- Leitprinzipien und Regeln für einen Einsatz mariner CDR-Verfahren
- > Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass die Menschheit der Atmosphäre Kohlendioxid entnehmen muss, wenn sie ihre Klimaziele erreichen will. Die Anforderungen an solch eine Entnahme sind allerdings enorm: Weder Natur noch Menschen sollen Schaden nehmen. Gleichzeitig soll die Entnahme klimawirksam und dauerhaft sein. Erste Thesen, Leitprinzipien und Regulierungsansätze dafür wurden entwickelt. Die Debatte darüber aber hat gerade erst begonnen.
Regulierung möglicher CDR-Einsätze: Gebraucht werden klare Strategien und Vorschriften
Die immer drastischeren Auswirkungen des Klimawandels verpflichten uns, alles Menschenmögliche zu tun, um die globale Erwärmung auf ein Minimum zu begrenzen. Dazu gehört auch der Einsatz vielversprechender meeresbasierter CDR-Verfahren. Sie allein aber bieten keine Lösung der Klimakrise, sondern können nur Teil eines übergreifenden Plans zum Umgang mit Restemissionen sein. Oberste Priorität hat jedoch die drastische Reduktion und Vermeidung menschengemachter Treibhausgasemissionen. Durch sie lässt sich der Klimawandel nämlich schneller, wirksamer, günstiger und risikoärmer eindämmen als mit jedem Kohlendioxid-Entnahmeverfahren.
Sollten meeresbasierte CDR-Verfahren angewendet werden, beträfe der Einsatz einen Ozean, der bereits auf vielfache Weise vom Menschen genutzt und ausgebeutet wird. Um das Meer zu schützen und eine gerechte Lastenverteilung zu garantieren, braucht es deshalb durchdachte nationale und internationale CDR-Strategien mit klaren Zielstellungen und Regeln für alle Akteure. Fachleute haben erste Leitprinzipien für eine Steuerung und Regulierung land- und meeresbasierter CDR-Verfahren entwickelt. Ihnen zufolge muss zusätzlich zum Vorrang der Emissionsvermeidung bereits vor einem Einsatz sichergestellt werden, dass zum einen die Kohlendioxid-Entnahme dauerhaft erfolgen wird und die Maßnahmen nicht mehr neue Treibhausgasemissionen verursachen, als Kohlendioxid der Atmosphäre entnommen werden kann. Zum anderen müssen die Verfahren im Vorfeld umfassend aus Klima-, Umwelt- und sozialer Perspektive bewertet werden und mögliche Zielkonflikte vermieden oder gelöst werden, und das auf umwelt- und sozialverträgliche Weise.
Experten zufolge deutet momentan wenig darauf hin, dass sich die Staatengemeinschaft auf ein gemeinsames übergreifendes Regelwerk für alle CDR-Verfahren einigen wird. Dafür unterscheiden sich die vielen land- und meeresbasierten Verfahren zu stark voneinander. Aussichtsreicher sind Vorschläge, marine CDR-Methoden separat zu regulieren, indem sie in ihren jeweiligen Regulierungskontext integriert werden. Wie das gelingen könnte, zeigt sich am Beispiel des Londoner Protokolls. Dessen Regelwerk ist in den zurückliegenden Jahren um „marines Geoengineering“ erweitert worden. Zudem wurden Vorgaben zur Ozeandüngung und zur Kohlendioxidspeicherung im tiefen Meeresuntergrund aufgenommen. Auf dieselbe Weise ließen sich Vorschriften für weitere CDR-Verfahren integrieren, bei denen Stoffe oder Technik in das Meer eingebracht werden müssten.
Dringend benötigt werden auch einheitliche Verfahren, mit denen die tatsächlichen Kohlendioxid-flüsse in Entnahmeprojekten gemessen, dokumentiert und verifiziert werden können. Ein solches Monitoring könnte Rechtsunsicherheiten reduzieren, Missbrauch verhindern und böte die Chance, Zertifikate auf dauerhaft entnommene CO2-Mengen auszugeben. Diese wiederum könnten Unternehmen motivieren, in meeresbasierte CDR-Projekte zu investieren, wenn zertifizierte CO2-Entnahmen subventioniert würden oder andere Vorteile brächten.
Zeitgleich braucht unsere Gesellschaft allerdings auch eine breite öffentliche Debatte über den möglichen Einsatz von CDR-Verfahren. Diese findet bislang nur in Wissenschaft, Wirtschaft und in einigen wenigen politischen Gremien statt. Ein starkes Engagement der Öffentlichkeit ist jedoch aus vielen Gründen unabdingbar für erfolgreiche Klimaschutzmaßnahmen. Das gilt insbesondere für jene Bevölkerungsgruppen, in deren Heimat CDR-Maßnahmen zum Einsatz kämen. Im Kampf gegen den Klimawandel geht es mittlerweile um unsere menschliche Existenz. Um diese Herausforderung zu meistern, braucht es jede und jeden.