Dringlichst gesucht – Wege aus der Klimakrise
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WOR 8 Klimaretter Ozean? Wie das Meer (noch) mehr Kohlendioxid aufnehmen soll | 2024

Lösungen für das Treibhausgas-Problem?

Lösungen für das Treibhausgas-Problem? Abb. 1.18: Perfect Lazybones/Shutterstock

Lösungen für das Treibhausgas-Problem?

> Der Klimawandel ist menschengemacht und eindeutig auf den ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen zurückzuführen. Ein Emissionsstopp ist daher der einzige Ausweg aus der Klimakrise. Vorschläge, wie die Menschheit einen Großteil ihrer Emissionen vermeiden kann, gibt es inzwischen zuhauf. Allerdings ist auch gewiss, dass sich bis zum Jahr 2050 nicht alle Emissionen vermeiden lassen werden – selbst bei größter Anstrengung nicht. Diese Restmengen wird die Menschheit ausgleichen müssen: durch eine gezielte Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre.

Der Mensch allein verantwortet den Klimawandel und seine Folgen

Den Klimawandel und seine drastischen Folgen zu stoppen ist Aufgabe des Menschen, denn er allein hat die bisherige globale Erwärmung zu verantworten. Der Klimawandel ist menschengemacht, daran gibt es keinerlei Zweifel mehr. Nach Angaben des Weltklimarates kann die globale Erwärmung der zurückliegenden 120 bis 170 Jahre eindeutig auf vom Menschen freigesetzte Treibhausgase zurückgeführt werden. Zu diesen zählen in erster Linie Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid (Lachgas), Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) sowie 16 weitere Chemikalien.
Angereichert in der Atmosphäre bewirken diese Treibhausgase, dass unser Planet Erde zunehmend weniger Wärmeenergie in das Weltall abstrahlen kann. Die Wärme verbleibt stattdessen in der Erdatmosphäre und heizt zunächst deren Luftmassen, später auch den Ozean auf. Das physikalische Prinzip dahinter ist dasselbe wie in einem Garten-gewächshaus. Aus diesem Grund werden die physikalischen Auswirkungen steigender Treibhausgaskonzentrationen auch als Treibhauseffekt bezeichnet. Wichtig ist zu wissen: Einen Teil der durch Treibhausgase ausgelösten Gesamterwärmung spüren Mensch und Natur noch nicht, weil er durch kühlend wirkende Aerosole wie Rußpartikel und Schwefeldioxide sowie durch Veränderungen des Reflexionsvermögens der Erdoberfläche maskiert wird. Ohne diese kühlende Komponente betrüge die globale Erwärmung bereits heute 1,5 Grad Celsius.
1.14 > Die Menschheit verantwortet den Klimawandel. Das weiß man, weil sich die gemessene Erderwärmung (schwarze Linie) nur dann realistisch in Klimamodellen darstellen lässt, wenn die Modelle sowohl die natürlichen als auch alle menschlichen Einflussfaktoren berücksichtigen (graue gepunktete Linie und Schattierung).
Abb. 1.14: nach IPCC, 2021: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. doi:10.1017/9781009157896, FAQ 3.1 Figure 1
Die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre wird weltumspannend überwacht – etwa von Forschungseinrichtungen wie der US-amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration). Diese veröffentlicht in jedem Jahr den sogenannten NOAA Annual Greenhouse Gas Index (AGGI), einen Treibhausgas-Index. Dieser bringt in einer Zahl zum Ausdruck, wie viel zusätzliche Wärmeenergie infolge der vom Menschen verursachten Treibhausemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 in der Erdatmosphäre verblieben ist – und demzufolge die globale Erwärmung vorantreibt. Im Jahr 2022 stieg der NOAA-Treibhausgas-Index auf einen Wert von 1,49. Das bedeutet: Vom Menschen freigesetzte Treibhausgase hielten im Jahr 2022 sage und schreibe 49 Prozent mehr Wärmeenergie in der Erdatmosphäre gefangen als noch im Referenzjahr.
Den größten Anteil an diesem zunehmenden Wärmestau – rund 80 Prozent – hatte Kohlendioxid (chemische Formel: CO2). Dieses Treibhausgas ist besonders langlebig. Es wird in der Atmosphäre nicht chemisch abgebaut, sondern nur im Zuge verschiedener Prozesse (zum Beispiel CO2-Aufnahme von Pflanzen) aus der Atmosphäre entnommen. Aus diesem Grund verbleibt Kohlendioxid mitunter bis zu 1000 Jahre lang in der Erdatmosphäre und entfaltet eine entsprechend lange Klimawirkung.
1.15 > Die globale Erwärmung ist auf die Treibhausgasemissionen des Menschen zurückzuführen. Kühlend wirken bislang vor allem vom Menschen zu verantwortende Aerosole, die sich vor allem aus Schwefel- und Stickoxid bilden und einfallendes Sonnenlicht ins Weltall zurückstrahlen.
Abb. 1.15: IPCC, 2021, Climate Change 2021: The Physical Science Basis. doi:10.1017/9781009157896, Figure SPM.2

Direkte und indirekte Emissionen
Direkte Emissionen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Aktivitäten innerhalb eines klar abgesteckten Raumes oder einer Region, eines Sektors oder Unternehmens (zum Beispiel: CO2-Emissionen durch Ölverbrennen in der Ölheizung eines Gebäudes). Indirekte Emissionen hingegen entstehen außerhalb des definierten Raumes (Beheizen eines Gebäudes mit Fernwärme: Indirekte Emissionen entstehen bei Verbrennung im entfernt gelegenen Gas- oder Kohlekraftwerk).

