verbessert. Andererseits gibt es in Bereichen des Nordostatlantiks nach wie vor Bestände dieser Arten, die überfischt sind. Besonders stark ist die Fangmenge des Blauen Wittlings gesunken – von 2,4 Millionen Tonnen im Jahr 2004 auf 540 000 Tonnen im Jahr 2010 und 100 000 Tonnen im Jahr 2011. Dieser Rückgang ist darauf zurückzuführen, dass die Fischerei nicht schnell genug auf eine plötzliche Veränderung der Reproduktion reagierte. Zwischen 1997 und 2004 hatten die Blauen Wittlinge aus bis heute unbekannten Gründen besonders viel Nachwuchs produziert. Entsprechend stark wurde die Art befischt. Nach 2004 aber nahm die Reproduktion plötzlich stark ab. Dennoch fischte man intensiv weiter. Durch die starke Senkung der Fangmengen in den letzten Jahren konnte sich der Bestand jedoch regenerieren. Im Jahr 2012 durften schon wieder fast 400 000 Tonnen gefangen werden. Bedenklich ist der Zustand verschiedener Tiefseefischarten. Alles in allem sind 62 Prozent der untersuchten Bestände im Nordostatlantik voll genutzt, 31 Prozent überfischt und 7 Prozent gemäßigt genutzt.

Zusatzinfo Das Ende des Fischs?

Auch im Nordwestatlantik sind nach wie vor Fischbestände in schlechtem Zustand. Kabeljau oder Rotbarsch zum Beispiel haben sich von der intensiven Fischerei in den 1980er Jahren noch nicht erholt, obwohl die kanadischen Behörden den Fischfang stoppten. Experten führen den Zustand dieser Bestände auf ungüns­tige Umweltbedingungen und auf Nahrungskonkurrenz zurück (Kapitel 1). Andere Bestände, die durch ein entsprechendes Fischereimanagement geschont werden, scheinen hingegen wieder zu wachsen. Dazu zählen Bestände des Dornhais, der Gelbschwanzflunder, des Atlantischen Heilbutts, des Schwarzen Heilbutts und des Schellfischs. Die Bestände des Nordwestatlantiks sind zu 77 Prozent voll genutzt, zu 17 Prozent überfischt und zu 6 Prozent gemäßigt genutzt. Im Südostatlantik ist die Fangmenge seit den 1970er Jahren deutlich geschrumpft, von einstmals 3,3 Millionen Tonnen auf nur noch 1,2 Millionen Tonnen im Jahr 2009. Das ist zum einen auf Überfischung zurückzuführen, zum anderen auf eine Verringerung der Fangmengen durch ein behutsames Fischereimanagement. Das gilt insbesondere für den in diesem Gebiet bedeutenden Seehecht. Dank entsprechender Fischereimaßnahmen, die 2006 eingeführt wurden, scheinen sich einige Seehechtbestände inzwischen zu erholen, wie die Tiefwasserart Merluccius paradoxus vor Südafrika und die Flachwasserart Merluccius capensis vor Namibia. Die Bestände der ehemals sehr zahlreichen Südafrikanischen Sardine hingegen scheinen nach einer Phase intensiven Fischfangs überfischt zu sein. 2004 wurde der Bestand noch als voll genutzt eingestuft. Aufgrund ungünstiger Umweltbedingungen aber schrumpfte er in den Folgejahren abermals. Das Beispiel macht deutlich, wie schnell ein voll genutzter Bestand in den überfischten Zustand kippen kann und wie wichtig ein vorausschauendes und nachhaltiges Fischereimanagement ist. Verschlechtert hat sich auch der Zustand des Stöckers vor Angola und Namibia. Seit 2009 gilt der Bestand als überfischt. Das Mittelmeer und das Schwarze Meer werden zu einem FAO-Gebiet zusammengefasst. Dort sieht die Lage ebenfalls nicht besonders gut aus. 50 Prozent der von der FAO analysierten Bestände sind überfischt, 33 Prozent voll genutzt, 17 Prozent gemäßigt genutzt. So gelten alle Bestände des Europäischen Seehechts (Merluccius merluccius) und der Meerbarben (Mullus barbatus) als überfischt. Über den Zustand der Meerbrassen und Seezungen liegen zu wenige Informationen vor. Vermutet wird aber, dass auch diese überfischt sind. Die wichtigsten Bestände der kleinen pelagischen Fische (Sardine und Sardelle) gelten als voll genutzt oder überfischt.
verschiedene Fische © Sonia Schadwinkel / Greenpeace (8), Rote Meerbarbe: Jon Baldur Hildberg

