Wirkung des Klimawandels auf Methanhydrate
Wie das Methan ins Meer gelangt
Kohle, Erdgas und Erdöl verfeuert man seit mehr als hundert Jahren. Methanhydrate hingegen werden erst seit Kurzem als zukünftige Energiequelle aus dem Meerzukünftige Energiequelle aus dem Meerkontrovers diskutiert. Sie stellen ein neues, bislang völlig ungenutztes Reservoir fossiler Energieträger dar, denn sie enthalten, wie der Name andeutet, gigantische Mengen von dem, woraus auch Erdgas besteht: Methan. Methanhydrate gehören zu den sogenannten Clathraten. Das sind Substanzen, bei denen ein Molekültyp eine kristallartige Käfigstruktur ausbildet und darin einen anderen Molekültyp einschließt. Ist das käfigbildende Molekül Wasser, spricht man von Hydrat. Ist das im Wasserkäfig eingeschlossene Molekül ein Gas, spricht man von Gashydrat – in diesem Fall von Methanhydrat. Methanhydrate bilden sich nur unter ganz bestimmten physikalischen, chemischen und geologischen Bedingungen. Hohe Wasserdrücke und tiefe Temperaturen sind die besten Voraussetzungen für die MethanhydratentstehungMehr Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in:Methanhydratentstehung. Ist das Wasser hingegen warm, muss der Wasserdruck sehr hoch sein, um die Wassermoleküle in den Clathratkäfig zu pressen. Das Hydrat bildet sich in diesem Fall nur in großen Tiefen. Ist das Wasser sehr kalt, so können sich Methanhydrate unter Umständen auch schon bei sehr geringen Wassertiefen oder sogar bei atmosphärischem Druck bilden. Im offenen Ozean mit einer durchschnittlichen Wassertemperatur von 2 bis 4 Grad Celsius am Meeresboden entstehen Methanhydrate schon ab einer Wassertiefe von ungefähr 500 Metern.Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in:
- 2.16 > Wie ein Stück Eis sieht Methanhydrat aus, wenn man es vom Meeresgrund holt. Dieser Brocken wurde während einer Expedition zum sogenannten Hydratrücken vor der Küste des US-Staates Oregon an Bord gebracht.
- Überraschenderweise findet man in den tiefsten Meeresregionen der Erde, den Gebieten mit den höchsten Drücken, trotzdem kein Methanhydrat, weil hier kaum Methan zur Verfügung steht. Der Grund: Im Ozean wird Methan von Mikroben im Meeresboden erzeugt, die organisches Material zersetzen, das aus der lichtdurchfluteten Zone nahe der Wasseroberfläche herabsinkt. Es besteht unter anderem aus Überresten abgestorbener Algen und Tiere sowie deren Exkrementen. In den tiefsten Bereichen des Ozeans, unterhalb von etwa 2000 bis 3000 Metern, kommen am Meeresboden kaum noch organische Überreste an, denn der Großteil wird bereits auf seinem Weg durch die Wassersäule von anderen Organismen abgebaut. Als Daumenregel gilt, dass nur etwa 1 Prozent des an der Oberfläche produzierten organischen Materials tatsächlich bis in die Tiefsee gelangt. Je tiefer der Meeresboden liegt, desto weniger Biomasse landet am Boden. Methanhydrate kommen daher vor allem an den Kontinentalhängen vor, jenen Gebieten, in denen die Kontinentalplatten in die Tiefseeebenen übergehen. Hier sinkt ausreichend Biomasse zu Boden, und auch das Zusammenspiel von Temperatur und Druck stimmt. In sehr kalten Regionen wie der Arktis kommen Methanhydrate sogar auf dem flachen Kontinentalschelf (in weniger als 200 Metern Wassertiefe) oder auch an Land im Permafrostboden vor, jenen tiefgefrorenen arktischen Böden, die selbst im Sommer nicht auftauen.
- 2.17 > Methanhydratvorkommen gibt es in allen Ozeanen und auch an Land. Die grünen Punkte zeigen die Vorkommen in den nördlichen Permafrostgebieten. Mit Rot sind Vorkommen gekennzeichnet, die mithilfe geophysikalischer Methoden identifiziert wurden. Die blau markierten Vorkommen wurden durch direkte Beprobung nachgewiesen.
