Bedrohung durch Klimawandel und Naturgefahren
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WOR 5 Die Küsten – ein wertvoller Lebensraum unter Druck | 2017

Der Klimawandel und die Küsten

Der Klimawandel und die Küsten © The Asahi Shimbun/Getty Images

Der Klimawandel und die Küsten

> Der durch den Menschen verursachte Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid und die damit verbundene Klimaerwärmung bewirken, dass der Meeresspiegel langsam steigt. Küstengebiete sind davon besonders betroffen. Auch die Versauerung und die Erwärmung des Meerwassers werden weitreichende Konsequenzen für die dortigen Lebensgemeinschaften haben.

Ungehemmter Kohlendioxidausstoß

Küsten werden nicht nur durch Baumaßnahmen oder Verschmutzungen vor Ort beeinträchtigt. Hinzu kommen die durch den Klimawandel verursachten globalen Bedrohungen – der Meeresspiegelanstieg, die Versauerung und die Erwärmung der Ozeane –, die ursächlich in erster Linie mit der bis heute ungehemmten Verbrennung der fossilen Rohstoffe Erdgas, Erdöl und Kohle verbunden sind. Große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) werden dadurch zusätzlich freigesetzt, sodass nach dem Beginn der industriellen Revolution die CO2-Kon­zentration in der Atmos­phäre um 1800 von zunächst 280 parts per million (ppm) auf heute gut 400 ppm gestiegen ist. Diese Zunahme hat zu einer schleichenden Veränderung des Klimas geführt.

Zusatzinfo Anthropogener Treibhauseffekt

Die Trägheit des Klimas

Aufgrund der Trägheit unseres Klimasystems werden viele Auswirkungen des anthropogenen Treibhauseffekts nur allmählich sichtbar. Selbst wenn man es heute schaffen sollte, die Kohlendioxidemissionen gänzlich zu stoppen, würde sich die oberflächennahe Lufttemperatur noch über mindestens hundert Jahre erhöhen. Der Meeresspiegel würde sogar noch über mehrere Jahrhunderte weiter ansteigen. Woran liegt das? Zum einen dehnt sich das Meerwasser durch die langsame Erwärmung der Tiefsee erst allmählich aus. Zum anderen reagieren die kontinentalen Eisschilde in Grönland und in der Antarktis wahrscheinlich sehr langsam auf die Erwärmung der Atmosphäre. Dadurch wird sich das Abschmelzen der Gletscher über einen sehr langen Zeitraum von vielen Jahrtausenden hinziehen.
Durch die zunehmende Meereserwärmung werden sich die Lebensbedingungen künftig für viele Meeres­organismen ändern, was zu einer neuen Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften und Nahrungsnetze führen dürfte. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die Ozeanversauerung, die zu chemischen Veränderungen im Meerwasser führt. Zu dieser Versauerung kommt es, weil sich immer mehr Kohlen­di­oxid aus der Atmosphäre im Meerwasser löst. Dabei bildet sich, vereinfacht ausgedrückt, Säure.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Forschungsprojekte, die sich mit den Folgen des Klimawandels für das Meer befassen, sprunghaft angestiegen. Viele dieser Arbeiten beschäftigen sich vor allem mit den Folgen für die Küsten und die Küsten­ge­wässer. Und befassen sich dabei auch mit der Frage, ob und inwieweit sich die Meereserwärmung und die Meeresversauerung auf die Küstengewässer ähnlich oder anders auswirken als auf das offene Meer.
3.1 > Im Meer bildet sich zwischen dem warmen Oberflächenwasser und dem kühlen Wasser in der Tiefe häufig eine Temperatursprungschicht. Diese kann man wie hier vor der thailändischen Insel Ko Phangan mit bloßem Auge erkennen, weil sich mit der Temperatur die Dichte des Wassers ändert und bestimmte Partikel an der Sprungschicht schweben.
Abb. 3.1: Im Meer bildet sich zwischen dem warmen Oberflächenwasser und dem kühlen Wasser in der Tiefe häufig eine Temperatursprungschicht. Diese kann man wie hier vor der thailändischen Insel Ko Phangan mit bloßem Auge erkennen, weil sich mit der Temperatur die Dichte des Wassers ändert und bestimmte Partikel an der Sprungschicht schweben. © Alan Duncan
Die Meereserwärmung

Wärmeres Wasser, stärkere Schichtung

Während man heute bereits recht genau abschätzen kann, welche Küstengebiete betroffen sein werden, wenn der Meeresspiegel um ein bestimmtes Maß steigen sollte, sind die Folgen der Meereserwärmung sehr viel schwerer abzuschätzen. Als sicher gilt, dass sich dadurch die Schichtung von Wassermassen künftig verstärken wird. Sauerstoffreiche Schichten an der Wasseroberfläche werden sich schlechter mit kalten, tieferen Wasserschichten mischen, was zu einem Sauerstoffmangel in der Tiefe führen kann. Dieser Fall ist bereits in verschiedenen Meeresgebieten der Welt eingetreten.
Die Schichtung von Wassermassen ist zunächst ein natürlicher Vorgang: In den Sommermonaten erwärmt sich das Wasser an der Meeresoberfläche, und es bildet sich eine oberflächennahe Wasserschicht, die wie ein Deckel auf dem schweren, kälteren Wasser in der Tiefe sitzt. Der Übergang von der warmen Oberflächenschicht zum kalten Wasser darunter ist relativ abrupt, weshalb die Trennlinie zwischen warm und kalt auch als Temperatursprungschicht (Thermokline) bezeichnet wird. Je nach Meeresgebiet ist eine solche Sprungschicht einige Dezimeter bis viele Meter mächtig. Wobei die Sprungschichten im offenen Ozean bei großen Wassertiefen deutlich dicker als in Küstengebieten sind.
An der Sprungschicht lagert also eine warme Wasserschicht mit geringer Dichte auf einem kalten Wasserkörper höherer Dichte. Damit wirkt die Sprungschicht wie eine Barriere. Je stärker der Temperaturunterschied ist, desto größer ist die Dichte­dif­ferenz und desto stabiler ist die Sprungschicht. So kann schließlich kaum mehr sauerstoffreiches Wasser von der Oberfläche durch Wellenbewegungen in die tieferen Schichten eingemischt werden, in denen aufgrund des Lichtmangels auch kein Sauerstoff durch Photosynthese entstehen kann. Weil in den tieferen Wasserschichten ständig Sauerstoff wegen des Abbaus von organischem Material durch Mikro­or­ganismen aufgezehrt wird, ist dies sehr problematisch und führt in den tieferen Wasserschichten vieler Küstenmeere zu Sauerstoffarmut.
Durch die Meereserwärmung wird der Sauerstoffmangel in der Tiefe heute noch verstärkt. Das liegt daran, dass biochemische Prozesse bei höheren Temperaturen grundsätzlich schneller ablaufen, weil die daran beteiligten biochemischen Substanzen reaktiver sind. Das gilt auch für den Stoffwechsel von Bakterien. Die Bakterien bauen die Reste des in die tieferen Wasserschichten abgesunkenen toten Planktons ab, wobei Sauerstoff verbraucht wird. ­Je höher die Temperaturen sind, desto reger ist der Bakte­rienstoffwechsel und desto mehr Sauerstoff wird auch verbraucht.

