Seerecht
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WOR 1 Mit den Meeren leben - ein Bericht über den Zustand der Weltmeere | 2010

Rechtsordnung der Ozeane

Die Rechtsordnung der Ozeane

> Jahrhundertelang nutzten die Menschen das Meer, und immer wieder entwickelten sich daraus Konflikte. 1982 schuf die Staatengemeinschaft mit dem Internationalen Seerechtsübereinkommen (SRÜ) eine umfassende rechtliche Grundlage. Inzwischen hat sich das SRÜ als potentes Regelwerk erwiesen. Doch nicht auf jedes aktuelle Problem kann es eine Antwort liefern.

10.1 > Der niederländische Rechtsgelehrte Hugo Grotius (1583 bis 1645) entwickelte die Idee von der Freiheit des Meeres, nach der die Ozeane der ganzen Staatengemeinschaft offenstehen sollen. Seine Auffassung schrieb er 1609 in dem Werk „Mare Liberum“ (oder auch „De mare libero“) nieder.

Gleiche Regeln für alle Staaten

Das Internationale Seerecht oder Seevölkerrecht (International Law of the Sea) fasst alle auf das Meer bezogenen Rechtsnormen zusammen, die zwischen verschiedenen Staaten gelten. Es beinhaltet nicht nur Regelungen zur Abgrenzung oder Nutzung der Meeresgebiete, sondern auch Vorgaben zum Schutz und zur Erforschung der Ozeane. Andere Bereiche hingegen bleiben ausgeklammert, so etwa das nationale Seerecht, das sich beispielsweise mit der Ordnung der Häfen beschäftigt, oder das Seehandelsrecht (Maritime Law), das in Deutschland vorwiegend im Handelsgesetzbuch verankert ist und etwa die Güterbeförderung regelt.

Das Ende der Rechtsfreiheit

Jahrtausendelang war das Meer fast ausschließlich Nahrungsquelle des Menschen und nur in dieser Hinsicht für ihn interessant. In der Ära der großen Seefahrernationen wie Holland, Portugal oder Spanien aber weiteten die Königreiche ab dem 15. Jahrhundert ihren Herrschaftsraum zunehmend aus. Bodenschätze und andere neue Handelsgüter weck­ten Begehrlichkeiten. Fortan galt es, das Meer, ferne Inseln und Küsten zu erobern, um die Vormachtstellung in der Welt zu behaupten. Kriege und Seeschlachten waren die Folge.
Schon früh versuchten Gelehrte die Frage zu beantworten, wem das Meer eigentlich gehören soll. Diese Frage kann das Internationale Seerecht bis heute nicht allgemein beantworten. Sie ist seit jeher durch das Spannungsverhältnis zwischen dem auf den niederländischen Philosophen und Rechtsgelehrten Hugo Grotius (1583 bis 1645) zurückgehenden Gedanken von der Freiheit des Meeres („mare liberum“) und dem Konzept des engli­schen Universal- und Rechtsgelehrten John Selden (1584 bis 1654) vom „mare clausum“ gekennzeichnet. Im Mittelpunkt stand und steht die Frage, ob das Meer der Staatengemeinschaft insgesamt zur Verfügung stehen soll oder aber von einzelnen Staaten beansprucht werden darf. Keine der beiden Positionen konnte sich letztlich völlig durchsetzen. Gleichwohl spiegelt sich dieser Konflikt in der heutigen Struktur des Internationalen Seerechts wider.
Das gegenwärtige Seevölkerrecht ist primär im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) geregelt, das 1982 als Ergebnis der Dritten UN-Seerechts­konferenz (Third United Nations Conference on the Law of the Sea, UNCLOS III) angenommen wurde. Darüber hinaus gibt es völkergewohnheitsrechtliche Normen, die das SRÜ ergänzen. Das Seerechtsübereinkommen ist der umfangreichste völkerrechtliche Vertrag, der jemals in der Geschichte der Menschheit geschlossen wurde. Es fußt auf den vier Genfer Seerechtskonventionen von 1958 zum Küstenmeer und zur Anschlusszone, zur Hohen See, zur Fischerei und zum Festlandsockel. Mit diesen Verträgen wurde das bis dahin geltende – ungeschriebene – Gewohnheitsrecht kodifiziert. So waren die Staaten seit Mitte des 17. Jahrhunderts überwiegend davon ausgegangen, dass ein drei Seemeilen breiter Meeresstreifen vor der Küste als sogenanntes Küstenmeer zum Gebiet eines jeden Küstenstaats gehört, was in etwa der Distanz einer abgefeuerten Kanonenkugel entsprach.
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Meere zunehmend als Quelle natürlicher Ressourcen wie Erdgas und Erdöl interessant. Viele Küstenstaaten versuchten deshalb, immer größere Teile des Meeres und des Meeresbodens unter ihre nationalstaatliche Kontrolle zu bringen. Einige Nationen reklamierten eine 200-Seemeilenzone für sich. Die Idee des „mare liberum“ schien damit völlig verloren zu gehen. Nachdem ein erster Versuch, die zulässige maximale Breite des Küstenmeers in einem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln, im Jahr 1930 noch gescheitert war, gelang es 1958 schließlich, unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen die genannten vier Genfer Seerechtskonventionen zu verabschieden. Mit diesen internationalen Abkommen sollte verhindert werden, dass das Meer endgültig zwischen den verschiedenen Staaten aufgeteilt würde.
Dieses Ziel wurde indes nicht gänzlich erreicht. So weckte beispielsweise die Entdeckung gewaltiger Manganknollenvorkommen auf dem küstenfernen Tiefsee­boden im östlichen und zentralen Pazifik in den 1960er Jahren neue Begehrlichkeiten der Industriestaaten (Kapitel 7). Derzeit wird diskutiert, welchen Nationen die zahlreichen arktischen Bodenschätze zufallen, die aufgrund des schrumpfenden Meereises künftig leichter zugänglich sein werden.