Kohlendioxid wird bei nahezu allen menschlichen Aktivitäten ausgestoßen. Es entsteht in erster Linie:
  • bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas: Nach Angaben des Weltklimarates entstanden im Jahr 2019 rund 34 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen im Energiesektor; das Verkehrs- und Transportwesen schlug mit einem Anteil von 15 Prozent zu Buche, der Industriesektor mit 24 Prozent;
  • bei der Zersetzung organischen Materials (Tier- und Pflanzenreste) aufgrund von Landnutzungsänderungen: Die Land- und Forstwirtschaft sowie anderweitige Landnutzungsänderungen verursachten im Jahr 2019 rund 22 Prozent der weltweiten Emissionen von Kohlendioxid;
  • bei industriellen Prozessen wie zum Beispiel der Herstellung von Zement: Zement besteht aus Kalkstein, der bei Temperaturen von 1450 Grad Celsius gebrannt wird, um die gewünschten Materialeigenschaften zu entwickeln. Bei diesem Brennvorgang entweicht Kohlendioxid in großen Mengen aus dem Ausgangsmaterial. Allein diese prozessbedingten Emissionen der Zementproduktion machten im Jahr 2019 rund 2,6 Prozent der globalen Kohlendioxid-Gesamtemissionen aus. Unberücksichtigt blieben dabei indirekte Emissionen, wie sie u.a. bei der Energiebereitstellung sowie beim Transport entstehen. In Deutschland ist die Herstellung einer Tonne Zement mit Kohlendioxid emissionen von rund 600 Kilogramm verbunden. Etwa zwei Drittel davon entfallen auf rohstoffbedingte Prozessemissionen, ein Drittel auf Brennstoffemissionen
1.16 > Übersicht über die direkten und indirekten Treibhausgasemissionen der einzelnen Sektoren im Jahr 2019. Die Emissionen sind in Kohlendioxid-Äquivalente umgerechnet. Aufgrund von Rundungen ergeben die gelisteten Prozentangaben in der Summe nicht immer die vollen 100 Prozent.
Abb. 1.16: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Figure 2.12.
1.17 > Die Mengen aller relevanten, anthropogenen Treibhausgase ist im Zeitraum von 1990 bis 2019 stetig gestiegen.
Abb. 1.17: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Figure SPM 1
Pro Jahr summieren sich die weltweiten Kohlendioxidemissionen infolge von Zementherstellung und der Verbrennung fossiler Rohstoffe mittlerweile auf rund 36 Milliarden Tonnen CO2. Hinzu kommen die Emissionen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie aus der veränderten Landnutzung in Höhe von etwa vier Milliarden Tonnen Kohlen­di­oxid. Global betrachtet steigen die Emissionen somit seit 270 Jahren, auch wenn sich ihr Wachstum mittlerweile verlangsamt hat.

Abb. 1.18: Perfect Lazybones/Shutterstock

 

1.18 > In einem chinesischen Steinbruch wird Schotter produziert. Industrieunternehmen wie dieses verantworten zusammen mehr als ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Rekordwerte – in jedem Jahr

Der stetig hohe Ausstoß führt dazu, dass die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre kontinuierlich ansteigt. Im Mai 2023 verzeichnete die Kohlendioxid-Messstation am Mauna-Loa-Observatorium auf Hawaii erstmals einen Monatshöchstwert von 424 parts per million (ppm) – ein Plus von drei ppm im Vergleich zu Mai 2022 und die höchste bislang gemessene Kohlendioxidkonzentration der zurückliegenden zwei Millionen Jahre. Kohlendioxid ist zweifelsohne der stärkste Motor des Klimawandels, jedoch nicht der einzige. Neben dem langlebigen Kohlendioxid setzt die Menschheit auch zunehmend mehr kurzlebige klimawirksame Schadstoffe wie Methan (CH4), Lachgas (N2O) und fluorierte Treibhausgase frei. Diese werden im Gegensatz zu Kohlendioxid in der Atmosphäre chemisch abgebaut. Das heißt, sie bleiben in der Regel nicht länger als 20 Jahre klimawirksam. So lange sie sich aber in der Atmosphäre befinden, tragen die kurzlebigen Treibhausgase maßgeblich zum Klimawandel bei. Methan beispielsweise hält über einen Zeitraum von 20 Jahren gerechnet mehr als 80-mal mehr Wärme in der Erdatmosphäre als die gleiche Menge Kohlendioxid.
Der Weltklimarat kommt in seinem aktuellen Bericht zu dem Schluss, dass die steigenden Emissionen von Methan von 1850 bis 2019 für etwa 0,5 Grad Celsius der in dieser Zeit beobachteten globalen Erwärmung verantwortlich waren. Rechnet man die Methankonzentration und ihre Klimawirksamkeit in das entsprechende Kohlendioxid-Äquivalent um, dann machten die vom Menschen verursachten Methanemissionen im Jahr 2019 rund 18 Prozent der Gesamtemissionen aus.
Direkt gemessen wird die Methankonzentration in der Erdatmosphäre seit dem Jahr 1983. Nach Angaben der NOAA betrug die durchschnittliche Methankonzentration im Jahr 2022 genau 1911,8 parts per billion (ppb, Teile pro Milliarde). Im Jahr 1750, so belegen es Klimaarchive, waren es noch 729 ppb. Das bedeutet, die Lufthülle der Erde enthält mittlerweile 162 Prozent mehr. So hoch war die Methankonzentration in den zurückliegenden 800.000 Jahren nicht.
1.19 und 1.20 > Die Regionen der Welt tragen in einem sehr unterschiedlichen Maß zum Treibhausgasausstoß bei – aktuell ebenso wie in der Rückschau, bei der alle Emissionen addiert werden.
Abb. 1.19 und 1.20: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Figure SPM 2

 

