- Energie und Rohstoffe aus dem Meer
- > Heutzutage interessieren sich Industrie und Wirtschaft für eine breite Palette an Rohstoffen aus dem Ozean – angefangen von Sand, Erdöl und Erdgas bis hin zu den riesigen Erzvorkommen in der Tiefsee, deren industrieller Abbau derzeit vorbereitet wird. Zeitgleich treiben Staaten und Unternehmen den Ausbau der grünen Stromproduktion auf dem Meer voran. Aus Sicht des Ozeans bedeuten beide Entwicklungen vor allem eines: noch mehr großflächige Eingriffe des Menschen.
Unsere Ozeane: voller Energie
Die Menschheit steht vor einer großen Aufgabe: Wenn es gelingen soll, die globale Erwärmung auf weit unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Energieversorgung der Welt und darin eingeschlossen das Transportwesen und die Wärmeversorgung auf emissionsarme oder emissionsfreie Technologien umgestellt werden. Nach bisherigem Kenntnisstand scheint eine solche Transformation ohne den Weltozean völlig ausgeschlossen. Die Weltmeere werden in gleich zwei Prozessstufen gebraucht – mit absoluter Sicherheit als Energiequelle und voraussichtlich auch als Rohstofflagerstätte.
Beim Thema Energiegewinnung aus dem Meer befindet sich die Menschheit an einer Wegegabelung. Noch immer werden neue Erdöl- und Erdgas-lagerstätten im Meer erschlossen. Diese neuen Förderstätten liegen meist in größerer Tiefe als zuvor und in zunehmender Entfernung vom Land. Während die weltweiten Fördermengen für Erdöl aus dem Meer auf hohem Niveau stagnieren, steigen jene für Erdgas kontinuierlich an, sodass fossile Rohstoffe aus dem Meer mittlerweile mehr als ein Viertel der globalen Gesamtproduktion ausmachen. Gleichzeitig aber investieren weltweit vor allem erdölfördernde Konzerne in große Offshore-Windfarmen. Diese werden ebenfalls in zunehmender Distanz zur Küste errichtet, um von den besseren Windbedingungen auf offener See zu profitieren. Technische Fortschritte haben dazu beigetragen, dass moderne Windkraftanlagen deutlich größer sind als ihre Vorgängermodelle und auch deutlich mehr Strom produzieren. Infolgedessen sinken die Preise für grünen Offshore-Windstrom, und die Nachfrage steigt.
Aufgrund des hohen Windenergiepotenzials auf den Meeren zählt die Produktion von Offshore-Windenergie zu den wichtigsten Pfeilern nationaler und internationaler Strategien für eine nachhaltige Energiegewinnung. Andere Technologien wie Wellen- und Strömungskraftwerke, Photovoltaikanlagen auf dem Meer oder die Erzeugung von Biokraftstoffen aus Algen befinden sich noch in der Entwicklungsphase. Langfristig aber müssen auch sie großflächig eingesetzt werden, um den wachsenden Strombedarf der Menschheit zu decken.
Der Ausbau der erneuerbaren Meeresenergien sowie die Stromverteilung und -speicherung gelingen jedoch nur, wenn entsprechende Kraftwerke, Stromtrassen und Batteriesysteme gebaut werden. Dafür werden immer größere Mengen an Rohstoffen benötigt, deren Förderung an Land den Lebensraum für Mensch und Tier großflächig zerstört. Eine denkbare Alternative wäre der Abbau großer Rohstofflagerstätten im Meer, insbesondere in der Tiefsee, welche im Gegensatz zu Lagerstätten an Land eine Vielzahl verschiedener Metalle und Mineralien enthalten. Das Wissen über diese Tiefseevorkommen ist in den zurückliegenden 20 Jahren deutlich gewachsen.
31 Lizenzen zur Erkundung des Meeresbodens nach mineralischen Rohstoffen hat die Internationale Meeresbodenbehörde ISA seit dem Jahr 2002 vergeben. Erste Abbautechniken wurden vor Ort getestet; parallel dazu führten Fachleute umfassende Untersuchungen zu den Umweltfolgen eines möglichen Tiefseebergbaus durch und entwickelten Überwachungssysteme. Die ISA erarbeitet und verhandelt derzeit ein Regelwerk für den Tiefseebergbau in internationalen Gewässern. Der wiederum könnte Experten zufolge in fünf bis zehn Jahren beginnen.
Umweltschützer fordern ein generelles Verbot des Bergbaus in den Meeren. Sie verweisen darauf, dass es angesichts der angespannten Rohstoffversorgungslage keine Lösung sei, weitere natürliche Ressourcenquellen zu erschließen. Stattdessen müsse der enorme Ressourcenverbrauch auf ein Minimum reduziert werden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine grundsätzliche Umstrukturierung des auf Verbrauch angelegten Wirtschaftssystems und ein verändertes Konsumverhalten jedes Einzelnen.