Zusatzinfo Die Szenarien des Weltklimarats

Einzigartige Messwerte aus 60 Jahren

Wie sich die Meereserwärmung heute konkret auswirkt, haben Wissenschaftler für die deutsche Ostsee mithilfe einer einzigartigen Zeitreihe herausgefunden, deren Daten bis zum Jahr 1957 zurückreichen. Regelmäßig messen die Forscher an derselben Position in der Eckernförder Bucht die Temperatur, den Nährstoff- und den Sauer­stoff­gehalt des Wassers sowie weitere Parameter. Die Daten zeigen, dass im Laufe der vergangenen Jahre der Nährstoffgehalt im Wasser abgenommen hat, was höchst­wahr­scheinlich auf einen geringeren Eintrag von Land zurückzuführen ist. Erstaunlicherweise kommt es heute in den Frühjahrs- und Sommermonaten trotzdem in den tieferen Wasserschichten zu einem Sauerstoffmangel. In 25 Meter Tiefe hat der Sauerstoffgehalt in der Eckernförder Bucht deutlich abgenommen, wobei die niedrig­sten Werte zwischen Mai und September auftreten. Zeitweise ist das Wasser in der Tiefe gänzlich sauerstofffrei.
3.6 > Seit 1957 untersuchen Forscher regelmäßig das Wasser an einem bestimmten Punkt der Eckernförder Bucht an der Ostseeküste. Heute werden dazu moderne Wasserschöpfer verwendet, die in verschiedenen Tiefen Wasserproben nehmen.
Abb. 3.6: Seit 1957 untersuchen Forscher regelmäßig das Wasser an einem bestimmten Punkt der Eckernförder Bucht an der Ostseeküste. Heute werden dazu moderne Wasserschöpfer verwendet, die in verschiedenen Tiefen Wasserproben nehmen. © Maike Nicolai, Geomar
Der Grund dafür ist höchstwahrscheinlich die Meeres­erwärmung, die an der Ostseeküste zu zweierlei Phänomenen führt, die miteinander gekoppelt sind. Zum einen bewirkt die Erwärmung der oberen Wasserschichten eine stärkere Ausprägung der Sprungschicht, was in den Sommermonaten den Sauerstofftransport in die Tiefe erschwert. Hinzu kommt ein biologisches Phänomen. Im wärmeren Wasser gedeihen besonders gut kleine fädige Algen, die sich auf Großalgen wie dem Blasentang absetzen. Die fädigen Algen werden normalerweise von kleinen Krebsen abgeweidet. Steigt aber die Wassertempe­ratur, werden die Krebse träger und fressen kaum noch. Die fädigen Algen können sich stärker vermehren und wuchern schließlich den Blasentang und andere Großalgen zu. Der Blasentang, der auf Sonnenlicht für die Photosynthese angewiesen ist, stirbt ab. Dadurch steht eine unnatürlich große Menge an abgestorbener Biomasse zur Verfügung, die in die tieferen Wasserschichten absinkt und von Bakterien abgebaut wird. Damit wird verstärkt Sauerstoff verbraucht, der wegen der ausgeprägten Sprungschicht ohnehin nur noch in geringen Mengen vorhanden ist. Vor allem in den Monaten Juli und August können sich dann in der Tiefe sauerstofffreie Zonen bilden. Seit mehreren Jahren beobachten die Forscher deshalb im Hochsommer einen Zusammenbruch der Lebensgemeinschaft in den bodennahen Wasserschichten der Eckernförder Bucht.

Cyanobakterien
Cyanobakterien sind eine Gruppe von Bakterien, die sich dadurch auszeichnen, dass sie Photo­syn­these betreiben können. Aus diesem Grund wurden sie ursprünglich für Pflanzen gehalten und als Blaualgen bezeichnet. Die Bezeichnung „blau“ rührt daher, dass einige Typen von Cyanobakterien statt des grünen Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll den blaugrün schimmernden Farbstoff Phycocyanin besitzen.

Die Beobachtungen aus der Eckernförder Bucht decken sich mit Messwerten, die man für die ganze Ostsee analysiert hat. Seit 1990 wird die Oberflächentemperatur der Ostsee mehrmals täglich von US-amerikanischen Wettersatelliten gemessen, sodass man heute über einen sehr guten Temperaturdatensatz verfügt. Die Daten zeigen, dass die Oberfläche der Ostsee seit 1990 pro Jahrzehnt um 0,6 Grad Celsius wärmer geworden ist. Dieser Zahl liegen Durchschnittswerte für jedes Jahr zugrunde, weil es in der Ostsee starke jahreszeitliche Schwankungen und auch klare regionale Unterschiede gibt. Über den Untersuchungszeitraum von 27 Jahren bedeutet das eine Zunahme von 1,62 Grad Celsius. Durch die steigenden Temperaturen wird insbesondere das Wachstum von Cyanobakterien begünstigt. Bei ruhigem Sommerwetter, bei dem sich das Wasser besonders schnell aufheizt, schwimmen diese Algen auf und sammeln sich in regelrechten Teppichen an der Meeres­ober­fläche. Dies passiert hauptsächlich in der Zentralen Ostsee. Durch den Wind können sie aber an den Strand gespült werden. Aus Sicht des Menschen besteht ein Problem darin, dass viele Arten von Cyanobakterien giftige Substanzen produzieren. Vermehren sie sich zu stark, können sich giftige Teppiche entwickeln, sogenannte Harmful Algal Blooms (HABs, schädliche Algenblüten). In betroffenen Küstengebieten ist das Baden verboten. Zudem können HABs Meerestiere vergiften, etwa Fische. Für die Küstenfischerei kann das erhebliche Einbußen bedeuten.
3.7 > In der Eckernförder Bucht hat seit Ende der 1950er-Jahre die Zahl der Monate zuge­nommen, in denen in 25 Meter ­Wassertiefe wenig Sauerstoff vorhanden ist. Dies wird auf die Erwärmung des Ostseewassers zurückgeführt.
Abb. 3.7: In der Eckernförder Bucht hat seit Ende der 1950er-Jahre die Zahl der Monate zugenommen, in denen in 25 Meter ­Wassertiefe wenig Sauerstoff vorhanden ist. Dies wird auf die Erwärmung des Ostseewassers zurückgeführt. © Lennartz et al.

Korallen im Wärmestress

Ein Küstenlebensraum, der durch die Meereserwärmung in besonderem Maße gefährdet ist, sind die tropischen Korallenriffe. Sie reagieren zum einen empfindlich auf eine Erhöhung der Wassertemperaturen, zum anderen stehen sie vielerorts insbe­sondere durch die Verschmutzung der Küstengewässer durch Gift-, Nähr- oder Schwebstoffe zusätzlich unter Druck. Weltweit sind zwar nur etwa 1,2 Prozent der Kontinentalschelfe von Korallen bedeckt, doch sind sie ungeheuer artenreich. Man schätzt, dass sie mehr als 1 Million Arten von Fischen, Muscheln, Korallen und Bakterien beheimaten.

Abb. 3.8: In Japans größtem Korallenriff, dem 400 Quadratkilometer großen Sekiseishoko-Riff, sind nach Messungen mehr als 70 Prozent der Korallen von der Bleiche betroffen. © Kyodo News/action press

3.8 > In Japans größtem Korallenriff, dem
400 Quadratkilometer großen Sekiseishoko-Riff, sind nach Messungen mehr als 70 Prozent der Korallen von der Bleiche betroffen.

Die Korallenbleiche – eine Symbiose versagt

Korallen sind Nesseltiere, die in Symbiose mit pflanzlichen Einzellern leben. Diese Einzeller, die Zooxanthellen, sitzen im Gewebe der Korallen. Sie sind grün-bräunlich gefärbt und können Photosynthese betreiben. Sie sind es, die den Korallen einen Großteil ihrer Farbe geben und sie mit Zucker versorgen, wofür sie im Gegenzug diverse Nährstoffe erhalten. Zur Korallenbleiche kommt es, wenn diese Symbiose versagt und die Zooxanthellen die Korallen verlassen. Dadurch verlieren die Korallen einen Großteil ihrer Farbe. In aktuellen Forschungsarbeiten konnte man klären, welche verschiedenen Faktoren zum Versagen der Symbiose führen. Eine zentrale Rolle spielt offensichtlich die Meereserwärmung.
Viele tropische Korallenarten haben ihren optimalen Temperaturbereich bei 25 bis 29 Grad Celsius Wassertemperatur. Bereits eine Erhöhung um 1 bis 3 Grad kann bei vielen Arten eine Bleiche auslösen. Die Ursache sind offensichtlich Veränderungen im Stoffwechsel der ­Zooxanthellen. Bei höheren Temperaturen laufen viele Stoff­wechsel­prozesse – wie zum Beispiel die Photosynthese – schneller ab. Es entstehen vermehrt zellschädigende Radikale, aggressive Moleküle, die aus den Zooxanthellen zum Teil in die Korallen gelangen. Sobald die Korallen eine vermehrte Produktion von Radikalen wahrnehmen, reagieren sie mit einer Schutzreaktion: Sie schleusen die Zooxanthellen aus ihrem Gewebe ins freie Wasser aus. Die Bleiche ist also ein Schutz gegen Zellschädigung.

3.9 > Korallen bleichen aus, wenn sie unter Stress geraten – etwa diese Steinkoralle im indonesischen Raja-Ampat-Archipel. Die Korallen stoßen dabei Zooxanthellen ab, farbige Einzeller, mit denen sie in Symbiose leben.
Abb. 3.9: Korallen bleichen aus, wenn sie unter Stress geraten – etwa diese Steinkoralle im indonesischen Raja-Ampat-Archipel. Die Korallen stoßen dabei Zooxanthellen ab, farbige Einzeller, mit denen sie in Symbiose leben.  © Reinhard Dirscherl/ocean-photo.de
Die Korallenbleiche ist ein natürliches und umkehrbares Phänomen. Lässt der Umweltstress nach, beispielsweise durch sinkende Wassertemperaturen, schleusen die Korallen wieder Zooxanthellen aus dem sie umgebenden Wasser in ihr Gewebe ein – und sie erholen sich. Heute aber tritt die Bleiche wegen der Erwärmung des Meerwassers in Kombination mit anderen Stressoren in vielen Korallenriffen wesentlich häufiger auf. Gab es früher in einem Riff nur etwa alle 20 Jahre eine Bleiche, so wiederholt sich das Phänomen heute vielerorts im Abstand von nur wenigen Jahren. Den Korallen bleibt damit kaum Zeit, sich zu erholen. Da die Zooxanthellen fehlen, werden die Korallen nicht mehr mit Zucker versorgt. Sie sind unterernährt und geschwächt und können leichter von Krankheitserregern wie etwa Bakterien befallen werden.
Die Erwärmung und andere Stressfaktoren haben dazu geführt, dass heute etwa
20 Prozent der Korallen unwiederbringlich zerstört und mindestens weitere 30 Prozent stark geschädigt sind. Darüber hinaus sind heute insgesamt 60 Prozent aller tropischen Korallenriffe vor Ort durch mindestens einen der folgenden lokal bedingten Aspekte bedroht:
  • Überfischung;
  • zerstörerische Fischereipraktiken, die das Riff verwüsten, beispielsweise durch ankernde Boote oder durch Netze;
  • Küstenentwicklung (Baumaßnahmen);
  • Verschmutzung des Meerwassers durch Eintrag von Schadstoffen oder Trübstoffen aus den Flüssen;
  • Verschmutzung des Meerwassers vor Ort durch direkte Einleitung von Abwässern an der Küste und von Handels- und Kreuzfahrtschiffen;
  • Zerstörung durch Grundberührung von Fähren oder touristischen Booten.

