Energie
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WOR 1 Mit den Meeren leben - ein Bericht über den Zustand der Weltmeere | 2010

Fossile Brennstoffe

Fossile Brennstoffe

> Erdöl und Erdgas sind die wichtigsten Rohstoffe moderner Industriegesellschaften. Doch die Vorräte schwinden, und die Preise steigen. Für die Ölkonzerne werden damit auch jene Ressourcen interessant, die bislang nur schwierig und teuer zu erschließen waren: die Gas- und Öllagerstätten tief im Meer. Schon heute liegt der Offshore-Anteil der weltweiten Gas- und Ölfördermenge bei gut einem Drittel.

Abhängigkeit von Öl und Gas

Ohne Erdgas, Erdöl und Kohle stünde unsere Welt still. Kaum ein Auto, kaum eine Bahn, kaum ein Schiff würde fahren. In den meisten Büros gingen die Computer und das Licht aus. Die modernen Industrienationen sind von fossilen Rohstoffen fast gänzlich abhängig. In den vergangenen drei Jahrzehnten stieg der Energieverbrauch weltweit um 70 Prozent. Bis zum Jahr 2030 wird die Menschheit den Verbrauch nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris noch einmal um gut die Hälfte nach oben treiben. Die größten Energieverbraucher sind heute die USA, China und Russland. Auch in diesen Nationen wird die Energienachfrage weiter steigen. Angesichts des wachsenden Bedarfs und steigender Preise dürften künftig verstärkt Gas- und Öllagerstätten im Meer
Gas- und Öllagerstätten im Meer
interessant werden, deren Abbau bislang zu teuer war.

Entstehung und Erkundung der fossilen Energieträger

Gas und Öl enstehen im Laufe von Jahrmillionen im Meer, weil Biomasse, abgestorbene Tiere und Pflanzen, in die Tiefe absinkt. Zusammen mit Partikeln, die vom Land ins Meer gespült werden, bildet sie am Meeres­boden kilometerdicke Sedimentpakete. Unter den dort herrschenden hohen Drücken und Temperaturen wandeln Bakterien die Biomasse in Vorläufersubstanzen um, aus denen sich schließlich Kohlenwasserstoffe bilden. Diese können bestimmte Gesteins- und Sedimentschichten durchdringen. Sie wandern durch den Boden per Auftrieb nach oben. Diesen Prozess nennt man Migration. In manchen Fällen sammeln sich die Kohlenwasserstoffe an undurchlässigen Schichten. Nur dort bilden sich schließlich die eigentlichen Lagerstätten. Je nach Umgebungsbedingungen entsteht Gas oder Öl. Die heutigen Vorkommen der fossilen Energieträger sind zwischen 15 und 600 Millionen Jahre alt. In diesem Zeitraum haben sich die Kontinentalplatten verschoben und Meere in Landmassen verwandelt, sodass heutige Rohstofflager sowohl im Meer als auch an Land zu finden sind. Für die heutigen Vorkommen im Meer gilt, dass Gas und Öl in der Regel nur dort zu finden sind, wo mächtige Sedimente den Meeresboden bedecken.
Bei der Suche nach neuen Lagerstätten, der Prospek­tion, bedient man sich heute seismischer Geräte. Bei diesen Verfahren erzeugt man Schallwellen, die von den Gesteins- und Sedimentschichten im Boden zurückgestreut werden. Anhand der akustischen Muster können Geologen ablesen, ob im Boden Schichten vorhanden sind, in denen Gas oder Öl lagern könnten. Auf See werden die Schallwellen durch eine sogenannte Airgun erzeugt – eine Art Unterwasser-Knallgerät, das mit Druckluft arbeitet. Die rückgestreuten Echos werden dann über Hydrophone am Meeresboden oder am Forschungsschiff empfangen.