Abb. 1.19 und 1.20: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Figure SPM 2
Methan entweicht zum einem aus natürlichen Quellen wie Mooren, Mangrovenwäldern, Salzmarschen und Seegraswiesen. Zum anderen wird es durch menschliche Aktivitäten freigesetzt, vor allem:
  • in der Landwirtschaft: Verdauungsprozesse von Wiederkäuern, Reisanbau, Umgang mit Wirtschaftsdünger, Gülle und Gärresten;
  • im Energiesektor: Kohleförderung, Erdöl- und Erdgasförderung und -transport, Verbrennen von Biomasse und Biotreibstoffen sowie
  • in der Abfall- und Abwasserwirtschaft: Entweichen aus Müllhalden, Abwässern und Klärschlämmen.
Diese vom Menschen zu verantwortenden Methanemissionen lassen sich mit verhältnismäßig wenig Aufwand reduzieren. Da atmosphärisches Methan zudem in einem Zeitraum von etwa neun bis zwölf Jahren chemisch abgebaut wird und somit seine Klimawirkung verliert, gelten Lösungen zur Eindämmung der Methanfreisetzung als besonders vielversprechende Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Neuerer Forschung zufolge ließen sich zum Beispiel bis zum Jahr 2050 etwa 0,25 Grad Celsius zusätzliche Erwärmung verhindern, wenn die Menschheit ab sofort alle bekannten Optionen zur Eindämmung selbst verursachter Methanemissionen umsetzen würde.

Kohlendioxid-Äquivalent
Um die Wirkung verschiedener Treibhausgase vergleichen zu können, berechnen Forschende, wie viel Kohlendioxid man bräuchte, um über einen bestimmten Zeitraum denselben Effekt auf einen ausgewählten Klimaparameter zu erzeugen wie mit einer gegebenen Menge Methan, Lachgas oder einem Mix anderer Treibhausgase. Diese errechnete Menge CO2 wird dann als Kohlendioxid-Äquivalent bezeichnet.

Wann überschreitet die globale Erwärmung das 1,5-Grad-Ziel?

Jede zusätzliche Tonne freigesetzter Treibhausgase treibt die Erderwärmung weiter voran. Diesen fast linearen Zusammenhang kann die Wissenschaft zumindest für Kohlendioxid mittlerweile sehr gut belegen. So weiß man inzwischen, dass Kohlendioxidemissionen in Höhe von 1000 Milliarden Tonnen (tausend Gigatonnen) die globale Oberflächentemperatur um weitere 0,27 bis 0,63 Grad Celsius steigen lassen – und zwar jedes Mal, wenn sich eine solche Menge Kohlendioxid neu in der Atmosphäre anreichert.
Viel häufiger aber geht es in der Klimawandel-Debatte um die Frage, wann ein bestimmtes Erwärmungsniveau erreicht wird. Das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 zum Beispiel erklärt eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf weit unter zwei Grad Celsius als Ziel, nach Möglichkeit auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass das Abkommen weder nähere Angaben dazu macht, wie die spezifischen Erwärmungsniveaus definiert sind, noch, welcher Zeitraum mit dem Wort „vorindustriell“ gemeint ist.
Die Klimaforschenden haben sich deshalb auf eine gemeinsame Ausgangsbasis geeinigt. Sie definieren die Erwärmungsniveaus im Vergleich zum Zeitraum von 1850 bis 1900 – im vollen Bewusstsein, dass die Industrialisierung bereits 100 Jahre früher begonnen hat und damals die Kohlendioxidemissionen bereits rapide angestiegen waren, vor allem in Großbritannien. Allerdings reichen die Daten zur globalen Oberflächentemperatur der Erde nur bis zum Jahr 1850 in zufriedenstellender Qualität zurück. Daher entschieden sich die Forschenden für die Vergleichsperiode von 1850 bis 1900.
1.21 > Bauern in der pakistanischen Provinz Sindh treiben ihre Ziegen über geflutetes Gelände. Starkregen und Sturzfluten setzten im Juli und August 2022 große Teile Pakistans unter Wasser und richteten in der Hälfte aller Provinzen schwere Schäden an.
Abb. 1.21: picture alliance/Xinhua News Agency/Stringer
1.22 > Der Klimawandel ließe sich wirkungsvoll eindämmen, wenn es der Menschheit gelänge, ihren Methanausstoß zu reduzieren. Wie, ist hinlänglich bekannt. Die Lösungsansätze müssten nur flächendeckend umgesetzt werden.
Tab. 1.22: nach Ilissa B. Ocko et al., 2021. doi:10.1088/1748-9326/abf9c8
Abb. 1.23: Central Press/Getty Images

 

1.23 > Ein Bild aus dem Jahr 1971: Dunkle Rauchschwaden steigen aus den vier Schornsteinen des Kohlekraftwerkes Battersea Power Station in London. Seit 1983 ist das Kraftwerk an der Themse stillgelegt. Wo einst Kohle verbrannt wurde, entstanden seit 2013 Luxuswohnungen und Büros.

Bei einer Antwort auf die Frage, wann die globale Erwärmung eine bestimmte Temperaturgrenze überschreitet, muss zudem bedacht werden, dass die Erwärmung stets als Durchschnittswert für einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet wird. Das heißt aus Sicht der Klimaforschung: Die 1,5-Grad-Grenze ist erreicht, wenn über einen Zeitraum von 20 Jahren die durchschnittliche Oberflächentemperatur 1,5 Grad Celsius über dem Durchschnittswert des Vergleichszeitraumes 1850 bis 1900 gelegen hat. Wann genau aber wird das sein?
Die genaue Temperaturentwicklung vorherzusagen, ist noch immer schwierig, weil die Höhe der künftigen Erwärmung von vier Faktoren abhängt: von der Menge künftiger Treibhausgasemissionen, von der internen Variabilität des Klimasystems (gemeint sind die natürlichen Schwankungen), von der Klimasensitivität sowie von den Unsicherheiten in der Bestimmung des Temperaturniveaus für den Referenzzeitraum 1850 bis 1900.
Als Klimasensitivität bezeichnen Forschende die langfristige Klimaerwärmung, ausgelöst durch eine plötzliche Verdopplung der Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre. Ihr Wert liegt nach aktuellen Angaben des Weltklimarates mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen zwei und fünf Grad Celsius, wobei jedoch mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte vergehen können, bis sich diese Erwärmung einstellt und das Klimasystem nach der Störung (Verdopplung der Kohlendioxidkonzentration) wieder in einen Gleichgewichtszustand zurückfindet.
1.24 > Da Kohlendioxid sich in der Atmosphäre anreichert, können Forschende berechnen, welche Mengen noch freigesetzt werden dürfen, bis ein bestimmtes Erwärmungsniveau erreicht ist. Im Jahr 2020 waren es noch 400 Gigatonnen Kohlendioxid, wenn die Welt das 1,5-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent erreichen möchte.
Abb. 1.24: IPCC, 2021, Climate Change 2021: The Physical Science Basis. doi:10.1017/9781009157896, FAQ 5.4 Figure 1