Anpassung an die Erwärmung

Erfreulicherweise können sich Korallen bis zu einem gewissen Grad an die steigenden Meerestemperaturen anpassen. Aktuelle Studien zeigen, dass manche Korallenarten nach einer Bleiche selektiv andere Arten von Zooxanthellen aufnehmen als zuvor. Diese Form der Anpassung wird als adaptive bleaching (adaptive Bleiche) bezeichnet. Die Korallen scheinen solche Zooxanthellenspezies zu bevorzugen, die ihren Stoff­wechsel bei zunehmenden Wassertemperaturen nur mäßig steigern und damit weniger Radikale bilden. Diese Zooxanthellen haben allerdings allgemein einen geringeren Stoffumsatz, weshalb sie auch weniger Zucker produzieren. Wenn die Temperaturen im Laufe eines Jahres wieder fallen, kann das für die Korallen den Nachteil haben, dass diese Zooxanthellen dann weniger produktiv sind und ihnen aufgrund des geringeren Stoffumsatzes weniger Zucker liefern. Welche Konsequenzen das letztlich haben könnte, wird aktuell untersucht. Möglicherweise verlangsamt sich durch die mangelnde Versorgung mit Zucker das Wachstum der Korallen. Zudem hat die adaptive Bleiche ihre Grenzen. Sind die Wassertemperaturen dauerhaft zu hoch, kann die Symbiose dennoch versagen und die Bleiche von Neuem beginnen. Das kann an der Radikalbildung in den Zooxanthellen liegen oder an anderen Stoff­wech­sel­prozessen, die noch nicht ganz verstanden sind.
Auch die Überdüngung der Küstengewässer mit Nährstoffen aus der Landwirtschaft oder der Aquakultur kann zusätzlich zum Versagen der Symbiose beitragen. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt der Stickstoff, ein bedeutender Nährstoff der Zooxanthellen. Steht viel davon zur Verfügung, steigern die Zoo­xan­thellen ihren Stoffwechsel und wachsen stark. Wenn bei diesem Wachstum allerdings ein anderer wichtiger Pflanzennährstoff fehlt, der Phosphor, kann es zu Problemen kommen. Phosphor ist ein essenzieller Baustein von Zellmembranen. Fehlt er während des Wachstums, werden die Membranen durchlässiger, und es können vermehrt freie Radikale aus den Zoo­xan­thellen in das Korallengewebe übergehen, was dann wiederum zum Abstoßen und zur Bleiche führt.
3.10 > Korallen sind im Grunde farblos. Was sie dennoch farbig erscheinen lässt, rührt von Einzellern (Zooxanthellen) her, die im Gewebe der Korallen sitzen. Die Zooxanthellen betreiben Photosynthese und sind grünlich oder rötlich gefärbt. Steht nun die Koralle unter Stress, etwa aufgrund von hohen Wassertemperaturen oder Wasserverschmutzung, stößt sie die Zooxanthellen ab und bleicht deshalb aus. Außerdem fehlen ihr jetzt lebenswichtige Zucker­verbindungen, die normalerweise von den Zooxanthellen bereitgestellt werden. Die Koralle wird dadurch geschwächt.
Abb. 3.10: Korallen sind im Grunde farblos. Was sie dennoch farbig erscheinen lässt, rührt von Einzellern (Zooxanthellen) her, die im Gewebe der Korallen sitzen. Die Zooxanthellen betreiben Photosynthese und sind grünlich oder rötlich gefärbt. Steht nun die Koralle unter Stress, etwa aufgrund von hohen Wassertemperaturen oder Wasserverschmutzung, stößt sie die Zooxanthellen ab und bleicht deshalb aus. Außerdem fehlen ihr jetzt lebenswichtige Zucker­verbindungen, die normalerweise von den Zooxanthellen bereitgestellt werden. Die Koralle wird dadurch geschwächt. © maribus
Inzwischen gibt es Bestrebungen, abgestorbene Korallenriffe zu restaurieren. Hierzu setzt man Bruchstücke lebender Korallen auf die abgestorbenen in der Hoffnung, dass diese wachsen und sich vermehren. Seit einiger Zeit sind Experten auf der Suche nach besonders stressresistenten Korallenarten, die sich dafür eignen. Besonders robuste scheint es im Roten Meer zu geben. Aufgrund der saisonalen Schwankungen der Wassertemperaturen – mit knapp über 20 Grad Celsius im Winter und oftmals mehr als 30 Grad im Sommer – sind viele Korallen in dieser Region an schwankende Wassertemperaturen angepasst und kämen damit für eine Restaurierung geschädigter Riffe infrage. Zu beachten ist aber, dass weltweit heute mehrere Hundert verschiedene Korallenarten existieren. Für eine Riffrestaurierung aber, schätzen Fachleute, werden sich vermutlich nur einige wenige Arten eignen, die robust genug sind, um in anderen Meeresgebieten mit anderen Umweltbedingungen existieren zu können. Selbst wenn es gelingen sollte, Riffe für den Küstenschutz zu restaurieren, wird dennoch die Artenvielfalt nach der Zerstörung eines Riffes unwiederbringlich verloren sein.
Die Bleiche ist nicht die einzige Folge der Meereserwärmung. Es gibt eine ganze Reihe von Krankheiten, die zum Absterben der Korallen führen. Vor allem bakterielle Infektionen haben zugenommen – zum Beispiel das Weiße Syndrom (Acropora White Syndrome, AWS) oder die Black-Band-Krankheit, (Black Band Disease, BBD). In beiden Fällen sterben die Nesseltiere schon kurze Zeit nach der Infektion ab. Damit sind diese Erkrankungen deutlich gefährlicher als die Bleiche, denn jene ist reversibel. Die Infektionen aber enden in der Regel tödlich. Betroffen von diesen Infek­tions­krank­heiten sind vor allem Riffe in der Karibik, in denen sich die Erkran­kungen in einem Korallenriff in nur wenigen Tagen über viele Meter ausbreiten können. Man nimmt an, dass die Korallen in solchen Fällen durch die Erwärmung geschwächt sind und nicht ausreichend Abwehrstoffe produzieren können, mit denen sie Krankheitserreger normalerweise in Schach halten.