7.1 > Gewinnungskosten von konventionellem Erdöl nach Art und Region nach Schätzung der IEA und des Ölkonzerns Petro-bras (Enhanced Oil Rec.: verbesserte Nutzung alter Ölfelder). © maribus (nach Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR)

7.1 > Gewinnungskosten von konventionellem Erdöl nach Art und Region nach Schätzung der IEA und des Ölkonzerns Petro-bras (Enhanced Oil Rec.: verbesserte Nutzung alter Ölfelder).

Die Zukunft des Öls liegt im Meer

Seit Beginn der industriellen Ölförderung Mitte des 19. Jahrhunderts wurden 147 Milliarden Tonnen Öl aus den Lagerstätten rund um den Globus gepumpt – die Hälfte davon allein in den vergangenen 20 Jahren. Nur im Jahr 2007 lag der Mineralölverbrauch weltweit bei insgesamt rund 3,9 Milliarden Tonnen. Es steht außer Frage, dass die Förderung schon in naher Zukunft nicht mehr mit dem jährlich wachsenden Bedarf Schritt halten kann. Experten erwarten, dass in den kommenden zehn Jahren der sogenannte Peak Oil erreicht wird, der historische Scheitelpunkt der weltweiten Ölförderung. Derzeit schätzt man die konventionellen, das heißt die leicht und kostengünstig mit heutiger Technik gewinnbaren Öl­reserven auf gut 157 Milliarden Tonnen. Davon sind 26 Prozent (41 Milliarden Tonnen) in Offshore-Gebieten zu finden. Aus dem Meer gefördert wurden im Jahr 2007 1,4 Milliarden Tonnen Öl, was etwa 37 Prozent der jährlichen Ölproduktion entspricht. Damit ist der Offshore-Anteil der Förderung schon heute relativ hoch. Die ergiebigsten Gebiete sind derzeit die Nordsee und der Golf von Mexiko, der Atlantik vor Brasilien und Westafrika, der Arabische Golf und das Meer vor Südost­asien.
Seit einigen Jahren schon gibt es einen Trend zu immer größeren Wassertiefen. 2007 wurde Öl bereits aus 157 Feldern gefördert, die mehr als 500 Meter tief liegen. Im Jahr 2000 waren gerade einmal 44 solcher Felder in Betrieb. 91 Prozent dieser Felder liegen im sogenannten Goldenen Dreieck im Atlantik zwischen dem Golf von Mexiko, Brasilien und Westafrika. Während die Fördermenge in der mit durchschnittlich 40 Metern Tiefe relativ flachen Nordsee in den kommenden Jahren abnehmen wird, dürfte sie vor allem im Goldenen Dreieck, vor Indien, im Südchinesischen Meer und im Kaspischen Meer vor Kasachstan weiter wachsen. Die tieferen Meeresgebiete bergen für die Zukunft also zusätzliches Potenzial. Experten gehen deshalb davon aus, dass sich der Offshore-Trend mit der zu erwartenden Verknappung des Öls fortsetzen wird. Die Förderung hier aber ist aufwendig und kostspielig. So benötigt man beispielsweise für die Ausbeutung von Feldern in großer Tiefe Ölförder- und Produktionsschiffe oder fest montierte Pumpstationen am Meeresgrund.

Reserve und Ressource Als Reserve bezeichnet man die Vorräte eines Energierohstoffs, die mit großer Genauigkeit erfasst wurden und sich mit der gängigen Fördertechnik wirtschaftlich fördern lassen. Der Begriff Ressource hingegen meint die Menge eines Energierohstoffs, die geologisch nachgewiesen ist, aber derzeit nicht wirtschaftlich gewonnen werden kann, und außerdem jene Menge, die noch nicht nachgewiesen worden, aber in einem Gebiet aufgrund der geologischen Charakteristika zu erwarten ist.