- Man schätzt, dass in den Methanhydraten mehr fossiler Brennstoff enthalten sein kann als in den klassischen Energieträgern Kohle, Erdöl und Erdgas. Je nach Rechenmodell schwanken die Kalkulationen der Vorkommen derzeit zwischen 100 und 530 000 Gigatonnen Kohlenstoff. Wahrscheinlicher sind Werte zwischen 1000 und 5000 Gigatonnen. Das ist in etwa 100- bis 500-mal mehr Kohlenstoff, als jährlich durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in die Atmosphäre freigesetzt wird. Bei einem künftigen Abbau wäre vermutlich nur ein Teil der Gashydrate tatsächlich als Energiequelle nutzbar, da viele Lagerstätten Lagerstättenunerreichbar sind oder weil eine mögliche Förderung zu teuer oder technisch zu aufwendig ist. Trotzdem beschäftigen sich Indien, Japan, Korea und andere Nationen derzeit mit der Entwicklung von Abbautechniken, um Methanhydrate in Zukunft als Energiequelle nutzen zu können (Kapitel 7).Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in:
2.18 > In Hydraten ist das Gas (große Kugel) in einen Käfig aus Wassermolekülen eingesperrt. Fachleute bezeichnen derartige molekulare Anordnungen als Clathrate.
Methanhydrate und die globale Erwärmung
Bedenkt man, dass sich Methanhydrate nur unter ganz bestimmten Bedingungen bilden, ist es durchaus vorstellbar, dass eine globale Erwärmung und damit eine Erwärmung der Ozeane die Stabilität von Gashydraten beeinflussen kann. Es gibt Indizien in der Erdgeschichte, die darauf hinweisen, dass Klimaänderungen in der Vergangenheit zur Auflösung von Methanhydraten und damit zur Freisetzung von Methan geführt haben könnten. Diese Indizien, beispielsweise Messungen von Methangehalten in Eiskernbohrungen, werden allerdings immer noch kontrovers diskutiert. Dennoch ist das Thema nicht vom Tisch und beschäftigt die Wissenschaftler heute umso mehr, wenn es darum geht, mögliche Auswirkungen von Temperaturerhöhungen auf die derzeitigen Methanhydratvor kommen abzuschätzen. Methan ist ein starkes Treibhausgas – in seiner Wirkung als Molekül ungefähr 20-mal so stark wie Kohlendioxid. Eine verstärkte Freisetzung aus den Meeren in die Atmosphäre könnte den Treibhauseffekt weiter ankurbeln. Es muss daher dringend untersucht werden, wie stabil die Methanhydrate in Abhängigkeit von Temperaturschwankungen sind und wie sich das Methan nach seiner Freisetzung verhält. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die künftige Entwicklung abzuschätzen, insbesondere die mathematische Modellierung.
2.19 > Gashydrate kommen dort vor, wo viel Biomasse zu Boden sinkt und zugleich niedrige Temperaturen und hohe Drücke herrschen – insbesondere an den Kontinentalhängen. Je höher die Wassertemperatur ist, desto größere Tiefen und Drücke sind für die Bildung des Hydrats nötig. In sehr großer Tiefe jedoch ist die Temperatur im Meeresboden aufgrund der Erdwärme so hoch, dass sich keine Methanhydrate mehr bilden können.
Die Oxidation Viele Bakterien nutzen Methan als Energielieferant ihres Stoffwechsels. Sie nehmen Methan auf und wandeln es chemisch um. Das Methan gibt dabei Elektronen ab. Es wird oxidiert. Manche Bakterien bauen das Methan mithilfe von Sauerstoff ab. Man spricht dann von aerober Oxidation. Andere Bakterien benötigen keinen Sauerstoff. Die Oxidation ist anaerob.
