Das ungenutzte Klimaschutz- potenzial der Ökosysteme an Land
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WOR 8 Klimaretter Ozean? Wie das Meer (noch) mehr Kohlendioxid aufnehmen soll | 2024

Das ungenutzte Klimaschutz- potenzial der Ökosysteme an Land

Das ungenutzte Klimaschutzpotenzial der Ökosysteme an Land
> Die Ökosysteme an Land speichern deutlich weniger Kohlenstoff als die Meere. Trotzdem können sie einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Dazu muss die Menschheit jedoch bestehende Wälder, Wiesen und Feuchtgebiete schützen, zerstörte Ökosysteme großflächig wiederherstellen und zu nachhaltigen Methoden der Land- und Forstwirtschaft zurückkehren. Wie das gelingen kann, ist längst bekannt. Es fehlt allein der Umsetzungswille.
Wälder, Wiesen und Böden als Kohlenstoffspeicher Abb. 3.12: Aleksandar Georgiev/Getty Images

Wälder, Wiesen und Böden als Kohlenstoffspeicher

> „Bäume pflanzen“ heißt es oft, wann immer gefragt wird, wie die Natur uns Menschen im Kampf gegen die Klimakrise helfen könnte. Die Antwort ist durchaus valide – nur ist sie nicht die einzige. Fachleute kennen mittlerweile Dutzende Verfahren, mit denen der Mensch der Landvegetation und ihren Böden helfen kann, mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen. Voraussetzungen sind jedoch, dass wir sie am richtigen Ort einsetzen, der Natur ausreichend Platz lassen und die Böden schonend behandeln. Nichts davon geschieht bislang im notwendigen Umfang.

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Lösungen, die viel zu selten umgesetzt werden

Im Vergleich zum Ozean stellen die Landlebensräume einen kleinen Kohlenstoffspeicher dar. In den landlebenden Organismen und im Boden sind weniger als ein Zehntel jener Kohlenstoffmenge eingelagert, welche die Meere verwahren. Dennoch spielen die Kohlenstoffbilanzen der Böden und der Landvegetation aus mehreren Gründen eine Schlüsselrolle in der aktuellen Klimakrise.
Die Menschheit trägt seit jeher durch Landnutzungsänderungen zu einem Abbau der Kohlenstofflagerstätten an Land bei. Das geschieht, wo immer Wälder (brand-)gerodet, Feuchtgebiete trockengelegt, natürliche Graslandschaften in Ackerland umgebrochen und Böden durch intensive Landwirtschaft ausgelaugt werden. Bei jeder dieser Tätigkeiten wird organische Substanz zersetzt oder verbrannt, sodass Treibhausgase entstehen und freigesetzt werden. Kohlendioxidemissionen durch Landnutzungsänderungen machen derzeit etwa ein Zehntel der vom Menschen verursachten Gesamt-Kohlendioxidemissionen aus. Hinzu kommen steigende Methan- und Lachgasemissionen aus der Nutztierhaltung sowie infolge des intensiven Einsatzes von Düngemitteln.
Global betrachtet, hat die Menschheit bislang 75 Prozent aller ursprünglichen Landflächen umgestaltet und 85 Prozent der einst existierenden Feuchtgebiete zerstört. Dadurch hat sie nicht nur lokale Klimaprozesse verändert, sondern auch die Fähigkeit der verbleibenden Ökosysteme reduziert, Kohlenstoff aufzunehmen und zu speichern. Ungeachtet dessen stellen die Landvegetation und Böden der Welt noch immer eine Kohlenstoffsenke dar. Das heißt, sie nehmen mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und speichern den enthaltenen Kohlenstoff, als sie durch gegenläufige Prozesse wieder freisetzen.
Diese Eigenschaft bedingt, dass die Landvegetation, hier insbesondere die Wälder, seit dem Jahr 1850 rund 31 Prozent der vom Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen aufgenommen und im Untergrund oder aber in ihrer Biomasse eingelagert hat. Forschende beobachten zudem einen Düngeeffekt der steigenden Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre. Er führt dazu, dass Landpflanzen besser wachsen und in ihrer Gesamtheit stetig mehr Kohlenstoff aufnehmen und einlagern.
Auf Grundlage dieses Wissens wurde eine Reihe an Lösungen entwickelt, mit denen weitere Treibhausgasemissionen durch Landnutzungsänderungen weitgehend verhindert, die Kohlenstoffspeicher der Landsysteme vergrößert und mögliche Restemissionen des Menschen kompensiert werden können.
Im Kern geht es darum, bestehende Wälder, Feuchtgebiete und Graslandschaften zu schützen, zerstörte Ökosysteme und Böden wiederherzustellen, Land- und Forstwirtschaft auf umweltschonende Weise zu betreiben und dabei so viel Biomasse zu produzieren, dass Teile dieser auch für die Bioenergiegewinnung sowie für die Herstellung von Produkten genutzt werden können.
Nicht alle Maßnahmen sind risikolos, und mancherorts ist der Wettbewerb um Landflächen groß. Richtig umgesetzt aber ließen sich mit den bekannten Verfahren etwa 20 bis 30 Prozent jener Treibhausgas-Emissionseinsparungen und Kohlendioxid-Entnahmen erreichen, die bis zum Jahr 2050 benötigt werden, um die globale Erwärmung langfristig auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Bislang aber werden die entsprechenden Maßnahmen in einem viel zu kleinen Rahmen umgesetzt. Der Weltklimarat führt diese Entwicklung auf fehlende Investitionen zurück sowie auf mangelnde politische, institutionelle und gesellschaftliche Unterstützung. Die gelebte Realität steht somit im klaren Widerspruch zu der wissenschaftlichen Erkenntnis, wonach es der Menschheit nur mithilfe gesunder und funktionaler Ökosysteme gelingen kann, die Klima- und Artenkrise zu bewältigen.