Offshore-Gas und seine Chancen

Auch der Erdgasverbrauch wächst permanent. Im Jahr 2007 lag er weltweit bei gut 3 Billionen Kubikmetern, etwa 520 Milliarden Kubikmeter mehr als noch im Jahr 2001. Zum Vergleich: Ein deutscher Haushalt benötigt jährlich etwa 3500 Kubikmeter Gas. Die größten Erdgasverbraucher sind die USA, auf die allein etwa ein Viertel des Welt-Gasverbrauchs entfällt, gefolgt von Russland, Iran, Japan und Deutschland. Die Erdgasvorkommen sind recht ungleich über den Globus verteilt. Was die Lagerstätten an Land betrifft, verfügen die GUS-Staaten und der Nahe Osten über fast drei Viertel der Welt-Gasreserven. Offshore sieht das Bild ein wenig anders aus. Hier ist der Nahe Osten Spitzenreiter. In dieser Region ist im Meeresboden sogar deutlich mehr Gas vorhanden als in den dortigen Landlager­stätten. Als weltweit größtes Vorkommen gilt das Erdgasfeld South Pars/North Field im Persischen Golf an der Grenze von Iran und Katar. Hier werden allein 38 Billionen Kubikmeter Gas vermutet. Das ist eine gewaltige Menge, wenn man bedenkt, dass die weltweiten Reserven auf 183 Billionen Kubikmeter Erdgas geschätzt werden. Weitere wichtige potenzielle Offshore-Regionen sind die Nordsee, der Golf von Mexiko, Austral-Asien, Afrika und die GUS-Staaten sowie das Goldene Dreieck, in dem Gas auch als Nebenprodukt der Erdölindustrie gewonnen wird.
Das wichtigste Fördergebiet ist derzeit noch die Nordsee. Andere Regionen werden ihr in den kommenden Jahren aber den Rang ablaufen. Im Nahen Osten, aber auch vor Indien und Bangladesch, Indonesien und Malaysia wird die Erdgasförderung in nächster Zeit anziehen. Momentan liegt der Offshore-Anteil der weltweiten Gasfördermenge mit 65 Billionen Kubikmetern bei gut einem Drittel. Künftig wird die Offshore-Förderung von Erdgas weiter zunehmen. So ist die Erdgasförderung aus Offshore-Feldern zwischen 2001 und 2007 um knapp 20 Prozent gewachsen. Davon kamen je ein Viertel aus der Nordsee und Austral-Asien und etwa 15 Prozent aus dem Golf von Mexiko sowie dem Nahen Osten. Der Trend ist, wie beim Erdöl, klar: Die Förderung wächst offshore stärker als onshore. Und auch beim Erdgas strebt man in immer größere Meerestiefen. Den Rekord hält derzeit das Cheyenne-Gasfeld im Golf von Mexiko, aus dem in 2740 Metern Tiefe gefördert wird.

Mit Vollgas über die Weltmeere – Flüssigerdgas

Bei der Eroberung der Meere spielt verflüssigtes Erdgas eine wichtige Rolle – das sogenannte LNG (Liquefied Natural Gas). Gekühlt und verflüssigt, kann Erdgas in riesigen Tankern über die Ozeane billiger transportiert werden als durch Pipelines. LNG macht schon jetzt ein Viertel des globalen Gashandels aus. Auch in Zukunft wird Erdgas, statt es in Pipelines über Land zu schicken, immer häufiger verschifft. An Land sind Pipelines bis zu etwa 3000 Kilometern Länge billiger als die Erdgas-Verflüssigung und -Verschiffung von Hafen zu Hafen. Am Meeresgrund dagegen lohnen sich Pipelines schon ab dem ersten Meter nicht. Viel eher rentiert sich die LNG-Verschiffung von der Offshore-Förderanlage zum Land. Eine LNG-Anlage verflüssigt Erdgas, indem sie den Rohstoff auf etwa minus 160 Grad Celsius abkühlt. Solche LNG-Anlagen haben einen hohen Energieverbrauch und tragen wesentlich zu den Kosten der LNG-Transportkette bei. Doch schon jetzt ist abzusehen, dass der LNG-Anteil am Erdgashandel in Zukunft deutlich zunehmen wird. In den kommenden 15 Jahren soll der Markt jedes Jahr um 8 Prozent wachsen, viel stärker expandieren als der Handel mit Pipelinegas. Meh­rere Verflüssigungsanlagen sind bereits in Betrieb. Kürzlich wurde in Norwegen eine LNG-Anlage in Betrieb genommen, die Erdgas aus der Barentssee verflüssigt. Das Erdgas wird dabei erst aus dem Gasfeld Snøhvit – zu Deutsch Schneewittchen – ans Festland nach Hammerfest gepumpt und dort dann entsprechend verarbeitet. Bald sollen auch vor der westafrikanischen Küste erste LNG-Anlagen direkt im Meer über den Gasfeldern errichtet werden. Tanker können dann vor Ort anlegen.

