- Mehr Kohlenstoffeinlagerung in Wiesen und Wäldern des Meeres?
- > Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven- und Tangwälder wachsen auf weit weniger als einem Prozent der Ozean- und Küstenfläche, tragen aber erheblich zur natürlichen Einlagerung von Kohlenstoff im Meeresboden bei. Pläne, diese Küstenlebensräume auszubauen, um ihre natürliche Aufnahme von Kohlendioxid zu verstärken, werden aber voraussichtlich nur in ausgewählten Meeresregionen zum erhofften Erfolg führen. Lohnen können sie sich aus vielen Gründen aber dennoch.
Küstenökosysteme: Marine Kohlenstoffsenke mit unverzichtbaren Zusatzleistungen
Vegetationsreiche Küstenökosysteme wie Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven- und Tangwälder gehören zu den Schlüsselakteuren im Kohlenstoffkreislauf des Meeres. Die Pflanzengemeinschaften verantworten zusammengenommen mindestens 30 Prozent des im Meeresboden eingelagerten organischen Kohlenstoffs.
Ihre Kohlenstoffeinlagerung erfolgt nach einem festen Schema: Die Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf und wandeln den darin enthaltenen Kohlenstoff in Biomasse um. Diese wird im Anschluss im Wurzelwerk eingelagert (Tange ausgeschlossen) oder sammelt sich im Laufe der Zeit in Form abgestorbener Äste, Blätter oder Halme am Meeresboden an. Herabsinkende Sedimente begraben die Pflanzenreste, aber auch diverses anderes organisches Material in der Folge unter sich und schließen es luftdicht ab. Unter diesen Bedingungen können die Tier- und Pflanzenreste nicht zersetzt werden. Stattdessen bilden sie Kohlenstofflagerstätten im Meeresboden, die größer sind als die unterirdischen Kohlenstoffspeicher der Wälder an Land und so lange erhalten bleiben, wie die Salzmarschen, Seegraswiesen und Mangrovenwälder gedeihen – im Idealfall viele Tausend Jahre.
Aus dieser klimarelevanten Eigenschaft der Meereswiesen und -wälder leiten sich zwei Schlussfolgerungen ab. Erstens: Wer bestehende Meereswiesen und -wälder schützt, verhindert den Zerfall ihrer Kohlenstofflager und damit die Freisetzung großer Mengen Treibhausgase. Zweitens: Es besteht die Hoffnung, durch das Anpflanzen neuer Pflanzengemeinschaften oder durch Wiederherstellen geschädigter Küstenökosysteme deren natürliche Aufnahme von Kohlendioxid derart zu verstärken, dass unvermeidbare Treibhausgasemissionen des Menschen ausgeglichen werden können.
Wie groß das Kohlendioxid-Entnahmepotenzial der Küstenökosysteme ist, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert, denn noch immer fehlt wichtiges Grundlagenwissen – etwa zur Frage, wie viel Kohlenstoff einzelne Küstenökosysteme speichern. Vieles deutet darauf hin, dass es von Ort zu Ort große Unterschiede in der Kohlenstoffeinlagerung gibt, die in erster Linie auf die lokalen Standortbedingungen zurückzuführen sind. Neuanpflanzungen mit dem Ziel einer zusätzlichen Kohlendioxid-Entnahme machen daher nur in jenen Regionen Sinn, in denen optimale Wachstums- und Einlagerungsbedingungen gegeben sind.
Es wäre jedoch falsch, Entscheidungen zur Wiederherstellung oder zu einer möglichen Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme allein auf Grundlage ihres Kohlenstoff-Entnahmepotenzials zu fällen. Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven- und Tangwälder offerieren eine lange Liste existenzieller Zusatzleistungen. Sie produzieren Sauerstoff, reinigen das Wasser, bieten Lebensraum und Nahrung für Tiere und Pflanzen, bremsen Wellen und Strömungen, schützen die Küsten vor Erosion und versorgen Abermillionen Menschen rund um den Erdball mit Essen, Holz und Verdienstmöglichkeiten unterschiedlicher Art.
Investitionen in ihren Schutz und die Wiederherstellung zerstörter Meereswiesen und -wälder generieren somit einen doppelten Nutzen. Sie helfen, Emissionen auszugleichen, und verbessern die Lebensbedingungen für Mensch und Meeresbewohner. Ob geplante Vorhaben allerdings auch von Erfolg gekrönt sind, hängt nicht nur davon ab, ob sie fachmännisch konzipiert und umgesetzt werden. Eine entscheidende Rolle spielt auch, ob die lokale Bevölkerung in die Planung und alle wichtigen Entscheidungsprozesse eingebunden wird. Ohne ihre Unterstützung, so zeigen Erfahrungen aus vielen Teilen der Welt, sind Restaurationsprojekte auf dem Land wie im Meer zum Scheitern verurteilt.