10.2 > Das Seerechtsüber-einkommen der Vereinten Nationen teilt das Meer in verschiedene Rechtszonen auf. Die Souveränität eines Staates nimmt dabei mit zunehmender Entfernung von der Küste ab. An die Inneren Gewässer schließt sich die 12-Seemeilen-Zone an. Hier ist die Souveränität des Küstenstaats bereits eingeschränkt, weil es Schiffen aller Länder erlaubt ist, diese Gewässer zu durchfahren. In der 24 Seemeilen weit reichenden Anschlusszone besitzt ein Staat lediglich Kontrollrechte. Er darf hier etwa die Einhaltung von Zollvorschriften überprüfen. In der 200 Seemeilen breiten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) hat ein Küstenstaat das alleinige Recht, lebende und nicht lebende Ressourcen zu explorieren und zu ernten. Im Bereich des Festlandsockels wiederum, der über die AWZ hinausreichen kann, darf er lebende und nicht lebende Ressourcen am und im Meeresgrund explorieren und ernten.

Mehr Spielraum für die Küstenstaaten

Das SRÜ fasst die vier Genfer Übereinkommen – das „alte“ Seerecht – heute nicht nur in einem einheitlichen Vertragstext zusammen. Es geht inhaltlich sogar über diese hinaus. So wurden die Rechte der Küstenstaaten im „neuen“ Seerecht sowohl qualitativ als auch quantitativ zum Teil erheblich erweitert. Beispielsweise verfügt jeder Küstenstaat über das ausschließliche Recht, die Fischbestände in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zu bewirtschaften, die sich bis zu einer Breite von 200 Seemeilen vor seiner Küste erstreckt. Nach dem damaligen Genfer Recht gab es die AWZ noch nicht. Darüber hinaus ist das SRÜ die Rechtsgrundlage für den Internationalen Seegerichtshof (International Tribunal for the Law of the Sea, ITLOS), der im Jahre 1996 seine Arbeit in Hamburg aufnahm. Der Gerichtshof ist allerdings nicht die einzige gerichtliche Institution, die über die Einhaltung des SRÜ wacht. Vielmehr können die Unterzeichner des SRÜ frei wählen, ob sie Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung.