7.2 > Weltweite Verteilung der Reserven an konventionellem Erdöl 2007 onshore und offshore nach Regionen. © maribus (nach Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR) 7.2 > Weltweite Verteilung der Reserven an konventionellem Erdöl 2007 onshore und offshore nach Regionen.

Sonderfall Arktis

Mit dem durch den Klimawandel verursachten Wegschmelzen des arktischen Meereises wächst die Hoffnung der arktischen Nationen, künftig die Erdgas- und Erdölvorräte in der Nordpolarregion ausbeuten zu können. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten gehen davon aus, dass dort tatsächlich beträchtliche Vorkommen zu finden sind. So wird vermutet, dass in den Meeresgebieten nördlich des Polarkreises etwa 30 Prozent der bislang noch unentdeckten Gasmengen und 13 Prozent des unentdeckten Öls ruhen. Nach Ansicht der Wissenschaftler sind die Gasvorräte beträchtlich und liegen vor allem in den russischen Gewässern. Die geringeren Öl­vorräte hingegen dürften die Weltölproduktion kaum beeinflussen. Ob und wann eine Förderung in der Arktis beginnt, kann derzeit aber noch keiner sagen. Nicht zuletzt weil noch eine Reihe rechtlicher Fragen zu klären ist (Kapitel 10). Zudem ist eine Förderung in diesen unerschlossenen Gebieten derzeit nicht wirtschaftlich, da man sie nur mit aufwendigen und teuren Eisbrecher­einsätzen erkunden kann.

7.3 > Weltweite Verteilung der Reserven an konventionellem Erdgas 2007 onshore und  offshore nach Regionen. © maribus (nach Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR) 7.3 > Weltweite Verteilung der Reserven an konventionellem Erdgas 2007 onshore und offshore nach Regionen.

Die Endlichkeit von Öl und Erdgas

Sicher ist, dass der Abbau von Erdöl und Erdgas im Meer zunehmen wird. Die Technik ist längst etabliert. Allein die Kosten liegen derzeit noch deutlich höher als beim Abbau an Land oder in Flachwassergebieten. Mit sich verknappenden Gas- und Ölvorräten und steigenden Ölpreisen aber wird der Abbau bislang unrentabler Vorkommen wirtschaftlich. Offshore-Felder werden damit künftig wesentlich zur Energieversorgung der Industriegesellschaft beitragen können. Wie lange die weltweiten Öl- und Gasreserven und -ressourcen reichen, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen – insbesondere weil sich die künftige Entwicklung des Verbrauchs nur schwer vorhersagen lässt. Aus heutiger Sicht werden beispielsweise die Erdgasressourcen vermutlich bis weit in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts die Versorgung sicherstellen können. Wird aber Erdgas künftig verstärkt für Autos oder zur Stromproduktion in Kraftwerken eingesetzt, dann könnte das die Vorräte deutlich schneller aufzehren. Textende