Zu warm für den Fischnachwuchs

Meeresorganismen sind an bestimmte Wassertemperaturen angepasst. Ändert sich die Temperatur, kann es zu massiven Artverschiebungen in den marinen Nahrungs­netzen kommen. So kann man bereits seit einigen Jahren beobachten, dass Meeres­organismen aus südlichen, wärmeren Meeresgebieten in kühlere Regionen im Norden vordringen. Bei vielen Arten sind die verschiedenen Lebensstadien unter­schied­lich empfindlich gegenüber der Erwärmung. Der Toleranzbereich junger Entwick­lungs­stadien, insbesondere der Eier und Larven, ist oftmals extrem eng und daher entscheidend für den Einfluss des Klimawandels auf die jeweilige Art. Dies gilt auch für den im Nordostatlantik beheimateten Kabeljau, einen der weltweit wichtigsten Speisefische. Der Kabeljau laicht im Frühling bis zu 5 Millionen Eier pro Fisch bei Wassertemperaturen zwischen 3 und 7 Grad Celsius ab, weil sich die Embryonen in den Fischeiern in diesem Temperaturbereich am besten entwickeln können. Die wichtigsten Laichgebiete im nordöstlichen Atlantik befinden sich in Küstennähe vor Norwegen rund um die Inselgruppe der Lofoten sowie im Skagerrak und im Kattegat zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden.
3.11 > Der Kabeljau ist einer der wirtschaftlich bedeutendsten Fische im Nordostatlantik. Durch die Meereserwärmung könnten sich die Wachstumsbedingungen für Kabeljaueier und -larven verschlechtern. Dadurch könnte der große Kabeljau­bestand nördlich von Norwegen erheblich schrumpfen.
Abb. 3.11: Der Kabeljau ist einer der wirtschaftlich bedeutendsten Fische im Nordostatlantik. Durch die Meereserwärmung könnten sich die Wachstumsbedingungen für Kabeljaueier und -larven verschlechtern. Dadurch könnte der große Kabeljau­bestand nördlich von Norwegen erheblich schrumpfen. © Science Photo Library/akg-image
Frühere Experimente haben gezeigt, dass Kabeljau­embryonen empfindlich auf versauerndes Wasser reagieren. Jetzt wurde erstmals untersucht, wie sich eine zu­sätzliche Meereserwärmung auf die Entwicklung des Kabeljaus auswirkt. So wurden befruchtete Kabeljaueier bis zum Schlüpfen der Fischlarven bei verschiedenen Wassertemperaturen und Säuregraden in Aquarien gehalten. Auf diese Weise lassen sich Bedingungen simulieren, wie sie im Laufe dieses Jahrhunderts im Meer auftreten könnten. Die Ergebnisse zeigen, dass bereits eine Erhöhung der Temperatur um 3 Grad zum Absterben der Eier oder zu mehr Missbildungen der Larven führt. Die Embryonen in den Fischeiern reagieren offenbar vor allem in einer frühen Phase der Entwicklung empfindlich auf zu warmes Wasser. Wie die Experimente verdeutlichen, verschlimmert sich die Situation, wenn zusätzlich das Wasser versauert. Die Zahl der geschädigten oder sterbenden Embryonen erhöht sich um weitere 20 bis 30 Prozent.
Darüber hinaus wird versucht, anhand von Klimamodellen zu ermitteln, inwieweit sich das Verbreitungsgebiet des Kabeljaus durch die künftige Meereserwärmung und -versauerung verändern wird. Hierbei wird insbesondere untersucht, ob in den bekannten Laichgebieten kritische Temperaturen und Säuregrade auftreten werden. Die Resultate der Studie sind alarmierend. Entlang der ­norwegischen Küste werden demnach bis zu 40 Prozent weniger Kabeljaularven aus den Eiern schlüpfen. Dies hätte höchstwahrscheinlich gravierende Folgen für das gesamte Ökosystem und für die Kabeljaufischerei in der Barentssee nördlich von Norwegen. Seit Jahrhunderten sichert dieser Bestand das Auskommen norwegischer und russischer Fischer, die mit dieser Fischerei jedes Jahr etwa 2 Milliarden Euro verdienen. Ein Zusammenbruch der Population wäre daher katastrophal und existenzbedrohend für den Großteil der Bevölkerung in dieser Region.
Das ganze Ausmaß der durch den Klimawandel bedingten Folgen für den Kabel­jau­nachwuchs lässt sich allerdings nur schwer abschätzen. Der Kabeljau legt seine Eier im offenen Wasser ab. Die Eier und die später daraus schlüpfenden Larven werden dann mit der Meeresströmung in Gebiete transportiert, die optimale Beding­ungen für das Heranwachsen der Jungfische bieten. Sollte der Kabeljau künftig im Zuge der Meereserwärmung weiter nach Norden wandern, wird er möglicherweise in anderen Meeresgebieten mit anderen Strömungsbedingungen laichen. Ob diese ideale Bedingungen für die Entwicklung des Nachwuchses bieten werden, ist ungewiss.
3.12 > Links ist eine intakte Kabeljaularve zu sehen, rechts eine geschädigte. Daran wird deutlich, wie zerstörerisch sich Wärme und Versauerung auf junge Lebensstadien aus­wirken können.
Abb. 3.12: Links ist eine intakte Kabeljaularve zu sehen, rechts eine geschädigte. Daran wird deutlich, wie zerstörerisch sich Wärme und Versauerung auf junge Lebensstadien aus­wirken können. © Flemming Dahlke/Alfred-Wegener-Institut
Nicht nur der Kabeljau, sondern auch andere Meereslebewesen werden aktuellen Studien zufolge künftig ­weiter nach Norden wandern beziehungsweise im Süden seltener werden. So wird für die Küstengewässer Großbritanniens mit großen Verlusten bei der Fischerei gerechnet. Hier wurde untersucht, wie sich die Fischerei nach Kabeljau und Wolfsbarsch sowie nach Herzmuscheln, Jakobs­muscheln und Miesmuscheln entwickeln wird. Insgesamt machen diese fünf Arten momentan etwa die Hälfte des gesamten Fischfangs in Großbritannien aus. Grundlage der Analysen waren wiederum die vier RCP-Szenarien des Weltklimarats. Nach dem RCP2.6-Szenario wird für Muschelarten bis zum Ende dieses Jahrhunderts ein Rückgang der Fangmengen um bis zu 30 Prozent, nach dem RCP8.5-Szenario um bis zu 60 Prozent erwartet. Wobei sich die Situation regional in England, Nordirland, Schottland und Wales etwas unterschiedlich darstellt. Für Kabeljau und Wolfsbarsch werden im RCP2.6-Szenario kaum Veränderungen beziehungsweise leichte Einbußen erwartet. Sollte sich aber das RCP8.5-Szenario bewahrheiten, dürfte die Menge an gefangenem Kabeljau und Wolfsbarsch bis zum Jahr 2100 um bis zu 20 Prozent abnehmen. Besonders stark betroffen wäre in diesem Fall England, das am weitesten südlich liegt. In England wird man daher vermutlich auf andere Arten umsteigen müssen, um die Verluste zu kompensieren, beispielsweise Arten aus dem Mittelmeer, die sich im Zuge der Meereserwärmung weiter nach Norden ausbreiten werden.

Versalzende Flussdeltas

Die durch den anthropogenen Treibhauseffekt verursachte Erderwärmung kann sich auch indirekt auf Fischgemeinschaften in Küstengewässern auswirken. Das verdeut­licht die Situation im Sine-Saloum-Delta an der Küste des westafrikanischen Staates Senegal. Der Senegal liegt im Übergangsbereich zwischen der trockenen Sahelzone im Norden und der feuchten Zone des Tropenwaldgürtels weiter südlich. Da die Regenmenge in der Sahelzone seit den 1960er-Jahren deutlich abgenommen hat, fließt heute von Landseite aus nur noch sehr wenig Süßwasser in das Delta ab. Das hat dazu geführt, dass das Salzwasser aus dem Atlantik sehr tief in das Delta eingedrungen ist. Im Oberlauf der Zuflüsse kann der Salzgehalt des Wassers durch Verdunstung sogar bis auf das 3-Fache der Meerwasserkonzentration steigen. Dadurch sind jene Fisch­arten aus dem Delta verschwunden, die nur bei relativ niedrigem Salzgehalt leben können. Dazu zählen unter anderem die als Speisefische sehr beliebten Tilapien. Stattdessen dominieren heute in weiten Teilen des Deltas kleinere heringsartige Fische wie der Bonga, der einen deutlich geringeren Marktwert als der Tilapia erzielt. Insgesamt nehmen die Fischereierträge daher ab. Allgemein findet man im Sine-Saloum-Delta weniger Fischarten als in vergleichbaren west­afri­kanischen Deltas, die weiter südlich im feuchten Tropengürtel liegen und noch starke Flusswassereinträge aufweisen.

