Die Verschmutzung der Meere
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WOR 7 Lebensgarant Ozean – nachhaltig nutzen, wirksam schützen | 2021

Die Verschmutzung der Meere

Die Verschmutzung der Meere
> Gezielt vom Menschen eingeleitet oder unbedacht freigesetzt, erreichen Plastikabfall, Arzneimittel, giftige Schwermetalle, Insektizide und Abertausende andere Chemikalien jeden Winkel des Meeres. Die Folgen sind fatal und oftmals tödlich, vor allem für die marinen Organismen. Die einzig gute Nachricht lautet: Internationale Schadstoffverbote zeigen Wirkung. Ohne ein radikales Umdenken in Industrie und Wirtschaft aber wird die Verschmutzungskrise der Ozeane kein Ende finden.
Ein Problem gigantischen Ausmaßes - Abb. 6.3 Eduardo Leal

Ein Problem gigantischen Ausmaßes

> Nach Schätzungen der Vereinten Nationen entsorgt der Mensch pro Jahr rund 400 Millionen Tonnen Schadstoffe im Meer. Spuren dieser steten Dauerbelastung sind mittlerweile in allen Regionen des Weltozeans zu finden – auf entlegenen Inseln und in den Polarregionen ebenso wie in den tiefsten Meeresgräben. Besonderen Schaden richten jene Stoffe an, die sich in der Nahrungskette anreichern – und auf diese Weise sowohl für die Meeresbewohner als auch für den Menschen zur echten Gefahr werden.

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Meere voller Müll und Schadstoffe

Der Weltozean spielt nicht nur eine Hauptrolle in der Klima- und Artenvielfaltskrise der Erde. Er ist auch von der dritten globalen Umweltkrise betroffen, der flächendeckenden Verschmutzung von Land- und Meeresgebieten. Pro Jahr gelangen bis zu 400 Millionen Tonnen Schadstoffe in Seen, Flüsse und letztendlich auch in die Meere – darunter Abertausende Chemikalien, Nährstoffe, Plastik und andere Kunststoffe, giftige Schwermetalle, Arzneimittel, Kosmetikprodukte, Krankheitserreger, radioaktive Substanzen und vieles mehr.
In acht von zehn Fällen stammen im Meer identifizierte Schadstoffe aus Quellen an Land. Sie werden als Industrie- oder Haushaltsabfälle entweder direkt in Gewässer eingeleitet, entweichen aus unzureichend funktionierenden Abwasserkläranlagen, werden vom Regen aus der Luft oder von Feldern und Straßen gewaschen oder sickern aus Müllhalden in unterirdische Wasseradern oder Bachläufe. Müll und Kunststoffe werden außerdem vom Wind ins Meer getragen. Die verbleibenden Schadstoffein­träge erfolgten direkt auf dem Meer, etwa bei der Fischerei und Aquakultur oder bei der Seeschifffahrt.
Wind und Meeresströmungen transportieren Müll und Schadstoffe bis in die unzugänglichsten Regionen des Weltozeans. Spuren der Verschmutzung finden sich sowohl auf entlegenen Inseln als auch im polaren Meereis sowie in tiefen Meeresgräben. Besonders gefährlich für die marinen Lebensgemeinschaften sind jene Umweltgifte, die langlebig sind und sich in den Nahrungsnetzen anreichern. Das gilt unter anderem für die große Gruppe der persistenten organischen Schadstoffe, zu denen viele Pestizide und Industriechemikalien gehören.
Die Folgen einer Kontamination sind mannigfaltig und unterscheiden sich je nach betroffener Art und Schadstoff: Bekannte Umweltgifte verursachen Krankheiten wie Krebs; rufen Missbildungen und Verhaltensänderungen bei Meeresorganismen hervor; beeinträchtigen die Fortpflanzung betroffener Tierarten und führen mitunter zum Tod der kontaminierten Individuen. Besonders belastet mit Umweltgiften sind in der Regel die Räuber aus der höchsten trophischen Ebene. Dazu gehören zum Beispiel Haie, Zahnwale und Robben. Tiere, die mit Plastikmüll in Berührung kommen, laufen Gefahr, sich zu verfangen oder den Kunststoff zu fressen und mit vollem Magen zu verhungern. Mittlerweile sind mindestens 700 Tierarten identifiziert, für die Plastik im Meer eine tödliche Bedrohung darstellen kann.
Mithilfe verschiedener internationaler Abkommen sowie überregionaler und nationaler Regelungen versucht die Staatengemeinschaft, den Eintrag von Schadstoffen in das Meer zu begrenzen. Das Verbot ausgewählter persistenter organischer Schadstoffe durch das Stockholmer Übereinkommen beispielsweise zeigt auch Wirkung: Die Konzentration dieser Umweltgifte im Meer sinkt. In vielen anderen Fällen aber stehen Politik und Wissenschaft vor dem Problem, dass Aufsichtsbehörden zum Teil nicht immer darüber informiert sind, welche Chemikalien in weitverbreiteten Produkten verwendet werden und welche Auswirkungen diese Inhaltsstoffe haben, sollten sie eines Tages ins Meer gelangen. Risikoanalysen, die für ein Verbot gefährlicher Stoffe benötigt werden, sind in vielen Fällen erst möglich, wenn bereits viel zu große Mengen dieser Stoffe in die Umwelt eingetragen wurden und die Forschung den Zusammenhang zwischen Schadstoffeintrag und Störung der Ökosysteme nachweisen kann.
Ein Ende der Verschmutzungskrise der Meere ist erst in Sicht, wenn ein Großteil der Haushalte und Unternehmen weltweit an eine funktionierende Abwasser- und Abfallentsorgung angeschlossen ist, Umweltgifte und kohlenstoffbasierte Kunststoffe durch biologisch abbaubare Alternativen ersetzt wurden und Chemikalien und Plastik nur noch in geschlossenen Kreislaufsystemen zum Einsatz kommen.