Pariser Klimaabkommen
Das Pariser Klimaabkommen wurde am 12. Dezember 2015 auf der 21. Klimakonferenz in Paris verabschiedet und trat am 4. November 2016 in Kraft. Bis September 2022 hatten 194 Staaten und die Europäische Union das Abkommen unterzeichnet und ratifiziert.

Klimamodelle kommen aufgrund dieser Spanne von drei Grad Celsius zu verschiedenen Ergebnissen: Verwenden Forschende in ihren Klimamodellierungen eine mittlere Klimasensitivität, deuten Berechnungen auf Basis der fünf sogenannten Sozioökonomischen Entwicklungs-pfade (Shared Socioeconomic Pathways) darauf hin, dass das 20-Jahres-Temperaturmittel im Zeitraum von 2020 bis 2039 auf jeden Fall die 1,5-Grad-Grenze erreichen wird – ganz ungeachtet dessen, welche Treibhausgasmengen die Menschheit in den kommenden Jahren freisetzen wird. Bleiben die Emissionen auf ihrem aktuell hohen Niveau oder steigen sie weiter, wird die globale Erwärmung bis zum Jahr 2050 sogar die Zwei-Grad-Grenze überschreiten.
Wie viel Zeit noch bleibt, den Klimawandel einzudämmen, lässt sich aber auch in Form sogenannter Kohlendioxid-Budgets beantworten, welche die Menschheit noch emittieren darf, bis ein bestimmtes Erwärmungsniveau erreicht ist. Die entsprechenden Berechnungen beruhen auf der Annahme, dass die globale Oberflächentemperatur um etwa 0,45 Grad Celsius (0,23 bis 0,65 Grad Celsius) ansteigt, wann immer die Menschheit weitere 1000 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre freisetzt. Berücksichtigt werden außerdem die bisherige Erwärmung, der Anteil anderer Treibhausgase als Kohlendioxid an der künftigen Erwärmung sowie die Frage, wie lange die Erwärmung noch voranschreiten würde, wenn es der Menschheit gelänge, ihre Kohlendioxidemissionen eines Tages auf null zu reduzieren.
Im Zeitraum von 1750 bis 2019 hat die Menschheit etwa 2560 Milliarden Tonnen Kohlendioxid emittiert. Zieht der Weltklimarat alle methodischen Unsicherheiten mit in Betracht, reicht diese Treibhausgasmenge seiner Ansicht nach vermutlich schon aus, um die 1,5-Grad-Marke zu erreichen. Das bedeutet: Das verbleibende Kohlendioxid-Budget betrüge null – wenn auch mit geringer Wahrscheinlichkeit, so die Experten. Verwenden die Fachleute bei ihren Berechnungen jedoch sogenannte „beste Schätzungen“ für die wichtigsten Parameter, fallen die verbleibenden Kohlendioxid-Budgets größer als null aus
Klein sind sie dennoch, wie die Ergebnisse zeigen: Will die Menschheit die globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent auf 1,5 Grad Celsius beschränken, darf sie, seit dem 1. Januar 2020 gerechnet, nur noch 400 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freisetzen. Das entspricht in etwa jener Menge Kohlendioxid, welche die Staatengemeinschaft im zurückliegenden Jahrzehnt (2010 bis 2019) emittiert hat. Das Guthaben bis zum Zwei-Grad-Ziel beträgt 1150 Milliarden Tonnen. Angesichts aktueller Emissionen von rund 40 Milliarden Tonnen pro Jahr wären beide Budgets bei gleichbleibenden Emissionen bis zum Jahr 2030 beziehungsweise bis 2050 aufgebraucht.
Wie wenig Spielraum uns Menschen noch bleibt, zeigt auch die folgende Statistik: Würde die Menschheit alle im Jahr 2018 bereits in Betrieb befindlichen fossilen Infrastrukturen – also Kohle- und Erdgaskraftwerke, Erdölraffinerien, Hochöfen, Motoren etc. – bis zum Ende ihrer jeweiligen Lebenszeit in gleicher Auslastung weiterlaufen lassen wie bisher, würden in den kommenden Jahrzehnten zusätzliche 660 Milliarden Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Erweitert man diese Rechnung dann auch auf alle im Jahr 2018 geplanten oder im Bau befindlichen Anlagen, kämen noch einmal 187 Milliarden Tonnen Kohlendioxid hinzu. Eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius wäre unter diesen Bedingungen ernsthaft in Gefahr. Ein Verbot neuer Kohle- oder Erdgaskraftwerke wäre somit ein wichtiger Schritt, zukünftige Emissionen zu vermeiden.

Überschuss-Szenario
Als Überschuss-Szenario wird eine Entwicklung bezeichnet, in der die globale Oberflächentemperatur zunächst für einen Zeitraum von einem Jahrzehnt bis mehreren Jahrzehnten über ein definiertes Klimaziel (zum Beispiel 1,5-Grad-Ziel) hinausschießt, im Anschluss aber wieder unter die gesetzte Temperaturgrenze fällt. Letzteres gelingt allerdings nur, wenn die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre tatsächlich sinkt, weil ihr Kohlendioxid entnommen wurde.