Plötzliche Massenvermehrung nach einem halben Jahrhundert

Die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften in Küstenmeeren kann sich im Zuge der Meereserwärmung nicht allein durch Verschiebungen verändern, sondern auch durch Einschleppung – wenn Organismen oder Larven im Ballastwasser von Schiffen oder als Bewuchs auf Schiffsrümpfen unbeabsichtigt von einem Meeresgebiet in ein anderes transportiert werden. Auch durch Aquaristen, die Organismen aussetzen, können ortsfremde Arten in neue Gebiete gelangen. Diese Einschleppung neuer Tierarten (Neozoen) und Pflanzenarten (Neophyten) wird auch als Bioinvasion bezeichnet.
Manche eingeschleppte Organismen können sich in der neuen Heimat etablieren und vermehren. Finden sie sehr günstige Bedingungen vor, können sie sogar einheimische Arten verdrängen und den Lebensraum dadurch verändern. Inzwischen gibt es Belege dafür, dass auch die Meereserwärmung zu einer solchen Veränderung beiträgt, wie das Beispiel der Austrominius modestus zeigt. Diese australische Seepockenart wurde in den 1940er-Jahren vermutlich mit Kriegsschiffen oder Flugbooten aus Australien in die britischen Gewässer eingeschleppt und verbreitete sich von dort in der ganzen Nordsee. Auf der deutschen Insel Sylt wurde sie erstmals 1955 nachgewiesen. Sie konnte sich dort vermehren, kam aber über viele Jahrzehnte nur in sehr geringer Zahl vor. Die auf Sylt heimischen Seepockenarten Semibalanus balanoides und Balanus crenatus dominierten. Dieses Verhältnis kehrte sich 2007 um, als es erstmals zu einer Massenvermehrung der Australischen Seepocke kam.
3.13 > Die Australische Seepocke Austrominius modestus findet heute dank des zunehmend milden Klimas in der Nordsee ideale Lebens­be­dingungen. Auf der Insel Sylt hat sie die einheim­ische Art Semibalanus balanoides fast verdrängt.
Abb. 3.13: Die Australische Seepocke <em>Austrominius modestus </em>findet heute dank des zunehmend milden Klimas in der Nordsee ideale Lebensbedingungen. Auf der Insel Sylt hat sie die einheimische Art <em>Semibalanus balanoides</em> fast verdrängt. © Frank Hecker/Alamy Stock Foto
Seepocken besiedeln im Gebiet um Sylt vorzugsweise Muschelbänke. 2007 waren die Muscheln erstmals überwiegend von jungen Australischen Seepocken überwachsen. Die Bewuchsdichte betrug 70 000 Individuen pro Quadratmeter. Im Vergleich dazu waren es 1997 gerade einmal 70 Individuen pro Quadratmeter gewesen. Grund für die plötzliche Massenvermehrung ist vermutlich das sich ändernde Klima in den vergangenen Jahren. Seit geraumer Zeit gibt es generell einen Trend zu wärmeren Sommern und milderen Wintern. So ist beispielsweise die durchschnittliche Lufttemperatur zwischen April und August auf Sylt heute gut 2 Grad höher als 1950. Die ­Australische Seepocke findet Jahrzehnte nach ihrer Einschleppung jetzt offenbar ideale Bedingungen, um sich massiv zu vermehren.
Für die Muscheln ist der starke Bewuchs ihrer Schalen mit der Australischen Seepocke unproblematisch. Das Beispiel zeigt aber, wie schnell eine Massen­ver­mehrung invasiver Arten sich vollziehen kann. Sofern die invasiven Arten einheimische Arten verdrängen oder sich sogar ­räuberisch ernähren, kann ein Öko­sys­tem schnell stark geschädigt werden.
Die Ozeanversauerung

Kohlendioxid verändert den pH-Wert des Wassers

Während die durch den Menschen verursachte Erderwärmung schon seit mehreren Jahrzehnten in der Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert wurde, blieb die Ozean­versauerung lange unbeachtet. Erst vor einem Jahrzehnt wiesen erste Forscher darauf hin, dass sich mit der Zunahme an CO2 in der Atmosphäre die Chemie des Meerwassers massiv verändern wird.
Chemiker bestimmen den Säuregrad einer Flüssigkeit anhand des pH-Wertes. Je kleiner der Wert ist, desto saurer ist die Flüssigkeit. Der pH-Wert reicht von 0 (sehr sauer) bis 14 (sehr alkalisch). Der Wert 7 wird als neutral bezeichnet und markiert den Übergang von sauer zu alkalisch. Seit der industriellen Revolution Mitte des
18. Jahrhunderts ist der pH-Wert der Ozeane von durchschnittlich 8,2 auf 8,1 gesunken. Mit Werten um 8 ist das Meerwasser streng genommen eine schwache Lauge und keine Säure. Da sich der pH-Wert durch die Aufnahme von CO2 in die Ozeane aber in Richtung Säure verschiebt, spricht man dennoch von einer Versauerung des Wassers. Bis zum Jahr 2100 könnte der pH-Wert von derzeit 8,1 um weitere 0,3 bis 0,4 Einheiten abnehmen. Das klingt vernachlässigbar klein, doch ist die pH-Wert-Skala logarithmisch. Sie ist sozusagen mathematisch gestaucht. Tatsächlich würde das Meer dann 2- bis 2,5-mal so sauer sein wie im Jahr 1860. Besonders von der Versauerung betroffen sind die kalten arktischen und antarktischen Gewässer. Weil sich CO2 besonders in kaltem Wasser löst, versauern diese Meeres­regionen stärker als wärmere Regionen.
Für die Hochsee und küstenferne Gebiete lässt sich recht gut vorhersagen, wie sich die bereits heute nachweisbare Versauerung künftig fortsetzen wird, da dort im Hinblick auf die Chemie des Wassers recht konstante Bedingungen herrschen. Wie sich das CO2 auf die Küstengewässer auswirken wird, ist hingegen schwieriger zu bestimmen. Die Chemie des Wassers in Küstennähe wird stark durch Substanzen bestimmt, die von Landseite aus in das Küstenmeer eingetragen werden, vor allem Karbonat­Anionen und Hydrogenkarbonat-Ionen, die die Grundsubstanz vieler Mineralien sind. Durch Verwitterung von Gesteinen werden sie mit dem Regen über die Flüsse in die Küstengewässer gespült. Sie sind auch Hauptbestandteil von Kalk, den man zum Beispiel für die Entsäuerung von Böden einsetzt. Gelangen viele Karbonat-Anionen und Hydrogenkarbonat-Ionen in die Küstengewässer, kann die Versauerung damit abgepuffert werden. Als Maß für dieses Puffervermögen benutzt man den Begriff der Alkalinität.

Alkalinität
Der Säuregrad (pH-Wert) einer Flüssigkeit wie zum Beispiel Meerwasser lässt sich verändern, indem man ihr Alkalinität zuführt, etwa durch Flüssigkeiten mit hoher Alkalinität. Diese puffert die Säure ab. Man spricht daher vom Säurebindungsvermögen. Der Grad der Alkalinität und damit das Säurebindungsvermögen wird durch den Gehalt an Karbonat-Anionen und Hydrogenkarbonat­Ionen bestimmt, die alkalisch wirken und damit Gegenspieler der Säure sind. Karbonat-Anionen und Hydrogenkarbonat­Ionen haben eine hohe Affinität zu Wasser­stoff-Ionen, die Flüssigkeiten sauer machen. Indem sie einen Teil der Wasserstoff-Ionen gewissermaßen wegfangen, puffern sie die Säure ab.

Komplexe Wechselwirkungen zwischen Land und Küstenmeer

Diese Wechselwirkung zwischen Land und Küstenmeer wurde intensiv für die Ostsee untersucht, einem Binnenmeer, das von Land umgeben ist und nur einen schmalen Zugang zur Nordsee und damit zum Nordostatlantik besitzt. Eine Analyse für die vergangenen 20 Jahre ergab, dass der Eintrag von Karbonaten von Landseite aus je nach Jahreszeit und Ostseegebiet die Zunahme an CO2 und die Versauerung zu einem Teil oder ganz kompensiert – je nach Alkalinität im Wasser.
Die Alkalinität des Wassers wiederum ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, beispielsweise den Niederschlägen an Land. Regnet es heftiger, verwittern die Gesteine stärker, sodass mehr Alkalinität ausgewaschen wird und in die Flüsse gelangt. Auch aufgrund der Kalkung von Ackerböden in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten rund um die Ostsee gelangt Alkalinität mit dem Regenwasser in die Flüsse und somit ins Meer.
Für Nordwesteuropa gehen die meisten Klimastudien davon aus, dass mit dem Klimawandel die Stärke der Niederschläge zunehmen wird, da mit der Erwärmung der Atmosphäre die Verdunstung über dem Meer zunimmt. Die in Nordwesteuropa vorherrschenden Winde werden damit mehr Feuchtigkeit vom Nordatlantik herantragen. Verstärken sich die Niederschläge, wird auch mehr Wasser von Land ins Meer abfließen und entsprechend mehr Alkalinität ins Meer gelangen. So könnte die Versauerung im Bereich der Ostsee aufgrund der geografischen Lage und der starken Zuflüsse von Land auch künftig zu einem Teil oder ganz abgepuffert werden. Natürlich wird mit der Zunahme der Niederschläge auch mehr Alkalinität in den Nordostatlantik gelangen. Im kleinen Binnenmeer Ostsee aber wird der Einfluss viel schneller deutlich als im offenen Meer mit seinen beträchtlich größeren Wassermengen.

Zusatzinfo Wie stark versauern die Küstengewässer?

Der Versauerung widerstehen?