- Computermodelle errechnen zunächst die Methanhydratvorkommen anhand von Hintergrunddaten (Anteil von orga-nischem Material im Meeresboden, Druck, Temperatur). Anschließend wird im Computer die Erwärmung des Meerwassers simuliert – beispielsweise um 1, 3 oder 5 Grad Celsius pro 100 Jahre. So kann man feststellen, wie sich die Methanhydrate in verschiedenen Gebieten verhalten. Natürlich lässt sich die Berechnung der Methanhydratvorkommen auch mit komplizierten mathematischen Klima- und Ozeanmodellen koppeln. Man erreicht damit eine realistischere Abschätzung der Entwicklung der Wassertemperatur, die ins Methanhydratmodell eingespeist wird. Dank dieser Computermodelle bekommt man eine vage Vorstellung davon, wie stark sich die Methanhydrate bei den verschiedenen Temperaturerhöhungen auflösen würden. Heute nimmt man an, dass im schlimmsten Fall bei einer gleichmäßigen Erwärmung des Ozeans um 3 Grad Celsius circa 85 Prozent des im Meeresboden enthaltenen Methans in die Wassersäule freigesetzt werden könnten. Andere, sensitivere Modelle sagen voraus, dass Methanhydrate in größeren Wassertiefen nicht durch Erwärmungen gefährdet sind. Gemäß diesen Modellen sind vor allem Methanhydrate betroffen, die sich unmittelbar an der Stabilitätsgrenze befinden. Hier würde schon eine Temperaturerhöhung von nur 1 Grad Celsius ausreichen, um größere Mengen Methan aus den Hydraten zu lösen. Betroffen sind vor allem Methanhydrate im offenen Ozean, die in etwa 500 Metern Wassertiefe liegen, und die in den flachen Bereichen der Arktis lagernden Methanhydrate. Erwartet wird im Zuge der Erderwärmung auch, dass durch das Abschmelzen der Polkappen und des Gletschereises der Meeresspiegel steigt. Damit erhöht sich zwangsläufig auch der Druck am Meeresboden. Diese Druckerhöhung wird allerdings nicht ausreichen, um einer Auflösung der Methanhydrate durch Temperaturerhöhungen effektiv entgegenzuwirken. Nach neuesten Berechnungen könnte selbst ein Meeresspiegelanstieg um 10 Meter die durch eine Erwärmung um 1 Grad Celsius bewirkte Methanhydratauflösung lediglich um ein paar Jahrzehnte verlangsamen. Es gibt eine Fülle mathematischer Modelle, mit denen man die Folgen der Erderwärmung abzuschätzen versucht. Entsprechend unterschiedlich sind die Simulationsergebnisse. Es ist daher schwierig, die Folgen der globalen Erwärmung auf die Gashydratvorkommen exakt abzuschätzen – nicht zuletzt wegen der großen Schwankungen in den Berechnungen zur Größe der heutigen Gashydratvorkommen. Ein Ziel aktueller Gashydratforschung ist es, diese Modelle durch immer genauere Eingabeparameter zu optimieren. Hierfür sind weitere Messungen, Expeditionen, Bohrungen und Analysen nötig.
Methanhydrat schmilzt – was dann?
Es ist nicht gesagt, dass alles Methan, welches aus instabilen Methanhydraten freigesetzt wird, auch in die Atmosphäre gelangt. Der überwiegende Teil dürfte bereits während des Aufstiegs im Sediment und in der Wassersäule abgebaut werden. Dieser Abbau geschieht vor allem durch zwei biologische Prozesse:- die anaerobe Methanoxidation durch Bakterien und Archeen (früher als Urbakterien bezeichnet) im Meeresboden;
- die aerobe Methanoxidation durch Bakterien in der Wassersäule.
- Die Grundvoraussetzung für einen solchen Abbau ist, dass sich die Methanmoleküle im Wasser lösen. Nur in dieser Form ist Methan für die Bakterien überhaupt nutzbar. Sollte Methan jedoch schnell aus den Hydraten freigesetzt werden, könnte es in Form von Gasblasen aufsteigen, die für die Mikroorganismen nicht verwertbar sind. Der mikrobielle Methanfilter würde also zum Teil versagen, wenn sich die Methanhydrate allzu schnell auflösen und auf einen Schlag große Mengen Methan frei werden. Ebenso problematisch sind geringe Wassertiefen, weil sich die Methanblasen auf dem kurzen Weg vom Meeresboden zur Atmosphäre nicht vollständig im Wasser lösen können. Um solche Prozesse besser zu verstehen und Vorhersagen über die Funktion des mikrobiellen Filters machen zu können, untersuchen Forscher derzeit natürliche Methanquellen am Meeresgrund, die sehr viel Methan freisetzen, die kalten Quellen (cold seeps). Dazu zählen oberflächennahe Gashydratvorkommen, Schlammvulkane und natürliche Gasquellen in flachen Meeresregionen. Diese natürlichen Quellen sind eine Art Modell, an dem man untersuchen kann, wie sich das Methan im Meer verhält. Versteht man, wie die Natur auf diese Methanflüsse aus dem Meeresboden reagiert, lässt sich besser abschätzen, wie sich die Auflösung großer Gashydratmengen auswirkt. Die an den Methanquellen gewonnenen Daten sollen auch dazu beitragen, mathematische Methanhydrat-Simulationen präziser zu machen.