Gebiete mit wachsender Fangmenge

Zu den Arealen, in denen seit den 1950er Jahren kontinuierlich mehr Fisch gefangen wird, gehören nur drei FAO-Gebiete: der Westliche Pazifische Ozean (FAO-Gebiet 71) sowie der Östliche Indische Ozean (57) und der Westliche Indische Ozean (51). Im Westlichen Pazifischen Ozean ist die Fang­menge seit 1970 kontinuierlich auf einen Spitzenwert von 11,7 Millionen Tonnen Fisch im Jahr 2010 gewachsen – immerhin rund 14 Prozent des weltweiten Fangs. Inzwischen ist der Zustand der Bestände bedenklich. Die meis­ten von ihnen werden als voll genutzt und überfischt eingeschätzt – insbesondere im westlichen Teil des Südchinesischen Meeres. Die hohen jährlichen Fänge dort, so wird vermutet, gehen darauf zurück, dass sich die intensive chinesische Fischerei in den bislang weniger befischten Bereich des westlichen Südchinesischen Meeres ausgebreitet hat. Die FAO betont aber auch, dass die hohen Fangzahlen möglicherweise irreführend sind. In China wurden viele Jahre lang die Fangstatistiken nach oben korrigiert, um das Plansoll zu erfüllen. So ist anzunehmen, dass Fische beim Transport doppelt gezählt wurden. Daher ist sogar denkbar, dass mit den falschen Angaben eine Trendumkehr, eine Abnahme der Fischbestände, im Westlichen Pazifischen Ozean verdeckt wird. Auch im Östlichen Indischen Ozean ist die jährliche Fangmenge über die Jahre enorm gestiegen. Dieser Trend hält an. Allein zwischen den Jahren 2007 und 2010 wurde der Fang um 17 Prozent gesteigert. Im Golf von Bengalen und in der Andamanensee nehmen die Fangmengen stetig zu. Rund 42 Prozent des Fangs werden aber keiner bestimmten Fischart zugerechnet und schlicht als „marine fishes not identified“ (unidentifizierte Meeresfische) verbucht. Das allerdings ist bedenklich, weil sich die Fischbestände der verschiedenen Arten in dieser stark genutzten Region so überhaupt nicht einschätzen lassen.
In jedem der 19 von der FAO betrachteten Fanggebiete gibt es zahlreiche Teilgebiete, die sich unterschiedlich entwickeln. Selbst wenn in einem Fanggebiet die Fangmenge in der Summe wächst, können die Bestände einzelner Teilgebiete einen entgegengesetzten Trend aufweisen. So nimmt die Fangmenge im Östlichen Indischen Ozean zwar allgemein zu, in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Australiens aber, einem Teilgebiet davon, nehmen die Fangmengen aufgrund von Managementplänen ab. Was die Schonung der Fischbestände angeht, gilt Australien neben Neuseeland inzwischen als vorbildlich. Auslöser war ein ministerieller Beschluss im Jahr 2005, mit dem die Überfischung in der AWZ beendet und eine Erholung der Bestände möglich wurde. Der Westliche Indische Ozean gilt seit Langem als ein Gebiet, in dem die Fangmengen stark gestiegen sind. 2006 wurde ein vorläufiger Höchstwert erreicht. Seitdem haben die Fänge ein wenig abgenommen. 2010 lag die Fangmenge bei 4,3 Millionen Tonnen. Aktuelle Unter­suchungen zeigen, dass die weitverbreitete Spanische Makrele (Scomberomorus commerson), die im Roten Meer, im Persischen Golf, im Golf von Oman und vor Indien und Pakistan vorkommt, überfischt ist. Die Fangzahlen aus diesen Gebieten sind nur lückenhaft, sodass sich der Bestand schlecht einschätzen lässt. In anderen Regionen bemüht man sich inzwischen um valide Daten. Die für den Südwesten des Westlichen Indischen Ozeans zuständige Fischereimanagementorganisation Southwest Indian Ocean Fisheries Commission hat 2010 eine Schätzung für 140 Arten durchgeführt. Zwar haben auch diese Daten Lücken, dennoch ist der Versuch, den Zustand der Bestände in der Region systematisch zu erfassen, lobenswert. Insgesamt sind 65 Prozent der Bestände im Westlichen Indischen Ozean voll genutzt, 29 Prozent überfischt und 6 Prozent gemäßigt genutzt.