Das große Ziel: Treibhausgasneutralität

Die globale Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist mittlerweile kaum noch möglich – zumindest nicht, ohne dabei für einige Jahrzehnte über das Temperaturziel hinauszuschießen (Überschuss-Szenario). Mit großen Anstrengungen aber kann es gelingen, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken. Benötigt werden dazu eine sofortige, tiefgreifende Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen sowie das Erreichen einer sogenannten Netto-Null der Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2050.
Ideen für weitreichende Emissionseinsparungen gibt es für jeden Sektor. Nach Angaben des Weltklimarates ist es auf Grundlage vorhandener Lösungsoptionen möglich, die globalen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Mehr als die Hälfte dieses Einsparpotenzials ließe sich dabei mit Maßnahmen realisieren, deren Kosten sich auf weniger als 20 US-Dollar pro ein gesparter Tonne Kohlendioxid beliefen – ein Fakt, der vor allem für ärmere Länder besonders wichtig ist. Beispiele wären der weltweite Ausbau von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen zur Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Quellen, ein Ende der Waldrodungen und Trockenlegung von Feuchtgebieten, verbesserte Kohlenstoff-Speicherkapazitäten vieler Äcker und Felder durch eine nachhaltige und bodenschonende Landwirtschaft, ein weitgehender Verzicht auf Fleisch, der Bau energieeffizienter Gebäude, der Einsatz alternativer Treibstoffe in der Industrie sowie Maßnahmen zur Eindämmung von Emissionen von Methan.
Ein durchaus realisierbares Programm, könnte man meinen. Tatsächlich aber erfordert eine erfolgreiche Umsetzung einen umfassenden strukturellen und gesellschaftlichen Wandel, einen Umbau und ein Umdenken auf allen Ebenen, einschließlich neuer Vorstellungen darüber, was der Mensch zum Leben braucht (und konsumieren muss) und was nicht. Hinzu kommt: Eine Halbierung der Emissionen wäre nur der erste Schritt
Im Anschluss müsste der Treibhausgasausstoß so weit reduziert werden, dass schnellstmöglich eine Treibhausgasneutralität erreicht würde. Sowohl der Begriff Treibhausgasneutralität als auch die synonym verwandte Bezeichnung Netto-Null der Treibhausgasemissionen beschreiben eine Welt, in der die Menschheit oder auch vereinzelte Akteure wie Staaten und Unternehmen nur noch so viel Treibhausgase freisetzen, wie sie der Erdatmosphäre auch wieder entnehmen können. Fachleute unterscheiden dabei bewusst zwischen den Begriffen Kohlendioxidneutralität (Netto-Null der Kohlendioxidemissionen) und Treibhausgasneutralität (Netto-Null aller Treibhausgasemissionen, einschließlich Kohlendioxid). Der Grund: Klimaphysikalisch betrachtet, ließe sich die globale Oberflächentemperatur stabilisieren, wenn die Menschheit nur noch so viel Kohlendioxid freisetzen würde, wie sie der Atmosphäre auch wieder entnehmen kann, und sie gleichzeitig die Freisetzung kurzlebiger Luftschadstoffe wie Methan und Lachgas auf ein bestimmtes Maß reduzieren würde. Gelänge es ihr dagegen, alle Treibhausgasemissionen auf Netto-Null zu reduzieren, würde die globale Temperatur langfristig sogar leicht sinken. Eine Netto-Null der Kohlendioxidemissionen ist somit die große Grundvoraussetzung für ein Ende der globalen Erwärmung. Mithilfe einer Netto-Null aller Treibhausgasemissionen hingegen würde es sogar gelingen, die Erderwärmung ein kleines Stück zurückzuschrauben.
1.25 > Für alle Bereiche des Lebens gibt es mittlerweile Ansätze, mit denen sich der Treibhausgasausstoß der Menschheit bis zum Jahr 2030 wirksam verringern ließe. Diese Abbildung des Weltklimarates listet die wirksamsten Maßnahmen auf und zeigt, zu welchem Preis die Einsparungen möglich wären. Wichtig dabei: In Einsparungen zu investieren, kostet deutlich weniger, als die Folgen des fortschreitenden Klimawandels zu beheben.
Abb. 1.25: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Figure SPM 7

Methoden zur Kohlendioxid-Entnahme

Die für eine Kohlendioxid-Entnahme infrage kommenden Methoden werden von Fachleuten unter dem Stichwort Carbon Dioxide Removal (CDR, Kohlendioxid-Entnahme) diskutiert und erforscht. Es gibt zwar auch erste Ideen zur Entnahme von Methan. Eine wissenschaftliche Beurteilung ihres Machbarkeitspotenzials ist aber aufgrund fehlender Forschung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich.
Die Bezeichnung CDR umfasst ein ganzes Paket an Verfahren, mit denen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen und anschließend dauerhaft eingelagert werden kann. Als Speicherstätten kommen dabei sowohl der tiefe geologische Untergrund infrage als auch die Ozeane sowie Lagerstätten an Land, hier insbesondere Böden und Vegetation. Eine vierte Option wäre, das entnommene Kohlendioxid für die Herstellung von Produkten aus Kohlenstoff zu nutzen.