10.2 > Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen teilt das Meer in verschiedene Rechtszonen auf. Die Souveränität eines Staates nimmt dabei mit zunehmender Entfernung von der Küste ab. An die Inneren Gewässer schließt sich die 12-Seemeilen-Zone an. Hier ist die Souveränität des Küstenstaats bereits eingeschränkt, weil es Schiffen aller Länder erlaubt ist, diese Gewässer zu durchfahren. In der 24 Seemeilen weit reichenden Anschlusszone besitzt ein Staat lediglich Kontrollrechte. Er darf hier etwa die Einhaltung von Zollvorschriften überprüfen. In der 200 Seemeilen breiten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) hat ein Küstenstaat das alleinige Recht, lebende und nicht lebende Ressourcen zu explorieren und zu ernten. Im Bereich des Festlandsockels wiederum, der über die AWZ hinausreichen kann, darf er lebende und nicht lebende Ressourcen am und im Meeresgrund explorieren und ernten. © maribus (nach Proelß)

Klare Regeln, klare Grenzen

Das Internationale Seerecht gibt vor allem bezüglich wirtschaftlicher Interessen einen zwingend einzuhaltenden Verhaltensrahmen vor. Es regelt die Fischerei und die Schifffahrt, die Gewinnung von Öl und Gas im Meer sowie die Ausbeutung anderer Rohstoffe des Tiefseebodens und den Meeresumweltschutz.
Das Seerecht teilt die Meere in verschiedene Rechts­zonen auf. Es definiert den Rechtsstatus und die Breite dieser Zonen und normiert die in ihnen jeweils geltenden Rechte und Hoheitsbefugnisse der Küsten- und Flag­genstaa­ten. Dabei nimmt die Hoheitsmacht eines Staates mit wachs­­­­ender Entfernung von der Küste ab. Sie reicht von voller territorialer Souveränität (Innere Gewässer) über eingeschränkte „aquitoriale“ Souveränität (Küstenmeer) bis zur funktional begrenzten Hoheitsmacht (Ausschließliche Wirtschaftszone, AWZ und Festlandsockel). Bemessungsgrundlage der jeweiligen Meereszonen ist die sogenannte Basislinie. Diese Linie ver­läuft norma­lerweise entlang der Niedrigwasserlinie an der Küste und entspricht damit dem durchschnittlichen Ebbestand des Wassers, wie er in amtlichen Seekarten verzeichnet ist.

Hoheitsmacht Funktional begrenzte Hoheitsmacht bedeutet, dass ein Staat im Bereich der AWZ und des Festlandsockels für einige Nutzungsarten ausschließliche Nutzungshoheit genießt – etwa für die Fischerei.

Innere Gewässer sind die landwärts der Basislinie gelegenen Gewässer. Sie gehören zum Staatsgebiet des Küstenstaats und unterliegen seiner vollen territorialen Souveränität. In manchen Fällen aber gilt nicht die Niedrigwasserlinie als Begrenzung der Inneren Gewässer; dann nämlich, wenn man gerade Basislinien oder Buchtenabschlusslinien zieht. Das Seerecht gestattet das immer dann, wenn die Küste tiefe Einbuchtungen und Einschnitte aufweist (etwa in Norwegen, Chile und Alaska), wenn sich eine Inselkette entlang der Küste in ihrer unmittelbaren Nähe erstreckt (etwa im Fall der Nordfriesischen Inseln) oder wenn die Küste über eine Bucht verfügt, beispielsweise die Kieler Förde. Daher gehört etwa das Wattenmeer, sofern landwärts von den Außenpunkten der Nordfriesischen Inseln gelegen, ebenso zu den deutschen Inneren Gewässern wie die Häfen von Kiel, Hamburg und Bremen.
Seewärts der Basislinie schließt sich das Küstenmeer an, das sich bis zu 12 Seemeilen von der Basislinie erstreckt. Hier wird die Souveränität des Küstenstaats bereits völkerrechtlich eingeschränkt: Denn es ist Schiffen aller Staaten gestattet, das Küstenmeer friedlich zu durchfahren. Der Küstenstaat darf die Fahrt fremder Schiffe durch das Küstenmeer nicht von einer Genehmigung oder Ähnlichem abhängig machen. Unter be­stimm­ten Umständen jedoch kann ein Küstenstaat den Schiffsverkehr durch die Einrichtung von Schifffahrtswegen kanalisieren, um die Sicherheit der Schifffahrt in diesem Bereich zu gewährleisten.