Fremde Arten verursachen zusätzlichen Stress

Eine zusätzliche Bedrohung für die ohnehin geschwächten Fischbestände sind in manchen Meeresgebieten fremde Arten. Besonders problematisch sind Räuber, die sich von den Fischen, Eiern oder Larven der geschwächten Bestände ernähren. Aber auch Fraßkonkurrenten, die dieselbe Nahrung benötigen, können einem geschwächten Fischbestand sehr zusetzen. Kritisch wird es immer dann, wenn die fremde Art für ihre Verhältnisse gute Lebensbedingungen vorfindet und sich aus diesem Grund stark vermehrt. Im Mittelmeer zum Beispiel wandern fremde Spezies durch den Suezkanal aus dem Roten Meer ein. Offenbar verdrängen manche dieser Arten klassische Spezies im östlichen Mittelmeer. Im Schwarzen Meer brachen in den 1990er Jahren die Sardellen- und Sprotten­bestände zusammen. Die Ursache war zum einen eine Überfischung, zum anderen eine bis zu faustgroße, durch das Ballastwasser in Schiffstanks eingeschleppte Rippenquallenart, die die ohnehin geringen Fischbestände zusätzlich schwächte. Die Quallenschwärme, davon gehen Forscher heute aus, haben die Eier und Larven der Fische in Massen gefressen. Wirklich erholt haben sich die Bestände noch nicht. Sie gelten als voll genutzt oder noch immer überfischt.

Ein genauer Blick auf die Arten

Betrachtet man die einzelnen Fanggebiete der Welt genauer, wird deutlich, dass es auf die Frage, wie es um die Fische steht, keine einfache Antwort gibt. Die Situation ist komplex. Zweifellos sind viele Bestände überfischt oder zusammengebrochen. Andere aber erholen sich dank eines nachhaltigen Fischereimanagements. Im Folgenden werden einzelne Fischarten und ihr jeweiliger Status exemplarisch dargestellt – unter anderem die wichtigsten Fischarten mit den höchsten Gesamtfangmengen. Diese Fischarten machen etwa 25 Prozent des Weltfischfangs aus. Die meisten ihrer Bestände gelten als voll genutzt oder überfischt.