Kohlendioxid-Entnahme: Ein Ausgleich für schwer vermeidbare Restemissionen

Klimaforschende gehen davon aus, dass die Staatengemeinschaft selbst bei sehr ambitionierter Klimapolitik auch zur Mitte des 21. Jahrhunderts noch mehrere Milliarden Tonnen Treibhausgas-Restmengen (Kohlendioxid, Methan, Lachgas) emittieren wird. Diese schwer vermeidbaren Restemissionen werden zum Beispiel bei der Zement- und Stahlherstellung, im Flug- und Schwerlasttransport, aber auch in der Landwirtschaft und bei der Müllverbrennung entstehen.
Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, müssen diese Restemissionen durch Methoden zur Kohlendioxid-Entnahme ausgeglichen werden. Dafür gibt es verschiedene Lösungsideen, die entweder auf den Ausbau der natürlichen Kohlenstoffsenken setzen oder aber technologische Ansätze darstellen. Fachleute ordnen die vielen CDR-Methoden vier Kategorien zu:
  • eine Verstärkung der biologischen Kohlendioxidsenken an Land, zum Beispiel durch Wiederaufforstung,
  • eine Verstärkung der biologischen Kohlendioxidsenken im Meer, zum Beispiel durch die Wiederherstellung geschädigter oder abgestorbener Mangrovenwälder und Seegraswiesen,
  • geochemische Verfahren sowie
  • chemische Methoden.

CDR-Definition des Weltklimarates
Als Kohlendioxid-Entnahmeverfahren dürfen nur jene Verfahren bezeichnet werden, bei denen das entnommene Kohlendioxid aus der Atmosphäre stammt, seine anschließende Speicherung dauerhaft erfolgt und die Entnahme ein Resultat menschlichen Handelns ist und demzufolge zusätzlich zu den natürlichen Kohlendioxid-Aufnahmeprozessen der Erde erfolgt ist.

Wichtig ist dabei: Es zählen nur Methoden, bei denen Handlungen des Menschen zu einer verstärkten Kohlendioxidaufnahme aus der Atmosphäre führen. Bäume, die sich auf natürliche Weise irgendwo ansiedeln, Fotosynthese betreiben und Kohlendioxid aufnehmen und binden, dürfen nicht mit in die CDR-Bilanz aufgenommen werden. Die offizielle CDR-Definition des Weltklimarates ist sogar so eng gefasst, dass Ansätze, bei denen Kohlendioxid aus fossilen Quellen an der Emissionsquelle aufgefangen und im Anschluss im Untergrund gespeichert (Carbon Capture and Storage, CCS) oder aber zu Produkten verarbeitet wird (Carbon Capture and Utilisation, CCU), nicht als CDR bezeichnet werden dürfen. Im Zuge dieser wird Kohlendioxid nämlich nicht aus der Atmosphäre entnommen, sondern nur sein Entweichen in dieselbige verhindert.
Einige CDR-Methoden wendet der Mensch seit Jahrhunderten an, wenn auch nicht mit dem Ziel, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen. Dazu gehören das Wiederaufforsten abgeholzter Waldflächen, eine nachhaltige Bewirtschaftung bestehender Waldflächen, der Schutz von Mooren und Feuchtgebieten sowie regenerative Formen der Landwirtschaft, die dazu führen, dass der Humus- oder Kohlenstoffgehalt des Bodens steigt, indem der Atmosphäre Kohlendioxid und andere klimaschädliche kohlenstoffhaltige Verbindungen entzogen und meist in Form von organischem Material (Pflanzenreste, Mist etc.) im Boden eingelagert werden. Zu den bekanntesten Verfahren der Kohlenstoffanreicherung im Boden zählen zum Beispiel der Anbau mehrjähriger Gräser und Leguminosen, verbesserte Fruchtfolgen einschließlich des Anbaus von Zwischenfrüchten, der Eintrag von Kompost und Mist sowie eine reduzierte Bodenbearbeitung.

Aufforstung und Wiederaufforstung
Als „Aufforstung“ bezeichnet der Weltklimarat das Pflanzen von Bäumen auf einem Areal, welches in der Vergangenheit nicht bewaldet war. Man könnte also auch von „Bewaldung“ sprechen. „Wiederaufforstung“ hingegen meint das Pflanzen junger Bäume in einem Gebiet, dessen einstiger Waldbewuchs durch Rodungen, Feuer oder andere menschliche Aktivitäten zerstört worden ist.

Andere CDR-Methoden hingegen sind vergleichsweise neu und dienen einzig und allein dem Ziel, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre zu senken. Gemeint sind Methoden wie das Abscheiden von Kohlendioxid aus der Luft und seine anschließende Einlagerung (Direct Air Carbon Capture and Storage, DACCS) oder aber die Erzeugung von Bioenergie mit anschließender Kohlendioxidabscheidung und -einlagerung (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS). Die Erfahrungen mit und das Wissen über diese Ansätze nehmen zwar zu, noch aber werden sie in einem vergleichsweise kleinen Maßstab eingesetzt.
Des Weiteren unterscheiden sich CDR-Methoden darin, für wie lange das Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen wird. Der mögliche Zeitraum reicht von einigen Jahrzehnten bis zu Jahrmillionen und hängt unmittelbar vom Speicherort ab. Kohlendioxid, das vom Meer aufgenommen oder aber in tief liegenden Gesteinsschichten eingelagert wird, verbleibt dort meist über längere Zeiträume als Kohlendioxid, welches von Wäldern an Land sequestriert wird. Natürliche Speicherstätten an Land sind zudem störungsanfälliger. Feuchtgebiete beispielsweise können trockenfallen, Wälder abbrennen. Im Zuge beider Prozesse würde das Kohlendioxid wieder freigesetzt werden und in die Atmosphäre entweichen. Etwas geringer fällt das Freisetzungsrisiko aus, wenn Bäume gefällt und als langlebiges Bauholz (zum Beispiel als Dachstuhl) verwendet werden oder aber wenn aus abgeschiedenem Kohlendioxid Produkte mit langer Lebensdauer hergestellt werden.
Zu guter Letzt unterscheiden sich die verschiedenen CDR-Methoden darin, in welchem Größenmaßstab sie angewendet werden können, wie viel Kohlendioxid der Atmosphäre mit ihrer Hilfe entnommen werden kann, welche möglichen Risiken und Vorteile ein Einsatz mit sich brächte, welche Kosten im Falle eines großflächigen Einsatzes entstünden und ob die dazu benötigte Technik überhaupt schon entwickelt und einsatzbereit ist. Antworten auf diese und viele andere Fragen sucht die Wissenschaft derzeit in verschiedenen Forschungsprojekten.
1.26 > Auf Island gelingt es bereits in sehr kleinem Maßstab, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen und im Untergrund einzulagern. Dazu wird das abgeschiedene Gas in Frischwasser gelöst und in das vulkanisch-warme Basaltgestein eingeleitet. Dessen Bestandteile reagieren chemisch mit dem Kohlendioxid, sodass es mineralisiert – das heißt, selbst zu Gestein wird.
Abb. 1.26: Arnaldur Halldorsson/Bloomberg via Getty Images

