Nahrung aus dem Meer
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WOR 7 Lebensgarant Ozean – nachhaltig nutzen, wirksam schützen | 2021

Nahrung aus dem Meer

Nahrung aus dem Meer
> Der Ozean galt lange Zeit als unermessliche Speisekammer. Die Zeiten des Überflusses sind jedoch längst vorbei. Durch Überfischung, Küstenverbauung und den Klimawandel hat der Mensch bereits vielen marinen Arten ihre Lebensgrundlagen genommen. Neue Konzepte für nachhaltige Fischerei und Aquakulturhaltung versprechen Besserung, werden in der Praxis jedoch kaum umgesetzt. Den Preis dafür zahlen am Ende nicht nur die Lebensgemeinschaften der Meere, sondern auch wir Menschen.
Problemzone Fischerei Abb. 3.4: Kevin Gorton/Getty Images;

Problemzone Fischerei

> Sardellen, Thunfisch & Co. gehören mittlerweile zu den am häufigsten gehandelten Nahrungsmitteln und werden in Rekordzahl gefangen. Im Gegenzug steigt die Zahl der überfischten Bestände, weil Fangquoten zu hoch sind und vielerorts illegal gefischt wird. Neue Richtlinien und Technologien haben das Potenzial, Verbrechern das Handwerk zu legen. Damit sich die Fischbestände der Welt aber grundlegend erholen und auch künftig noch ausreichend Nahrung liefern können, bedarf es vor allem eines politischen Willens, Schutzkonzepte flächendeckend umzusetzen.

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Wachstumssektor Aquakultur Abb. 3.23: Adam ­Ferguson/NYT/Redux/laif

Wachstumssektor Aquakultur

> Fast die Hälfte aller weltweit verspeisten Fischereiprodukte stammt mitt- lerweile aus Aquakulturhaltung, wobei nur jeder dritte Fisch oder Krebs im Meer aufgewachsen ist. Der Rest wurde in Süßwasseranlagen gezüchtet. Experten sagen der Nahrungsmittelproduktion im Meer dennoch eine große Zukunft voraus – vorausgesetzt, es gelingt, Nachhaltigkeitskonzepte umzu- setzen und den Umweltfußabdruck der Teich- und Käfighaltung deutlich zu verringern. Ideen, wie das gelingen könnte, gibt es viele.

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Ein Nahrungslieferant am Limit

Ohne Fisch kann die Welt nicht ernährt werden – darin sind sich alle Experten einig. Mehr als 3,3 Mil- liarden Menschen beziehen mindestens ein Fünftel ihres tierischen Eiweißes aus aquatischen Lebens- mitteln. Noch viel höher ist die Bedeutung von Mee- resfisch für die Küstenbevölkerung in Entwicklungs- ländern sowie für die Bewohner kleinerer Insel- staaten. Für viele von ihnen ist Fisch oft die einzige bezahlbare Bezugsquelle tierischen Eiweißes. Unge- achtet dessen aber essen auch die meisten anderen Menschen immer mehr Fisch und Meeresfrüchte. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist seit dem Jahr 1995 von 13,4 Kilogramm Fisch pro Jahr und Erdenbürger auf 20,5 Kilogramm gestiegen.
Ermöglicht haben diesen Anstieg eine intensi- vere Fischerei, vor allem in Seen, sowie ein Ausbau der inländischen und marinen Aquakulturhaltung. Nichtsdestotrotz macht die Meeresfischerei bis heu- te den größten Anteil der Wildfänge aus, denn die internationalen Fangzahlen verharren seit rund 15 Jahren auf sehr hohem Niveau. Welchen Schaden diese intensive Meeresfischerei anrichtet, ist schwer zu quantifizieren, weil die Hälfte der gefangenen Fische aus Beständen stammt, die wissenschaftlich gar nicht überwacht werden. Von den wissenschaft- lich begutachteten Beständen gelten nach FAO- Angaben mittlerweile mehr als ein Drittel als über- fischt. Andere Studien gehen von einer noch höheren Zahl aus, da die FAO-Statistik zum Beispiel illegale, nicht berichtete und unkontrollierte Fischerei nur unzureichend berücksichtigt.
Neue Technologien wie Satellitenüberwachung, automatische Schiffsidentifikationssysteme und Da- tenportale über Fang- und Kühlschiffe erlauben es Kontrolleuren heutzutage, illegale Fischereiaktivitä- ten in einem größeren Umfang aufzudecken. Auch macht Hoffnung, dass dort, wo Bestände nachhaltig und wissenschaftsbasiert verwaltet und Fischereiaktivitäten streng überwacht wurden, sich einst über- fischte Fischpopulationen wieder erholen konnten. Desolat ist dagegen die Situation überall dort, wo kei- ne Kontrolle stattfindet oder Fischereimanagement fernab wissenschaftlicher Empfehlungen betrieben wird; sogar in einigen Teilen der Europäischen Union.
Uneins sind sich Wissenschaftler und Politiker auch in der Frage, welche Rolle die marine Aquakul- tur bei der künftigen Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung spielen kann. Einige Experten ver- weisen auf die theoretische Möglichkeit enormer Produktionssteigerungen; andere wiederum sehen diesen Optimismus kritisch.
In der Vergangenheit haben der Bau und Betrieb von Anlagen zu großräumigen Umweltzerstörungen geführt. Wissenschaft und Industrie arbeiten daher mit Hochdruck an nachhaltigeren Produktionsricht- linien, Technologien und Anlagenkonzepten. Deren Umsetzung oder Einsatz soll die natürlichen Ressour- cen schonen, den Medikamenten- und Chemikalien- einsatz minimieren und das Meer insgesamt weniger belasten. Integrierte oder ökosystembasierte Ansätze mit geschlossenen Nährstoffkreisläufen bieten hier bislang die besten Erfolgsaussichten. Große Hoff- nungen ruhen allerdings auch auf der Großalgen- zucht, dem am schnellsten wachsenden Sektor der Aquakultur. Intensiv geforscht wird außerdem zu Ersatzstoffen, mit denen der Anteil von Fischmehl und Fischöl in Futtermitteln zurückgeschraubt wer- den kann.
Damit sich nachhaltige Unternehmenskonzepte jedoch langfristig durchsetzen können, bedarf es strengerer Auflagen und Kontrollen im Aquakultur- sektor. Gütezeichen wie das ASC-Siegel können dabei unterstützend wirken. Immer lauter aber wer- den auch Forderungen, wonach Fisch und Meeres- früchte wieder seltener auf den Teller kommen sollten. Angesichts des steigenden Fischkonsums weltweit hat der Nahrungslieferant Meer sein Limit nämlich längst erreicht.