Die Peruanische Sardelle – mal mehr, mal weniger

Interessant ist die Entwicklung der Peruanischen Sardelle (Engraulis ringens). Bezogen auf die Fangmenge, ist sie der weltweit wichtigste Fisch. Der Fang wird zu großen Teilen zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet, das in Aquakulturbetrieben an größere Zuchtfische verfüttert wird. Die größte Fangmenge aller Zeiten wurde 1971 mit rund 13 Millionen Tonnen erreicht. Heute entspräche das einem Viertel des weltweiten Fischfangs – sofern man die Fänge anderer Meerestiere wie etwa Muscheln oder Tintenfische nicht berücksichtigt. Die Bestände brachen in den 1980er Jahren auf etwa ein Zehntel dieser Rekordfangmenge ein; nicht allein wegen der intensiven Befischung, sondern vermutlich auch, weil aufgrund des Klimaphänomens El Niño die Nahrung ausgeblieben war. Danach erholten sich die Bestände wieder. 1994 wurde mit 12,5 Millionen Tonnen ein neuer Jahresrekord erreicht. Seit 2004 nehmen die Fangmengen wieder ab. Auch in diesem Fall ist das vor allem auf das Klimaphänomen El Niño zurückzuführen. Das Beispiel der Sardelle macht deutlich, wie stark Bestände schwanken können. Es zeigt, welche ungeheuren Fischmengen der Mensch dem Meer entnimmt; kommen dann noch ungünstige Umweltbedingungen hinzu, können selbst große Bestände weitgehend dezimiert werden. Das Exempel der Sardelle lehrt aber auch, dass ein Bestand dank der hohen Reproduktionsleistung der Fische schnell wieder wachsen kann. Andere Fischarten und Bestände wiederum können sich weniger schnell von einer Überfischung erholen. Ein Beispiel ist die Nordostatlantische Makrele.
3.9 > Die 10 bedeutendsten Fischarten der Meeresfischerei und ihre weltweiten Gesamtfangmengen. In Abhängigkeit vom Klimaphänomen El Niño schwankt insbesondere die Fangmenge der Peruanischen Sardelle von Jahr zu Jahr.
3.9 > Die 10 bedeutendsten Fischarten der Meeresfischerei und ihre weltweiten Gesamtfangmengen. In Abhängigkeit vom Klimaphänomen El Niño schwankt insbesondere die Fangmenge der Peruanischen Sardelle von Jahr zu Jahr.  © nach FAO Fishstat (2012)

Die Nordostatlantische Makrele – Auszug aus der Nordsee

Der Bestand der Nordostatlantischen Makrele (Scomber scombrus) setzt sich aus drei Teilbeständen zusammen: dem westlichen Bestand, dem südlichen Bestand und dem Nordseebestand. Die Fische dieser Teilbestände unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Laichplätze. Die Nordseemakrelen laichen an der britischen Ostküste, die südlichen Tiere in der Biskaya sowie vor der Iberischen Halbinsel und die westlichen Tiere im Westen der Britischen Inseln und Irlands. Im Frühjahr, wenn sich mit steigenden Temperaturen das Plankton stark entwickelt, ziehen die Tiere aller drei Bestände in das Gebiet zwischen den Shetlandinseln und Norwegen, um dort gemeinsam auf Beutejagd zu gehen. Dieses nahrungsreiche „summer feeding area“ verlassen die Tiere nach und nach wieder, um in den drei Teilgebieten abzulaichen. Dabei zeigen sie ein erstaunliches Schwarmverhalten: Jungtiere, die zum ersten Mal laichen, schwimmen keineswegs immer zurück in ihr Heimatgebiet, sondern folgen oftmals der Masse der Makrelen. Früher lebte der größte Teilbestand in der Nordsee. Entsprechend zog es viele Erstlaicher in die Nordsee. In den 1970er Jahren aber brach der Nordseebestand aufgrund von Überfischung zusammen.
3.10 > In Thunfischkonserven wird meist das Fleisch weitverbreiteter Thunfischarten wie des Echten Bonitos angeboten. Dennoch sollte man beim Kauf auf Produkte aus nachhaltiger Fischerei achten. © Michal Saganowski/Getty Images 3.10 > In Thunfischkonserven wird meist das Fleisch weitverbreiteter Thunfischarten wie des Echten Bonitos angeboten. Dennoch sollte man beim Kauf auf Produkte aus nachhaltiger Fischerei achten.
Obwohl man die Fischerei anschließend in vollem Umfang stoppte, hat sich dieser Teilbestand bis heute nicht erholt. Der westliche Bestand wurde zum wichtigsten. Die Folgen sind klar: Viele Makrelen, die heute in der Nordsee aufwachsen, folgen als Erstlaicher dem Hauptstrom nach Westen. Auch gute Jahrgänge können daran nichts ändern. Selbst wenn es in der Nordsee viel Nachwuchs gibt, wandern später die meisten Tiere zum Laichen in den Westen ab. Dass bis heute Makrelen in der Nordsee zu finden sind, liegt vermutlich daran, dass stets ein gewisser Teil von ihnen dennoch die Laichgründe an der englischen Ostküste aufsucht. Fraglich ist, ob sich in der Nordsee jemals wieder ein größerer Makrelenbestand etablieren kann. Interessant ist, dass sich die Nordostatlantische Makrele in den letzten Jahren offensichtlich allgemein verstärkt nach Westen orientiert. So schwimmen die Tiere auf ihrer frühsommerlichen Nahrungswanderung zunehmend bis in isländische Gewässer. Das hat dazu geführt, dass Island die Fangmengen für Makrele innerhalb von nur 3 Jahren von 4000 auf 200 000 Tonnen gesteigert hat. Wissenschaftler sehen das mit Sorge, denn seit Jahren werden ohnehin zu viele Makrelen gefangen. Der Grund: Die Anrainer – die Färöer, Island, Norwegen, Russland sowie die Europäische Union – wollen sich nicht auf niedrigere Fangzahlen einigen. Jede Nation legt für sich eigene Fangmengen fest. Rechnet man alle zusammen, wird die von den Wissenschaftlern empfohlene jährliche Gesamtfangmenge deutlich überschritten. So ist zu befürchten, dass der Bestand der Nordostatlantischen Makrele in den kommenden Jahren vollständig überfischt sein wird.
3.11 > Japan ist ein bedeutender Abnehmer von Thunfisch. Zu Dutzenden lagern die tiefgefrorenen Tiere in der Kühlhalle eines Tokioter Fischmarkts.
3.11 > Japan ist ein bedeutender Abnehmer von Thunfisch. Zu Dutzenden lagern die tiefgefrorenen Tiere in der Kühlhalle eines Tokioter Fischmarkts.  © Bruno Barbey/Magnum Photos/Agentur Focus

