Methanhydrat
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WOR 3 Rohstoffe aus dem Meer – Chancen und Risiken | 2014

Die Förderung

Methanhydrat – eine neue Energiequelle?

> Vor allem für Staaten, die heute den Großteil ihres Energieverbrauchs durch den Import von Gas, Kohle und Öl decken, sind Methanhydrate in den eigenen Hoheitsgewässern eine vielversprechende Energiequelle. Noch aber gibt es keine Technik, mit der sich die Hydrate industriell fördern lassen. Nach erfolgreichen Probebohrungen an Land treibt man jetzt insbesondere in Südostasien erste Forschungsprojekte im Meer voran.

Abb. 3.7 > Japan und Südkorea gehören 2011 zu den 10 größten Nettogasimporteuren weltweit, also jenen Nationen, die deutlich mehr Erdgas importieren müssen, als sie selbst produzieren und exportieren können. Japan und Korea führen den Rohstoff per Schiff ein. Gashydrate in den eigenen Hoheitsgewässern wären eine Alternative. Die Abkürzung bcm steht für 1 Milliarde Kubikmeter. © IEA 3.7 > Japan und Südkorea gehören 2011 zu den 10 größten Nettogasimporteuren weltweit, also jenen Nationen, die deutlich mehr Erdgas importieren müssen, als sie selbst produzieren und exportieren können. Japan und Korea führen den Rohstoff per Schiff ein. Gashydrate in den eigenen Hoheitsgewässern wären eine Alternative. Die Abkürzung bcm steht für 1 Milliarde Kubikmeter.

Ein Ausweg aus der Abhängigkeit?

Wirtschaftlich betrachtet, sind die weltweiten Methanhydratvorräte allein schon wegen ihrer Größe interessant. Besonders attraktiv sind Methanhydrate für jene Staaten, die kaum über eigene fossile Rohstoffe verfügen und diese für viel Geld importieren müssen. So deckt beispielsweise Japan seinen Energiebedarf zum großen Teil durch Öl-, Kohle- und Gasimporte. Dieses Land war bereits vor dem Unfall im Atomkraftwerk Fukushima ein großer Energieimporteur. Mit dem Abschalten der japanischen Atomkraftwerke nach dem Unglück hat sich die Abhängigkeit von den Importen aber noch verstärkt. Alle Energierohstoffe werden per Schiff nach Japan transportiert, das Erdgas in Form von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG). Da die Verflüssigung und der Transport teuer sind, sind die Gaspreise in Japan besonders hoch. Dort kostet Erdgas rund 4-mal so viel wie in den USA. Vergleichbar ist die Situation in Südkorea, das mehr als 90 Prozent der benötigten fossilen Energieträger importiert, neben Erdgas insbesondere Kohle für die Stromerzeugung. Große Stromverbraucher sind dort die Stahlerzeugung sowie die Chip- und Elektronikindustrie. Auch für andere Regionen in Südostasien wie zum Beispiel Taiwan oder Vietnam wären Methanhydrate ein Ausweg aus der Abhängigkeit von Energieimporten.

Erste Schritte zum Abbau der Methanhydrate

Ob und wie sich Methanhydrate künftig fördern lassen, wird seit gut 10 Jahren in internationalen Projekten untersucht. Die Wissenschaftler wollen zunächst herausfinden, ob sich das Methan überhaupt in großen Mengen aus den Hydraten lösen lässt und welche Methode dafür am besten geeignet ist. Der Abbau von Methanhydrat unterscheidet sich fundamental von der Erdgas- und Erdölgewinnung. Erdgas und Erdöl strömen von selbst durch die Poren der Lagerstätten zur Bohrung hin. Die Hydrate hingegen sind fest und müssten zunächst zersetzt werden, bevor man das Methangas überhaupt absaugen kann. Für die zukünftige Gewinnung von Methan lassen sich die folgenden drei Verfahren unterscheiden:

Spülung mit Wasser: Über eine Bohrung wird heißes Wasser in die Methanhydratlagerstätte eingepumpt und die Temperatur damit so stark erhöht, dass sich das Hydrat zersetzt und das Methan frei wird.

Druckentlastung: In den Methanhydratlagern herrschen hohe Drücke, weil auf ihnen Wasser und Sedimente lasten. Bohrt man die Lagerstätten von oben an, verringert sich der Druck wie in einem Fahrradschlauch bei einem Loch. Durch diese Druckentlastung zerfällt das Hydrat langsam. Das Methan wird frei.