Zusatzinfo Ein komplexes Rechtsthema – der Schutz der Meeressäuger

Dem Küstenmeer folgt die Anschlusszone, die sich 24 Seemeilen seewärts der Basislinie erstreckt. In diesem Areal, das sich mit dem Küstenmeer teilweise überlagert, besitzt ein Staat nur Kontrollrechte. Er darf überprüfen, ob im Küstenmeer geltende nationale Gesetze eingehalten oder gefährdet werden. Dazu gehören unter anderem Gesundheitsrichtlinien, Einreise-, Finanz- und Zollvorschriften. Noch weiter ins Meer reicht die sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), die sich bis zu 200 Seemeilen seewärts der Basislinie erstreckt.
Anders als die Inneren Gewässer und das Küstenmeer gehört die AWZ nicht zum Staatsgebiet. Der Küstenstaat verfügt dort nur über einzelne funktional begrenzte Rechte, die sich nicht auf das Meeresgebiet selbst, sondern nur auf die dort vorhandenen Ressourcen beziehen. Wie der Begriff AWZ impliziert, darf dort allein der Küstenstaat Bauten wie etwa Ölplattformen und Windenergieanlagen errichten und nutzen oder Fischfang betreiben. Drittstaaten bleiben davon ausgeschlossen. Wirtschaftlich ist dies von großer Bedeutung, weil beispielsweise etwa 90 Prozent aller kommerziell relevanten Fischspezies in den AWZ der Küstenstaaten vorkommen. Diese Zahl ist noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass diese Wirtschaftszonen lediglich 35 Prozent der Gesamtfläche der Meere einnehmen.
10.3 > Die Nachbarländer Dänemark, Deutschland, Polen und Schweden liegen so dicht beieinander, dass die Ausschließlichen Wirtschaftszonen zu einem schma­len Band schrumpfen. In manchen Gebieten, wie etwa östlich von Flensburg, verlaufen die Grenzen sogar innerhalb der 12-Seemeilen-Zone.
10.3 > Die Nachbarländer Dänemark, Deutschland, Polen und Schweden liegen so dicht beieinander, dass die Ausschließlichen Wirtschaftszonen zu einem schma­len Band schrumpfen. In manchen Gebieten, wie etwa östlich  von Flensburg, verlaufen die Grenzen sogar innerhalb der 12-Seemeilen-Zone. © maribus (nach Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, BSH)
10.6 > Im dicht besiedelten Europa mit seinen vielen Grenzen ist die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) oftmals weniger als 200 Seemeilen breit. Das betrifft die Adria, die Nordsee und auch das Mittelmeer. Weltweit kommen in dem recht schmalen Band der AWZ immerhin 90 Prozent aller kommerziell relevanten Fischspezies vor.
10.6 > Im dicht besiedelten Europa mit seinen vielen Grenzen ist die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) oftmals weniger als 200 Seemeilen breit. Das betrifft die Adria, die Nordsee und auch das Mittelmeer. Weltweit kommen in dem recht schmalen Band der AWZ immerhin 90 Prozent aller kommerziell relevanten Fischspezies vor. © maribus

Festlandsockel Für den Begriff Festlandsockel gibt es eine rechtliche und eine geologische Definition. Im rechtlichen Sinn ist der Festlandsockel gemeint, der eine Ausdehnung von 200 Seemeilen seewärts der Basislinie hat. Im geologischen Sinn ist der Begriff gleichbedeutend mit dem Schelf. Als Schelf bezeichnet man den küstennahen, flachen Teil des Meeresbodens. Der Schelf fällt sanft bis zu einer durchschnittlichen Tiefe von 130 Metern ab. Daran schließt sich der bis zu 90 Grad steile Kontinentalhang an.

Der Küstenstaat hat darüber hinaus Hoheitsbefugnisse in Bezug auf die wissenschaftliche Meeresforschung. Deshalb bedürfen Meeresforschungsaktivitäten fremder Staaten in der AWZ grundsätzlich der Zustimmung des Küstenstaats. Auch wenn es um den Meeresschutz geht, genießt der Küstenstaat in der AWZ be­­stimm­te Hoheitsrechte. Er allein darf der Internationalen SeeschifffahrtsOrganisation (International Maritime Organisation, IMO) die Ausweisung eines Meeresschutzgebiets in seiner AWZ vorschlagen, um diese vor einer Verschmutzung durch Schiffe zu schützen. Territoriale Ansprüche kann ein Küstenstaat in der AWZ nicht erheben. Dritte Staaten wiederum genießen in der AWZ Schifffahrtsfreiheit. Zudem dürfen sie dort unterseeische Kabel und Rohrleitungen verlegen.