In den vergangenen Jahren wurde vielfach untersucht, wie Meeresorganismen auf die Versauerung reagieren. Bekannt wurden beispielsweise Bilder von Kalkalgen, sogenannten Coccolithophoriden, bei denen sich die Kalkpanzer mit sinkendem pH-Wert langsam auflösten. Grundlage waren Laborexperimente, die übereinstimmend den Schluss nahelegten, dass viele Organismen mit der zunehmenden Versauerung zugrunde gehen und Arten aussterben könnten. Inzwischen liegen allerdings differenziertere Ergebnisse vor, die zeigen, dass das nicht zwangsläufig der Fall sein muss. So zeigt sich beispielsweise, dass sich bestimmte Gruppen von Organismen offenbar an die Versauerung anpassen können. So haben Experimente für die Coccolithophoriden-Art Emi­liania huxleyi ergeben, dass nach etwa 500 Generationen eine gewisse Resistenz entsteht und die Kalkbildung auch in saurerem Meerwasser wieder besser funktioniert. Da sich Emiliania schnell reproduziert, ist die 500. Generation nach etwa einem halben Jahr erreicht. Welche Stoffwechselveränderungen dieser Anpassung an die Versauerung zugrunde liegen, versucht man derzeit herauszufinden.
In diesem Zusammenhang sind auch Freilandexperimente vor der schwedischen Ostseeküste interessant, in denen untersucht wurde, wie pflanzliches Plankton – Grundlage der Nahrungsnetze im Meer – auf eine Versauerung reagiert. Über sechs Monate wurde dort Ostseewasser mit CO2 begast, sodass sich im Wasser ein CO2-Gehalt einstellte, der etwa dem Wert entsprach, der sich bei einer Verdoppelung des heutigen CO2-Gehalts der Atmosphäre ergeben würde. Erstaunlicherweise konnten im Vergleich zu unbegastem Meerwasser nur geringe Veränderungen der Plank­ton­gemeinschaft zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Entwicklung festgestellt werden. Auf einige Organismengruppen der Planktongemeinschaft wirkte sich die CO2-Erhöhung leicht negativ, auf andere leicht förderlich aus. Die Forscher nehmen an, dass viele der Organismen wegen der natürlichen Schwankungen des pH-Wertes in der Ostsee je nach Alkalinität geringere pH-Werte tolerieren können.
Metastudien, in denen die Ergebnisse von mehreren Hundert Publikationen zur Ozeanversauerung analysiert und zusammengefasst wurden, zeigen, dass es aber nach wie vor Organismen in anderen Küstengebieten gibt, die durchaus auf die Versauerung reagieren – insbesondere in Meeresgebieten, in denen die chemischen Bedingungen im Wasser nahezu konstant sind. Neben vielen Gebieten der Hochsee sind dies vor allem Küstengewässer in heißen und trockenen Regionen, in denen keine Flüsse ins Meer münden. Betroffen sind vor allem jene Meeresorganismen, die Kalkschalen oder Skelette bilden. Es zeigt sich, dass die Kalkbildung in versauertem Wasser bei Korallen, Muscheln und Schnecken je nach untersuchter Tiergruppe um 22 bis 39 Prozent abnimmt. Auch beim Wachstum ergeben sich Veränderungen. Nimmt man alle kalkbildenden Meeresorganismen zusammen, dann zeigt sich, dass sie durchschnittlich um bis zu 17 Prozent kleiner als ihre Artgenossen sind, die in Wasser mit üblichem pH-Wert leben.

Geringere Artenvielfalt im Korallenriff

Wie sich eine zunehmende Versauerung in Korallenriffen im Osten Papua-Neuguineas auswirkt, zeigen Studien australischer Forscher. In diesen Gebieten steigt CO2 aus vulkanischen Schloten aus dem Meeresboden auf, sodass es zu einer Art natürlicher Versauerung des Meerwassers kommt. Hier haben sich Korallengemeinschaften entwickelt, die mit dem erhöhten CO2-Gehalt des Wassers und einem relativ niedrigen pH-Wert zurechtkommen. Das Gebiet ist damit gewissermaßen ein Freilandlabor, das die weltweite Ozeanversauerung exemplarisch vorwegnimmt. Je näher die Korallen den CO2-Quellen sind, desto saurer ist das Wasser, sodass man hier je nach Entfernung von den Quellen Bedingungen findet, wie sie in 20, 50 oder 100 Jahren weltweit im Meer herrschen könnten. Statt fein verästelter Steinkorallen, die besonders empfindlich auf die Versauerung reagieren, findet man hier vor allem die robusten und dicklichen Porites-Korallen, die äußerlich einem Blumenkohl ähneln. Insgesamt ist die Artenvielfalt in diesen Riffbereichen deutlich geringer als in Gebieten mit normalem pH-Wert. Bei einem pH-Wert von 7,7, der im Jahr 2100 tatsächlich erreicht sein könnte, sind die Lebensbedingungen so ungünstig, dass selbst die Porites-Korallen nicht mehr wachsen können.

Gewinner und Verlierer der Ozeanversauerung

Während vor allem die kalkbildenden Lebewesen benachteiligt sind, zählen die Cyanobakterien, ehemals als Blaualgen bezeichnet, möglicherweise zu den Gewin­nern. Cyanobakterien benötigen genau wie Pflanzen CO2, um daraus mithilfe der Photosynthese Zucker aufzubauen.
Sie verfügen deshalb über Stoffwechselprozesse, die CO2 in ihrem Körper konzen­trieren und der Photosynthese zur Verfügung stellen. Doch diese Kohlen­stoff-Konzen­tra­tions­mechanismen (Carbon Concentrating Mechanisms, CCMs) verbrauchen Energie. Steht in der Umgebung viel CO2 zur Verfügung, werden die CCMs entlastet, wodurch Cyanobakterien und Pflanzen Energie sparen können. Diese Energie können sie stattdessen für stärkeres Wachstum nutzen. Die Vorfahren der heutigen Cyanobakterien existierten bereits vor etwa 2 Milliarden Jahren, zu einer Zeit, als die Erdatmosphäre viel Kohlendioxid und kaum Sauerstoff enthielt. Deshalb sind auch die heute lebenden Cyanobakterien noch gut an hohe CO2-Konzentrationen beziehungsweise niedrige pH-Werte im Wasser angepass
3.15 > Experten erwarten, dass die grönländische Eismasse mit der Erderwärmung künftig stärker tauen wird. Ein besonders starkes Schmelzen war bereits im Jahr 2012 zu beobachten. Wegen außergewöhnlich milder Lufttemperaturen hielt das Tauen an der Oberfläche der Gletscher in weiten Teilen der Insel für sehr viel längere Zeit an als im Durchschnitt der Jahre 1979 bis 2007.
Abb. 3.15: Experten erwarten, dass die grönländische Eismasse mit der Erderwärmung künftig stärker tauen wird. Ein besonders starkes Schmelzen war bereits im Jahr 2012 zu beobachten. Wegen außergewöhnlich milder Lufttemperaturen hielt das Tauen an der Oberfläche der Gletscher in weiten Teilen der Insel für sehr viel längere Zeit an als im Durchschnitt der Jahre 1979 bis 2007. © National Snow & Ice Data Center (NSIDC)
Abb. 3.16: Das Schmelzen der grönländischen Gletscher während der Sommermonate wie hier in der Nähe des Ortes Qaanaaq ist ein natürlicher Vorgang. Seit einigen Jahren aber scheint sich das Auftauen der Eismassen zu verstärken. © The Asahi Shimbun/Getty Images

3.16 > Das Schmelzen der grönländischen Gletscher während der Sommermonate wie hier in der Nähe des Ortes Qaanaaq ist ein natürlicher Vorgang. Seit einigen Jahren aber scheint sich das Auftauen der Eismassen zu verstärken.
Der Meeresspiegelanstieg

Eine unmittelbare Gefahr für Küstenbewohner

Die Auswirkungen des Klimawandels dürften die Bewohner vieler Küstenregionen vor allem durch den Meeresspiegelanstieg zu spüren bekommen, weil dadurch Wohn­ge­biete, Industrie- und Wirtschaftszentren und Ackerland verloren gehen. Zudem laufen durch den steigenden Meeresspiegel heute Sturmfluten höher auf. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass nicht allein der menschengemachte Treibhauseffekt, sondern auch natürliche Prozesse die Höhe des Wasserstands beeinflussen. Allgemein kann man unterscheiden zwischen:
  • eustatischen, klimatisch bedingten, global wirksamen Ursachen, die zu einer Zunahme des Wasservolumens in den Ozeanen führen – etwa wenn nach Eiszeiten das Eis schmilzt und der Meeresspiegel steigt;
  • isostatischen, meist tektonisch bedingten Ursachen, die sich vor allem regional auswirken. Dazu gehört das Absinken oder Heben von Landmassen, das sich durch den Wechsel von Kalt- und Warmzeiten ergibt. Eispanzer, die sich während der Eiszeiten bilden, senken durch ihr hohes Gewicht die Erdkruste in bestimmten Regionen ab, wodurch der Meeresspiegel relativ zum Land ansteigt. Taut das Eis, hebt sich die Landmasse wieder – ein Phänomen, das noch heute an der skandinavischen Landmasse zu beobachten ist.
Die Höhe des Meeresspiegels kann über Jahrmillionen um mehr als 200 Meter schwanken. Doch kann sich die Höhe auch innerhalb relativ kurzer Zeit recht stark verändern. So sind innerhalb weniger Jahrhunderte Höhenänderungen um die
10 Meter möglich. Begannen nach der letzten Eiszeit die Temperaturen auf der Erde vor etwa 15 000 Jahren wieder stärker anzusteigen, ist der Meeresspiegel seitdem um etwa 125 Meter gestiegen. Zunächst kam es zu einem relativ starken Anstieg. Diese Phase dauerte bis vor etwa 6000 Jahren an. Seitdem hat sich der Meeresspiegel mit Schwankungen von wenigen Zentimetern pro Jahrhundert lange Zeit nur geringfügig verändert. Gemessen an den geringen Veränderungen während der letzten
6000 Jahre, hat sich der Anstieg zuletzt aber wieder beschleunigt. So ist der Meeresspiegel zwischen 1880 und 2009 um 21 Zentimeter gestiegen, wobei der Anstieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts relativ schwach, in den vergangenen Jahrzehnten aber zunehmend steiler verlief. So ist der Meeresspiegel seit 1990 im Mittel jährlich um etwa 3 Millimeter gestiegen. Dabei tragen heute folgende Faktoren zum Meeresspiegelanstieg bei:
  • 15 bis 50 Prozent gehen auf die temperaturbedingte Ausdehnung des Meer­wassers zurück;
  • 25 bis 45 Prozent auf das Abschmelzen von Gebirgsgletschern außerhalb der Polarregionen;
  • 15 bis 40 Prozent auf das Abschmelzen der Eiskappen auf Grönland und in der Antarktis.