Injektion von Kohlendioxid: Methan lässt sich aus Hydraten lösen, wenn man diese mit Kohlendioxid begast. Das Kohlendioxid verdrängt das Methan aus dem Clathrat und schlüpft selbst in den Molekülkäfig. Dabei geht das Kohlendioxid eine festere Bindung mit den Wassermolekülen ein als das Methan. Das Kohlendioxidhydrat ist also wesentlich stabiler als das Methanhydrat. Nach den Plänen der Forscher soll für die Injektion in Zukunft Kohlendioxid genutzt werden, das man in Gas- und Kohlekraftwerken aus dem Abgas abtrennt. So gelangt das Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre, sondern wird in flüssiger Form per Schiff oder Pipeline zur Lagerstätte transportiert und dann in den Hydraten gespeichert.
3.8 > Methanhydrat lässt sich auflösen, indem man heißes Wasser einpresst (a) oder mithilfe von Pumpen den Druck im Bohrloch verringert (b). Pumpt man Kohlendioxid ins Hydrat (c), verdrängen die Kohlendioxidmoleküle das Methan. In diesem Fall zerfällt das Hydrat nicht.
Abb. 3.8 > Methanhydrat lässt sich auflösen, indem man heißes Wasser einpresst (a) oder mithilfe von Pumpen den Druck im Bohrloch verringert (b). Pumpt man Kohlendioxid ins Hydrat (c), verdrängen die Kohlendioxidmoleküle das Methan. In diesem Fall zerfällt das Hydrat nicht. © maribus
In der Vergangenheit wurden verschiedene Projekte durchgeführt, mit denen Forscher und Industrieunternehmen zunächst untersuchten, ob sich Methanhydrat mit diesen Methoden tatsächlich in industriellem Maßstab fördern lässt. Erste Produktionstests wurden vor etwa 10 Jahren im Permafrostboden des Mackenzie-Flussdeltas in Nordwestkanada von Partnern aus Japan, Kanada und Deutschland durchgeführt. Sie gelten als Meilensteine, weil hier wichtige Erkenntnisse für die künftige Methanhydratförderung gewonnen wurden. So zeigte sich beispielsweise, dass das Druckentlastungsverfahren einfacher und auch billiger als die Spülung mit Heißwasser ist. Darüber hinaus wurden Filter entwickelt und getestet, die die Sedimente zurückhalten, die in der Tiefe wegen des hohen Drucks ins Bohrloch drängen. Zwar sind Sandfilter in der Gas- und Ölindustrie längst etabliert, für die Förderung von Methanhydraten aber gab es bis dato noch keine Patentlösung. In den Jahren 2011 und 2012 führte ein japanisch-US-amerikanisches Industriekonsortium mit Unterstützung durch das US-Energieministerium (United States Department of Energy, DOE) im Permafrostboden von Nordalaska das Ignik-Sikumi-Projekt durch. Hier wurde erstmals außerhalb des Labors unter natürlichen Bedingungen der Austausch von Kohlendioxid und Methan erprobt. Schon nach wenigen Tagen war das eingebrachte Kohlendioxid im Hydrat fixiert. Für mehrere Wochen konnte dann fast reines Methangas gefördert werden. Die Gasausbeute war dabei größer, als mathematische Modelle dies vorhergesagt hatten. Anfang 2013 schließlich wurde erstmals ein Feldversuch im Meer durchgeführt. In einem Meeresbecken 80 Kilometer vor der japanischen Küste, im Nankai-Trog, förderten japanische Forscher über eine Bohrung eine Woche lang Methan aus einer Wassertiefe von 1000 Metern an die Oberfläche. Das Gashydrat wurde dabei durch Druckentlastung zersetzt. Japan hat sich jetzt das Ziel gesetzt, 2018 eine erste große Pilotförderanlage in Betrieb zu nehmen. Die für den Dauerbetrieb erforderliche Technik muss aber noch entwickelt werden.

Abb. 3.9 > Mit dem Forschungsschiff „Chikyu“ bohrten japanische Forscher im Februar 2012 südlich der Atsumi-Halbinsel nach Methan- hydraten. im Jahr darauf förderte das Schiff ganz in der Nähe erstmals Methan durch eine Probebohrung an die Meeresoberfläche. © Kyodo/Reuters 3.9 > Mit dem Forschungsschiff „Chikyu“ bohrten japanische Forscher im Februar 2012 südlich der Atsumi-Halbinsel nach Methanhydraten. im Jahr darauf förderte das Schiff ganz in der Nähe erstmals Methan durch eine Probebohrung an die Meeresoberfläche.