Zusatzinfo Klimaziele:
Fortschritte im Schneckentempo Zusatzinfo öffnen

Kein Ersatz für umfassende Emissionseinsparungen

Angesichts des enormen Tempos, mit dem sich das Klima der Erde mittlerweile verändert, stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr die Frage, ob die Menschheit der Erdatmosphäre Kohlendioxid entnehmen muss, um die globale Erwärmung auf ein für Mensch und Natur erträgliches Minimum zu begrenzen. Die einhellige Antwort darauf lautet Ja! Ungeklärt sind dagegen die Fragen, wie, in welchem Umfang, mit welchen Zielen und unter welchen Rahmenbedingungen die Entnahme erfolgen soll und kann.
Fest steht: Wenn die Menschheit das Pariser Klimaziel erreichen will, dürfen Maßnahmen zur Kohlendioxid-Entnahme niemals als Ersatz für tiefgreifende Emissionsreduktionen dienen. Dafür sei die Menge der einzusparenden Treibhausgasemissionen viel zu groß, sagt der Weltklimarat. Denkbar sei der Einsatz von CDR-Methoden vor allem, um schwer vermeidbare Emissionen auszugleichen. In naher Zukunft ließen sich so die vom Menschen verursachten Netto-Emissionen schneller reduzieren. Langfristig würde CDR der Menschheit helfen, sowohl unvermeidbare Kohlendioxid-Restemissionen auszugleichen als auch die Restemissionen anderer Treibhausgase. Im besten Fall gelänge es eines Tages, sogenannte netto-negative Emissionen zu erzielen. Das heißt, man würde der Atmosphäre mehr Kohlendioxid entnehmen, als an Äquivalenten freigesetzt wird. Als Folge dessen würden die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre und im zweiten Schritt auch die globale Oberflächentemperatur sinken.
Der erste Meilenstein auf diesem Weg aber wäre das Erreichen der Netto-Null-Kohlendioxidemissionen. Das Ziel einer umfassenden Treibhausgasneutralität würde etwa zehn bis 40 Jahre oder aber viel später folgen – abhängig von der Menge der restlichen Treibhausgasemissionen (Methan, Lachgas etc.), die durch die Kohlendioxid-Entnahme ausgeglichen werden müsste.
Für eine globale Netto-Null der Kohlendioxidemissionen müssten auch nicht alle Länder ihre Restemissionen ausgleichen. Wenn es einigen Staaten gelänge, der Atmosphäre mehr Kohlendioxid zu entnehmen, als sie durch Emissionen freisetzen, entstünden sogenannte netto-negative Emissionen, also ein Emissionsguthaben. Andere Staaten könnten dieses Guthaben einlösen. Ihnen bliebe dann etwas mehr Zeit, ihren eigenen Treibhausgasausstoß zu reduzieren, ohne dass die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre und somit auch die globale Durchschnittstemperatur weiter steigen würde.
1.28 > Verfahren zur Kohlendioxid- Entnahme aus der Atmosphäre könnten sowohl an Land als auch im Meer eingesetzt werden. Dieses Schaubild zeigt die verschiedenen Ansätze, gegliedert nach Art der Entnahme und nach anschließendem Speichermedium.
Abb. 1.28: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Chapter 12, Chapter Box 8, Figure 1

Große Bedenken und viele ungeklärte Fragen

Bislang haben nur einige wenige Staaten andere CDR-Methoden als Aufforstung und Wiederaufforstung in ihre Klima-Langfriststrategien aufgenommen. Dennoch herrscht nach Aussage des Weltklimarates vielerorts die Sorge, dass allein die theoretische Möglichkeit und Machbarkeit einer verstärkten Kohlendioxid-Entnahme Regierungen und andere gesellschaftliche Akteure veranlassen könnte, ambitionierte Pläne für Treibhausgaseinsparungen nur halbherzig zu verfolgen oder aber im Kampf gegen den Klimawandel auf Technologien zu setzen, die noch nicht ausreichend entwickelt und erforscht sind.
Eine weitere Befürchtung lautet, dass die Hoffnung auf effektive CDR-Maßnahmen Entscheidungstragende veranlassen könnte, die Herausforderung der drastischen Treibhausgaseinsparungen nicht konsequent anzugehen und sie stattdessen in die Zukunft zu verschieben. Auf diese Weise müssten sich dann kommende Generationen mit dem stetig wachsenden Problem auseinandersetzen. Ungeklärt ist zudem, wie Kosten, Risiken und Lasten großflächiger CDR-Einsätze gleichmäßig verteilt werden könnten und wie sich negative Auswirkungen verhindern ließen – etwa auf die Nahrungsmittelproduktion, auf die Artenvielfalt und auf die Verfügbarkeit von Land.
Gebraucht würden zudem verlässliche und weltweit einheitliche Methoden, mit denen sich eine durch CDR-Maßnahmen erzielte Kohlendioxid-Entnahme und -einlagerung messen, verifizieren und bilanzieren ließen. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt wären, könnte ein transparenter und funktionierender Markt entstehen, auf dem Emissionsguthaben gehandelt und finanzielle Mittel für die Umsetzung von CDR-Maßnahmen generiert werden könnten.
Nach Ansicht des Weltklimarates gilt es noch viele Herausforderungen zu meistern, bevor CDR-Methoden jenseits von Wiederaufforstung großflächig zum Einsatz kommen könnten. Dazu gehören die vielen noch offenen Forschungsfragen, die fehlende technische Entwicklungsreife, hohe Kosten sowie die Tatsache, dass ein möglicher künftiger Einsatz neuartiger CDR-Verfahren auch mit den übergreifenden Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen der Menschheit im Einklang stehen muss. Aus diesem Grund bräuchte es geeignete Gesetze und Vorschriften sowie dazugehörige politische Entscheidungsprozesse, bevor neuartige CDR-Verfahren eingesetzt werden können.
1.29 > Eine aktive Kohlendioxid-Entnahme aus der Atmosphäre wird benötigt, um kurzfristig die Netto-Emissionen des Menschen zu reduzieren, mittelfristig die Ziele der Kohlendioxid- und Treibhausgasneutralität zu erreichen sowie um langfristig die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre durch negative Emissionen zu senken.
Abb. 1.29: nach IPCC, 2022, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. doi:10.1017/9781009157926, Chapter 12, Chapter Box 8, Figure 2