Eine Frage des Standorts

Der Meeresspiegelanstieg, für die Küsten die wohl schwerwiegendste Folge des Klimawandels, wird in diesem ­Jahrhundert aber nicht dazu führen, dass wie bei einer überlaufenden Badewanne Küstengebiete permanent überflutet werden. Auch betrifft der Meeresspiegelanstieg nicht alle Küsten gleichermaßen. Zwar ist in den Klima­szenarien des Weltklimarats meist von einem durchschnittlichen globalen Meeresspiegelanstieg die Rede. Tatsächlich aber wird der Meeresspiegel in Relation zum Land regional unterschiedlich stark steigen. So differenziert man heutzutage zwischen dem sogenannten globalen Meeresspiegel, dem regionalen Meeresspiegel und dem lokalen Meeresspiegel.
3.17 > Derzeit steigt der Meeres­spiegel jährlich im Mittel um etwa 3 Millimeter. Je nachdem, wie sich der Treib­haus­effekt künftig verstärkt, wird der weitere Anstieg schwächer oder stärker ausfallen.
Abb. 3.17: Derzeit steigt der Meeresspiegel jährlich im Mittel um etwa 3 Millimeter. Je nachdem, wie sich der Treibhauseffekt künftig verstärkt, wird der weitere Anstieg schwächer oder stärker ausfallen. © Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change

Andere Regionen, anderer Meeresspiegel

Der regionale Meeresspiegel wird vor allem durch regionale Einflussgrößen bestimmt – etwa durch das Heben oder Senken von Landmassen oder durch Änderungen von re­gionalen Wind- und Meeresströmungen. Das Klimaphänomen El Niño zum Beispiel führt an der Pazifikküste ­Süd­amerikas dazu, dass der Meeres­spiegel um bis zu
40 Zentimeter von dem dort sonst üblichen mittleren Wasserstand abweicht. El Niño tritt unregelmäßig etwa alle 3 bis 10 Jahre im Pazifik zwischen Indonesien und Peru auf, wo sich aufgrund einer Abschwächung der vorherrschenden Passat­winde die Meeres­strö­mungen umkehren. Normalerweise treiben die kräftigen Passatwinde das Oberflächenwasser von der Pazifikküste Südamerikas aufs offene Meer. Während El Niño aber ist der Passatwind schwach und das gestaute Wasser im Westpazifik schwappt in Richtung Amerika zurück. Die Umkehr der Strömungsrichtung macht sich dann auch im Wasserstand an der Küste bemerkbar.
Ferner besitzen die mächtigen Festlandgletscher in Grönland oder der Antarktis großen regionalen Einfluss. Die Masse dieser Gletscher ist so groß, dass die Erdanziehung in diesem Bereich größer als in anderen Meeresgebieten ist. So gilt der physikalische Grundsatz, dass Körper mit größerer Masse eine stärkere Anzieh­ungs­kraft besitzen. Im Bereich der Gletscher wird das Meerwasser deshalb stärker angezogen, sodass der Meeresspiegel um Grönland und die Antarktis relativ zum globalen Durchschnitt um einige Dezimeter höher ist. Mit dem Abschmelzen der Gletscher aufgrund des Klimawandels wird sich die Masse der Gletscher allerdings verringern, sodass die Antarktis und Grönland in den kommenden Jahrhunderten einen regional sinkenden Meeresspiegel erfahren dürften, während der Meeresspiegel global jedes Jahr durchschnittlich steigt.
Der regionale Meeresspiegel wird noch durch andere Phänomene beeinflusst. Dazu zählt beispielsweise die Hebung von Skandinavien oder anderen Gebieten, die mit Eis bedeckt waren. Hier lasteten während der letzten Eiszeit vor mehreren Tausend Jahren große Gletscher und drückten die Erdkruste in den Erdmantel. Mit dem Ab­tauen hob beziehungsweise hebt sich die Landmasse wieder relativ zum Meer, was sich an den Küsten in einem Sinken des Meeresspiegels äußert. Heute beträgt die Hebung einige Millimeter pro Jahr.

Hausgemachter Meeresspiegelanstieg

Zu lokalen Veränderungen des Meeresspiegels kommt es häufig auch durch die Bebauung mit Hochhäusern oder die Entnahme von Grundwasser für die Trinkwasser­gewinnung (siehe Kapitel 2). Flussdeltas wiederum sinken unter ihrem Eigengewicht ab. Dieses Absinken kann vielerorts heute nicht mehr kompensiert werden, weil durch den Bau von Staudämmen nur noch wenig frisches Sediment über die Flüsse heran­trans­portiert wird. Mit dem steigenden Meeresspiegel dürften viele Deltagebiete künftig häufiger überflutet werden.
Derzeit geht man für die 33 großen Deltaregionen der Welt davon aus, dass die Fläche, die von Überschwemmungen bedroht ist, aufgrund des Meeresspiegelanstiegs bis zum Jahr 2100 um 50 Prozent zunehmen wird.

Mehr als 6 Meter in 500 Jahren?

Ganz gleich, wie sich der Meeresspiegelanstieg heute regional oder lokal darstellt: Wenn es nicht gelingt, den Ausstoß an Treibhausgasen massiv zu drosseln, wird der durchschnittliche globale Meeresspiegel in diesem Jahrhundert und darüber hinaus massiv steigen. Für den Fall, dass die Erdbevölkerung und mit ihr der Energie­ver­brauch, wie im RCP8.5-Szenario beschrieben, stark zunimmt, könnte der Meeres­spiegel bis zum Jahr 2500 durchschnittlich um mehr als 6 Meter steigen. Hinzu kommen weitere Bedrohungen für die Küsten, die der Weltklimarat in seinem letzten Bericht zusammengefasst hat. Demnach ist schon in diesem Jahrhundert sehr wahrscheinlich mit folgenden Konsequenzen zu rechnen:
  • Zunahme der Windgeschwindigkeiten und Niederschläge bei tropischen Wirbelstürmen, was zu größeren Schäden und stärkeren Überflutungen führen dürfte, wobei die starken Regenabflüsse von Land und die durch den starken Wind bewirkten hohen Wasserstände des Meeres gemeinsam auftreten;
  • höheres Auflaufen von Sturmfluten. Bereits heute laufen Sturmfluten im Mittel höher auf als noch vor 100 Jahren;
  • höhere extreme Wasserstände als Folge höherer Windgeschwindigkeiten. Besonders betroffen sind Küstenregionen, die absinken;
  • stärkere Erosion von Küsten durch häufigere Über­flutungen und überlaufende Brandungswellen.
3.18 > Seit die eiszeitlichen Gletscher abgeschmolzen sind, hebt sich die skandinavische Landmasse. Diese Bewegung dauert bis heute an. Norddeutschland hingegen senkt sich. Die Grenze verläuft in etwa auf einer Linie zwischen dem südlichen Dänemark und der Insel Rügen.
Abb. 3.18: Seit die eiszeitlichen Gletscher abgeschmolzen sind, hebt sich die skandinavische Landmasse. Diese Bewegung dauert bis heute an. Norddeutschland hingegen senkt sich. Die Grenze verläuft in etwa auf einer Linie zwischen dem südlichen Dänemark und der Insel Rügen. © nach Richter et al.