Spezielle Vorgaben enthält das SRÜ auch für den größtenteils unterhalb der AWZ verlaufenden Festlandsockel. Dieser ist wie die AWZ ein Ho­­heitsraum, in dem nur der Küstenstaat die natürlichen Ressourcen erforschen und ausbeuten darf. Jeder Küstenstaat weltweit besitzt zwangsläufig einen solchen Festlandsockel. Natürlich sind Festlandsockel je nach geologischen Gegebenheiten unterschiedlich breit. Ungeachtet dessen darf jeder Küsten­­staat einen Festlandsockel von bis zu 200 Seemeilen Breite für sich proklamieren. Ist der Festlandsockel geologisch breiter, können aber auch noch größere Bereiche ausgewiesen werden. In rechtlicher Hinsicht verläuft die maximale Ausdehnung dann entweder in 350 Seemeilen Entfernung von der Basislinie oder 100 Seemeilen seewärts der 2500-Meter-Was­sertiefen­li­nie. Proklamiert ein Küstenstaat einen mehr als 200 Seemeilen breiten Festlandsockel, ist er in der Beweispflicht. Der Staat muss gegenüber der UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels (Commission on the Limits of the Continental Shelf, CLCS) belegen, dass es sich bei dem unterseeischen Gebiet tatsächlich um eine natürliche Verlängerung seines Landgebiets handelt. Die Kommission prüft die vorgelegten geologischen und hydrographischen Daten und gibt schließlich eine Empfehlung ab. Die von einem Küstenstaat auf der Grundlage einer solchen Empfehlung festgelegten Außengrenzen des Festlandsockels sind endgültig und verbindlich. Allerdings ist sich die Staatengemeinschaft bis heute nicht einig, welche rechtlichen Konsequenzen die CLCS-Empfehlungen letztlich haben. Denn die Kommission ist kein Organ der Rechtskontrolle. So soll die CLCS-Prüfung lediglich sicherstellen, dass die Grenzziehung wissenschaftlichen Standards entspricht. Dennoch ist die CLCS kein zahnloser Tiger. Eine von ihr abgegebene und veröffentlichte Empfehlung setzt den Küstenstaat unter erheblichen politischen Druck. Jegliche Abweichung bedarf einer Rechtfertigung. Bislang wurde denn auch in keinem einzigen Fall eine CLCS-Empfehlung missachtet.

Jenseits der Außengrenzen der AWZ beginnt der Staatengemeinschaftsraum Hohe See. Damit ist primär die Wassersäule jenseits der AWZ gemeint, weniger der Meeresboden. Die Hohe See steht allen Staaten offen. Kein Staat darf einen Teil der Hohen See seiner Souveränität unterstellen. Die sogenannte Freiheit der Hohen See erfasst, ganz im Sinne von Hugo Grotius, insbesondere die Freiheit der Schifffahrt, die Freiheit der Fischerei und die Freiheit der wissenschaftlichen Meeresforschung.
Außerdem wurden die nicht lebenden Ressourcen des sich seewärts an den Festlandsockel anschließenden Meeresbodens zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt. Die in diesem Gebiet lagernden Manganknollen sollen künftig nach einem Bergbaurecht geerntet werden, das sich am Gemeinwohl orientieren und vor allem den Interessen der Entwicklungsstaaten Rechnung tragen soll. Überwacht und organisiert werden die Bergbauunternehmungen von der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) in Kingston (Jamaika), die extra dafür von den Vertragsparteien des SRÜ eingerichtet wurde. Die ISA wacht insbesondere darüber, dass die Gewinne aus den Aktivitäten des Tiefseebodenbergbaus gerecht verteilt werden. So bleibt die Hälfte der Meeresbodengebiete, für die die Industrienationen künftig Explorations- und Abbaulizenzen erwerben, den Entwicklungsstaaten reserviert. Noch ist der Abbau allerdings unrentabel und es fehlt an der nötigen Technik. Wie gut das Regelwerk in der Praxis funktioniert, wird sich also erst in Zukunft zeigen.
Als Verfassung der Meere liefert das SRÜ nur den normativen Rahmen für die internationale Rechtsordnung der Ozeane. Im Einzelnen lässt es manche Frage unbeantwortet. Das gilt vor allem für Aspekte, die erst nach seiner Annahme im Jahr 1982 durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse als bedeutend erkannt wurden. Längst hat man neue Erzlagerstätten am Meeresboden und neue Fischbestände in der Tiefsee entdeckt. Und auch der Klimawandel führt zu Veränderungen. Für die aktuellen Herausforderungen muss das SRÜ daher gegebenenfalls durch Spezialverträge ergänzt werden. Textende