Zusatzinfo Wie geht es dem Thunfisch?

Der südliche Europäische Seehecht – Geschacher um Fangzahlen

Ungewiss ist auch die Zukunft des südlichen Europäischen Seehechts in der Biskaya und westlich der Iberischen Halbinsel. Er ist ein Musterbeispiel dafür, wie schwierig es ist, einen Bestand richtig einzuschätzen. Und er zeigt, dass eine Fischereination im Zweifelsfall eher weiterfischt, als einen Bestand zu schützen. Schwierig ist die Diskussion um den Seehecht vor allem deshalb, weil sich die Art seit etwa 2 Jahren offensichtlich stärker vermehrt als in den Jahren zuvor be­obachtet. Die Laicherbiomasse nimmt zu. Die Wissenschaftler des ICES gehen dennoch davon aus, dass der Bestand schon länger, nämlich seit Anfang dieses Jahrhunderts, überfischt ist. Die Bestandsabschätzungen des ICES haben ergeben, dass wohl 3-mal mehr Seehecht gefangen wurde, als es der Bestand auf die Dauer vertragen kann. Nach langen, zähen Verhandlungen mit Spa­nien richtete die EU-Kommission 2005 endlich einen Managementplan ein. Dieser sei aber nicht ausreichend, sagen die ICES-Experten, denn dessen Ziel sei es, die Fangmengen nur ganz langsam zu senken. Rein rechnerisch könnte sich der Bestand so irgendwann erholen. Eine solche Bestandszunahme allerdings wäre nach Ansicht der ICES-Experten so gering, dass sie kaum messbar wäre. Eine Aussage, ob sich der Bestand erholt, könnte demnach in den kommenden 10 Jahren überhaupt nicht getroffen werden. Viele Fachleute betrachten den Managementplan daher als Farce. Der Seehecht sei damit nicht ausreichend geschützt. Spanien aber beharrt angesichts der aktuellen Zunahme der Laicherbiomasse auf dem Managementplan. Der ICES geht davon aus, dass trotz des Managementplans zu viel Fisch gefangen wird. Dass der Laicherbestand wächst, so die ICES-Fachleute, sei ein großes Glück. Sie argumentieren, dass der Seehecht trotz und nicht aufgrund des Managementplans wachse. Dass Spanien einlenkt, ist nicht abzusehen. Für das Jahr 2012 hat das Land dem ICES unvollständige Daten überreicht, die in dieser Form nutzlos sind. Das führt derzeit zu kontroversen Diskussionen zwischen dem ICES und Spanien.
3.13 > Durch konsequentes Fischereimanagement kann sich ein Bestand erholen. Nachdem der Nordseehering in den 1960er Jahren überfischt worden war (siehe abnehmende Laicherbiomasse), stoppte man die Fischerei. Der Bestand, insbesondere die Menge der geschlechtsreifen Tiere (Laicher), wuchs wieder an. Nach einer erneuten Überfischung in den 1990er Jahren wurde 1997 ein Managementplan beschlossen, der den Fang erneut beschränkte. Der Laicherbestand konnte sich erholen. Die Abnahme der Laicher­biomasse ab 2002 ist vermutlich auf Klimaveränderungen zurückzuführen.
3.13 > Durch konsequentes Fischereimanagement kann sich ein Bestand erholen. Nachdem der Nordseehering in den 1960er Jahren überfischt worden war (siehe abnehmende Laicherbiomasse), stoppte man die Fischerei. Der Bestand, insbesondere die Menge der geschlechtsreifen Tiere (Laicher), wuchs wieder an. Nach einer erneuten Überfischung in den 1990er Jahren wurde 1997 ein Managementplan beschlossen, der den Fang erneut beschränkte. Der Laicherbestand konnte sich erholen. Die Abnahme der Laicher­biomasse ab 2002 ist vermutlich auf Klimaveränderungen zurückzuführen.  © http://fischbestaende.portal-fischerei.de