Strände und Feuchtgebiete versinken

Viele natürliche Küstenlebensräume werden durch permanente Überflutung und Erosion unwiederbringlich zerstört oder werden sich zumindest landeinwärts verschieben. Dieser Landverlust findet bereits heute statt. An den Küsten Nordalaskas und Sibiriens etwa bricht der Permafrostboden an vielen Stellen jährlich um mehrere Meter ab. Grund dafür sind mildere und längere Sommer. Zudem schmilzt das Meereis weiträumiger ab, sodass der Wind verstärkt Wellen erzeugen kann, die dann den auftauenden Boden am Ufer leicht abtragen können. Auch Strände und Dünen sind an vielen Küsten in den vergangenen ­Jahren stärker erodiert wie an der Ostküs­te der USA. Die Forscher führen das auf stärkere Winde und höher auflaufende Sturmfluten zurück.
Viele Küsten der Welt sind durch Feuchtgebiete, Salz­wiesen oder Seegrasbestände im Flachwasser geprägt – wichtige Habitate für viele Organismen, etwa für spezialisierte Pflanzen und Insekten, für Vögel, die dort rasten und brüten, oder für Fische. Viele dieser Gebiete wurden in der Vergangenheit bereits durch Baumaßnahmen oder Verschmutzung der Küstengewässer zerstört. Mit dem Meeresspiegelanstieg in Kombination mit höher auflaufenden Fluten und stärkeren Winden sind diese Gebiete besonders durch Erosion gefährdet. Salzwiesen etwa werden zur Wasserseite hin stärker abgetragen. Läuft das Wasser künftig höher auf, könnten sich möglicherweise landeinwärts neue Salzwiesenbereiche bilden. Das wird allerdings nur dort möglich sein, wo das Hinterland nicht durch Deiche geschützt und von den vorgelagerten Salz­wiesen abgetrennt ist. Sofern die Salzwiesen keinen Rückzugsraum haben, werden sie als wertvoller Lebensraum verloren gehen, wenn sich die Erosion verstärkt. Das ­Gleiche gilt in vielen Regionen für Feuchtgebiete oder auch für das im Flachwasser wachsende Seegras. Weil Seegras nur in relativ geschützten und brandungsarmen Flachwasserbereichen wurzeln kann, werden viele Bestände durch stärkere Strömungen oder eine stärkere Brandung in Mitleidenschaft gezogen.

Können Korallen Schritt halten?

Im Hinblick auf die Folgen des Meeresspiegelanstiegs für die Küstenlebensräume scheint das Schicksal der Korallenriffe noch nicht besiegelt zu sein. Aktuelle Studien, beispielsweise über indonesische Korallenriffe, zeigen, dass diese offensichtlich relativ flexibel auf einen steigenden oder auch sinkenden Meeresspiegel reagieren können. Tropische Steinkorallen leben in den lichtdurchfluteten Bereichen der Küstengewässer, da ihre Symbionten, die Zooxanthellen, ausreichend Licht für die Photosynthese benötigen, das ab einer bestimmten Tiefe nicht ausreichend vorhanden ist. Steigt das Wasser, wird es in den tieferen Wasserschichten dunkler. Wie die Studien zeigen, gelingt es den Korallen aber mit dem Wasser Schritt zu halten: In dem Maße, wie das Wasser steigt, wächst das Korallenriff in die Höhe. Neue Korallen siedeln sich oben an, während in der Tiefe die Korallen absterben.
Untersuchungen an alten Korallenriffen beweisen, dass Korallen offensichtlich auch mit dem zeitweilig sehr schnellen Meeresspiegelanstieg nach der letzten Eiszeit zurechtkamen. So gab es Phasen, in denen der Meeresspiegel um bis zu 40 Millimeter pro Jahr zunahm – 13-mal schneller als heute. Für den Fall, dass mit dem Wachstum der Weltbevölkerung und zunehmendem Energieverbrauch künftig noch mehr CO2 emittiert wird als heute, könnte der Meeresspiegel gegen Ende dieses Jahrhunderts jährlich um bis zu 15 Millimeter steigen. Es ist denkbar, dass die Korallen damit Schritt halten können. Allerdings muss man ergänzen: Durch die Versauerung und Erwärmung der Küstengewässer stehen die Korallen heute vielerorts bereits unter Stress, wodurch die Kalkbildung und das Wachstum behindert werden. Ob die Korallen auch unter diesen Bedingungen mit dem steigenden Meeresspiegel mithalten können, ist noch nicht geklärt.
Aktuelle Studien aus den USA zeigen, dass Korallenriffe, die durch Stressoren wie zerstörerische Fischerei, Krankheiten oder Wasserverschmutzung unter Druck stehen, zum Teil nicht mehr schnell genug wachsen, sondern im Gegenteil sogar durch die Brandung abgetragen werden. In den Feldstudien wurde auf Hawaii, vor Florida und auf den in der Karibik gelegenen Amerikanischen Jungferninseln der heutige Zustand der Riffe mit dem Zustand in den 1930er-, 1960er- und 1980er-Jahren verglichen. Demnach wurden die Riffe seit den 1930er-Jahren nach und nach um 9 bis 80 Zentimeter abgetragen. Wachsende Riffe konnten die Experten nur in geschützten Gebieten oder besonders abgeschiedenen Abschnitten der Küste finden.

Dicht besiedelte Küsten, große Schäden

In seinem kürzlich erschienenen Bericht hat der Weltklimarat Ergebnisse aus vielen wissenschaftlichen Veröffent­lichungen zu den Folgen des Klimawandels für besiedelte Küstengebiete zusammengetragen. Die Ergebnisse zeigen, in welchem Maß Menschen durch den Verlust ihrer Heimat betroffen sein werden. Zudem vermitteln sie einen Eindruck, mit welchen ökonomischen Schäden zu rechnen sein wird bezieh­ungs­weise wie viel der Küstenschutz künftig kosten wird. Eindeutig ist, dass mit dem anhaltenden Zuzug in die Küstenregionen immer mehr Menschen durch besonders starke Hochwasserereignisse bedroht sind. Die wirtschaftlichen Schäden werden enorm sein. Viele könnten künftig ihr Zuhause und ihren Besitz verlieren – oder gar ihr Leben, sei es durch Ertrinken oder durch verschmutztes Trinkwasser oder Seuchen.
Inzwischen hat man abgeschätzt, wie viele Betroffene es künftig bei sogenannten Jahrhundertfluten, die statis­tisch nur alle 100 Jahre eintreten dürften, geben wird. Waren dadurch im Jahr 2010 etwa 270 Millionen Küstenbewohner weltweit bedroht, werden es im Jahr 2050 350 Millionen und im Jahr 2100 zwischen 500 und 550 Millionen sein – bei einer Weltbevölkerung von dann 9,7 beziehungsweise 11 bis 12 Milliarden Menschen. Die Überflutungen, so die Schätzungen, dürften im Jahr 2100 Schäden von bis zu 9,3 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts verursachen. Um diese zu verhindern, müssten bis zu 71 Milliarden US-Dollar aufgewendet werden. Solche Küstenschutzmaßnahmen werden zwingend nötig sein, da schon einzelne Ereignisse immense Schäden verursachen können.
Welches Ausmaß die Schäden annehmen können, zeigen die Zerstörungen, die 2005 durch den Hurrikan Katrina am Golf von Mexiko und 2012 durch den Hurrikan Sandy an der Ostküste der USA angerichtet wurden. Nach Schätzungen von US-Forschern führte Hurrikan Katrina in den besonders stark betroffenen US-Staaten Louisiana und Mississippi zu Schäden in Höhe von etwa 150 Milliarden US-Dollar. Enorm waren auch die Zerstörungen, die Sandy 2012 an der wirtschaftlich stark entwickelten Ostküste anrichtete. Sandy traf auf Höhe der Stadt New York aufs Festland und verursachte innerhalb weniger Stunden Schäden in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar.
Mit der Stärke zukünftiger Wirbelstürme und höher auflaufendem Wasser könnten die Zerstörungen künftig noch deutlich größer ausfallen, sollten bis dahin nicht dafür ausgelegte Küstenschutzanlagen errichtet werden. Für die US-Küste am Golf von Mexiko wurde errechnet, dass bei einem durchschnittlichen Anstieg des globalen Meeresspiegels von 1 Meter auf der 750 Kilometer langen Strecke zwischen den Küstenorten Mobile und Houston etwa ein Drittel aller Straßen permanent überflutet und 70 Prozent aller Häfen kaum mehr nutzbar wären.
Ähnlich werden weltweit viele andere Küstenregionen und Orte von Überflutungen bedroht sein, wenn nicht massiv in den Küstenschutz investiert wird. Dem Weltklimarat zufolge findet der größte Zuzug von Menschen in die Küstenregionen heute in Entwicklungs­ländern oder Schwellenländern statt, in denen der Küstenschutz eher unterentwickelt ist. Dies sind vor allem: Indien, China, aber auch Vietnam, Bangladesch und Indonesien, wo mit besonders gravierenden Hochwasserschäden zu rechnen sein dürfte. Da es kaum Schutz durch Deiche oder Dämme gibt, ist zu befürchten, dass künftig noch mehr Menschen bei Sturmfluten in den Küstenregionen ertrinken werden. Darüber hinaus wird es wegen des mangelnden Küstenschutzes zu großen wirtschaft­lichen Schäden kommen, welche die schwachen Volkswirtschaften kaum kompensieren können. Textende