- 2.20 > Nicht nur am Meeresboden, auch auf dem Festland sind Methanhydrate in großen Mengen gespeichert. Vor allem in den dauerhaft tiefgefrorenen Permafrostböden der russischen Tundra wie hier in der russischen Republik Komi. Experten fürchten, dass die Permafrostböden durch die globale Erwärmung schmelzen und dabei das Methanhydrat freisetzen.
- Das Schwinden der MethanhydrateSchwinden der Methanhydratekönnte durchaus fatale Folgen haben. Gashydrate wirken wie Zement, der die Poren zwischen den feinen Sedimentpartikeln verkittet und den Meeresboden stabilisiert. Lösen sich die Methanhydrate auf, verliert der Boden an Festigkeit. Im schlimmsten Fall können riesige Sedimentpakete an den Kontinentalhängen abrutschen und an den Küsten schwere Tsunamis auslösen. Derartige Hangrutschungen haben sich bereits vermutlich während der letzten Eiszeit ereignet. Der Auslöser war allerdings nicht die Erwärmung der Atmosphäre, sondern das genaue Gegenteil. Weil viel Wasser als Eis gebunden war, lag der Meeresspiegel um etwa 120 Meter tiefer als heute. Gerade in den flachen Meeresgebieten war der Wasserdruck dadurch so niedrig, dass sich die Methanhydrate massenhaft zersetzten. Einen unmittelbaren Beleg für Rutschungen, die durch Gashydratzersetzung ausgelöst wurden, hat man bisher indes nicht gefunden. Doch man kennt Indizien, die darauf hinweisen. So gibt es in der Nähe von Abrisskanten fast immer Spuren von Gas- und Flüssigkeitstransporten. Möglicherweise sind diese Hänge also durch strömende Methangas- und Flüssigkeitsmengen destabilisiert worden. Forscher sehen aber durchaus auch einen umgekehrten Bezug: So ist es denkbar, dass sich Methanhydrate erst durch Hangrutschungen und die dadurch bedingte Druckentlastung am Boden zersetzen. Erst dadurch würden große Mengen Gas frei werden. Die Hangrutschung wäre also Ursache und nicht Folge des Gasaustritts. Eine weitere Theorie besagt, dass Hangrutschungen in der Vergangenheit auch durch eine verstärkte Sedimentation von Meeresorganismen am Kontinentalhang ausgelöst worden sein könnten. Diese Untersicherheiten machen klar, dass noch erheblicher Forschungsbedarf besteht. Dennoch gilt es als wahrscheinlich, dass das Schwinden der Methanhydrate zu ernsten Problemen führen könnte.Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in:
Methanemissionen aus der Arktis – ein Exempel für die künftige Gashydratforschung
Bei der Erforschung von Methanemissionen gehört die Arktis heute zu den wichtigsten Regionen weltweit. So wird vermutet, dass Methan dort zum einen in Form von Gashydraten im Meer vorkommt, zum anderen als im tiefgefrorenen Permafrostboden eingeschlossenes Gas an Land. Als besonders sensibel gelten die Methanlager im Permafrostboden und die Hydrate in den ausgedehnten flachen Schelfmeerbereichen, da aufgrund des geringen Drucks schon kleinste Temperaturerhöhungen große Mengen von Methanhydrat oder Methan freisetzen könnten. Zusätzlich entsteht permanent neues Methan, weil die arktischen Gebiete reich an organischem Material sind, das von den Mikroben abgebaut wird. Die Aktivität dieser Mikroben, und damit die biologische Freisetzungsrate von Methan, wird ebenfalls durch Temperaturerhöhungen angekurbelt. Die Methanemissionen in der Arktis haben also gleich mehrere Quellen. Derzeit bilden sich internationale wissenschaftliche Konsortien mit Forschern verschiedener Disziplinen – Chemiker, Biologen, Geologen, Geophysiker, Meteorologen –, die sich intensiv mit dem Problem beschäftigen. Noch kann niemand mit Bestimmtheit sagen, wie sich der Methanausstoß in der Arktis mit der Erderwärmung entwickeln wird – sowohl im Meer als auch an Land. Noch steht die Forschung am Anfang.