Der Nordseehering – eine Erholung ist möglich

Dass sich ein Bestand erholen kann, wenn man ihn lässt, zeigt das Beispiel des Nordseeherings. Nachdem man in den 1960er Jahren die Ringwadenfischerei eingeführt hatte, kollabierte der Bestand innerhalb weniger Jahre. Die Heringsfischerei war deshalb von 1977 bis 1981 komplett verboten – eine konsequente und richtige Maßnahme. Der Bestand erholte sich. Die Laicherbiomasse erreichte Anfang der 1990er Jahre ein neues Hoch. Dann folgte die nächste Krise. Diesmal gingen viele junge Fische als Beifang in Netz. Damit gab es weniger Tiere, die zur Geschlechts­reife heranwachsen konnten. In der Folge sank die Laicherbiomasse erneut sehr stark. Mitte der 1990er Jahre war der Bestand wieder auf einem Tief. Diesmal aber reagierte man schneller. 1997 wurde die Fangmenge mitten im Fischereijahr erneut stark gedrosselt. Der Bestand erholte sich.

Ringwade Die Ringwade ist ein Netz, das kreisförmig um einen Schwarm gelegt und dann am unteren Rand zusammengezogen wird. So lassen sich selbst große Fischschwärme wie in einem Kescher fangen.

Das Beispiel zeigt, dass sich die Entwicklung eines Bestands durch Fangverbote oder Beschränkungen sehr gezielt steuern und zum Positiven wenden lässt. Seit 2002 sinkt die Laicherbiomasse allerdings wieder – höchstwahrscheinlich aufgrund natürlicher Klimaschwankungen. Offenbar hängt die Reproduktion des Herings zum Teil mit der Nordatlantischen Oszillation (NAO) zusammen, einer regelmäßig wiederkehrenden großräumigen Luftdruckschwankung. Und das führt zu neuen Differenzen zwischen dem ICES, der die Empfehlungen ausspricht, und dem Europäischen Ministerrat, der für das Fischereimanagement in der Nordsee verantwortlich ist. Wegen der guten Bestandsentwicklung setzte der Minis­terrat 2011 höhere Fangmengen an als vom Managementplan vorgesehen und vom ICES empfohlen. Der ICES drängt darauf, trotz des guten Laicherbestands bei den festgelegten Fangmengen zu bleiben. Gerade in guten Zeiten sollte ein Managementplan erfüllt werden, damit der Bestand weiter wachsen und auch Jahre mit schlechter Reproduktion abfedern kann. Textende