Wie viel CDR wird künftig gebraucht?

Die Wissenschaft untersucht Ansätze und Ideen für den Kampf gegen den Klimawandel mithilfe integrierter Assessment-Modelle (Integrated Assessment Models, IAMs). Diese werden entwickelt, um zu verstehen, wie sich bestimmte gesellschaftliche oder ökonomische Entwicklungen auf die Natur und das Klima auswirken. Aus diesem Grund fließen in jedes dieser Modelle sowohl Informationen zum System Erde als auch zur Gesellschaft ein. Das heißt, die Modelle berücksichtigen Naturgesetze ebenso wie Verhaltensänderungen der Menschen und berechnen auch unerwünschte Nebenwirkungen oder aber beabsichtigte Vorteile bestimmter Maßnahmen und Entscheidungen. Die Modellaussagen sind zwar immer mit einer gewissen Unsicherheit belastet, dennoch liefern IAMs wertvolle Einsichten. Sie zeigen zum Beispiel auf, wie sich unsere Wirtschaft, Gesellschaft und Energieversorgung verändern müssten, wenn ein bestimmtes Klimaziel erreicht werden soll, oder aber welche Effekte bestimmte Emissionsreduktionen für Mensch und Natur hervorrufen würden.
Für den sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates haben Forschende der IPCC-Arbeitsgruppe III Tausende solcher integrierten Assessment-Modelle ausgewertet. Dabei wurde deutlich, dass alle Modelle, die eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius oder weniger prognostizieren, den Einsatz von Methoden zur Kohlendioxid-Entnahme fest mit einplanen – und zwar in einem deutlich größeren Ausmaß als alles, was heutzutage bereits praktiziert wird.
1.30 > Durch Brand­rodungen des Amazonas-Regenwaldes wurde hier, in der Nähe der brasilianischen Stadt Porto Velho, Ackerland für den Anbau von Soja gewonnen. Mit den Wäldern gehen riesige Kohlenstofflagerstätten verloren, denn die Bäume speichern Kohlenstoff sowohl in ihrer Holz- und Blattmasse als auch im Waldboden.
Abb. 1.30: Victor Moriyama/The New York Times/Redux/laif
In welchen Mengen Kohlendioxid künftig der Atmosphäre entnommen werden muss, um das Klima zu stabilisieren, ist noch nicht genau geklärt. Die Modellergebnisse erlauben nur grobe Schätzungen. Diese aber bewegen sich für landbasierte biologische Methoden wie zum Beispiel für Aufforstung und Wiederaufforstung im Bereich von 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid netto im Jahr 2030. Netto bedeutet dabei, dass die Kohlendioxid-Entnahme durch (Wieder-)Aufforstung 900 Millionen Tonnen höher sein muss als die Summe der zur gleichen Zeit entstehenden globalen Landnutzungsemissionen (etwa durch Entwaldung in bestimmten Regionen). Zwei Jahrzehnte später müsste die Netto-Entnahmemenge dann schon fast drei Milliarden Tonnen Kohlendioxid betragen, wenn die globale Erwärmung langfristig auf unter zwei Grad Celsius begrenzt werden sollte. Hinzu kämen ähnlich hohe Kohlendioxid-Entnahmemengen durch die Energiegewinnung aus Biomasse sowie durch Direct Air Capture. Bei beiden Methoden müsste das abgeschiedene Kohlendioxid anschließend irgendwo sicher und dauerhaft eingelagert werden.
Der Weltklimarat kommt angesichts dieser hohen Schätzungen zu dem Schluss, dass bereits existierende Programme zur landbasierten Kohlendioxid-Entnahme massiv und sehr schnell ausgebaut werden müssten. Ob dies im erforderlichen Rahmen gelingen wird, sei jedoch fraglich.
Bislang sind die vom Weltklimarat untersuchten Assessment-Modelle noch nicht in der Lage, meeresgestützte Methoden der Kohlendioxid-Entnahme zu berücksichtigen. Daher liefert der sechste IPCC-Sachstandsbericht auch keine Angaben dazu, in welcher Größenordnung sie zum Erreichen des Pariser Klimaabkommens beitragen könnten. Erste Forscherteams haben es sich jedoch schon zur Aufgabe gemacht, IAMs mit der Komponente meeresbasierter Kohlendioxid-Entnahme zu entwickeln – darunter auch Forschende aus Deutschland. Ihre Arbeitsmotivation speist sich aus der Erkenntnis, dass der Ozean in der Vergangenheit bereits ein Viertel der vom Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen aufgenommen und gespeichert hat – mit weitreichenden Folgen für Mensch und Natur. Textende