Aller Anfang ist schwer

Ganz gleich, welches Verfahren man künftig für die Methangewinnung wählt, für alle gilt, dass die Förderrate entscheidend davon abhängt, wie schnell sich das Hydrat im Untergrund zersetzt. Experimente im Labor und die Probebohrungen im Freiland zeigen, dass alle Verfahren heute noch schnell an ihre Grenzen stoßen oder entscheidende Nachteile haben:
  • Die Spülung mit Wasser verbraucht große Mengen an Energie, was sie eher unwirtschaftlich macht.
  • Bei der Druckentlastung schwächt sich der Hydratzerfall mit der Zeit von selbst ab. Das hat mehrere Gründe: Erstens erhöht das Methangas, das sich beim Zerfall der Hydrate bildet, den Druck in der Lagerstätte, was den weiteren Zerfall der Hydrate erschwert. Zweitens werden durch den Zerfall der Hydrate Wassermoleküle frei. Dadurch süßt die Lagerstätte aus, was wiederum den Hydratabbau chemisch behindert. Drittens ist Energie nötig, um die Clathrate aufzulösen und die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Molekülen zu zerstören. Chemiker sprechen von einer endothermen, Energie zehrenden, Reaktion. Da diese Energie in Form von Wärme aus der Umgebung aufgenommen wird, kühlt sich die Umgebung ab. Auch das wirkt dem Zerfall der Hydrate entgegen.
  • Das Injektionsverfahren wiederum läuft noch zu langsam ab. Verschiedene Forschergruppen versuchen daher, den Austausch von Kohlendioxid und Methan zu beschleunigen. Erste Erfolge gibt es bereits: Der Austausch von Kohlendioxid und Methan läuft schneller ab, wenn das CO2 als warmes, überkritisches Fluid in die Lagerstätte eingebracht wird. Gegenüber der Druckentlastung hat das Injektionsverfahren den Vorteil, dass beim Austausch von Kohlendioxid und Methan etwas Wärme frei wird, die den Zersetzungsprozess aufrechterhält. Dieses Verfahren wird zurzeit von deutschen Forschern weiterentwickelt.

Asien engagiert sich besonders

Welche dieser Methoden künftig für eine Förderung in industriellem Maßstab am besten geeignet ist, ist derzeit ungewiss. Deshalb fließt weiterhin viel Geld in die Forschung. Bisher wurde weltweit fast 1 Milliarde US-Dollar in die Gashydratforschung investiert. Japan und Südkorea nehmen dabei eine Vorreiterrolle ein. In den kommenden Jahren werden diese beiden Staaten weitere Fördertests am Meeresboden durchführen. Auch in Taiwan, China, Indien, Vietnam und Neuseeland werden große Anstrengungen unternommen, um die heimischen Gashydratvorkommen im Meeresboden zu erschließen.

Kritischer Punkt Setzt man ein Gas unter hohen Druck, verflüssigt es sich für gewöhnlich. Erhöht man den Druck und zugleich die Temperatur, erreicht das Gas hingegen eine Art Zwitterzustand zwischen gasförmig und flüssig. Fachleute bezeichnen diesen als kritischen Punkt eines Gases. Das Gas wandelt sich in ein Fluid. Erhöht man Druck oder Temperatur weiter, spricht man vom überkritischen Zustand beziehungsweise überkritischen Fluid. Dieses überkritische Fluid ist besonders reaktionsfreudig. Überkritisches CO₂ beispielsweise reagiert intensiv mit den Methanhydraten, sodass schnell viel Methan freigesetzt wird.

Die Suche geht weiter

Derzeit ist es das Ziel der Energiekonzerne und Wissenschaftler, vielversprechende Areale am Meeresboden genauer auf Methanhydratvorkommen zu untersuchen. Interessant sind Gebiete, in denen die Druck- und Temperaturverhältnisse günstig sind und in denen zugleich mächtige Sedimente vorkommen. Fachleute unterscheiden bei der Erkundung von Bodenschätzen allgemein zwei verschiedene Phasen: die Prospektion und die Exploration. Die Prospektion ist die Suche nach noch unbekannten Lagerstätten. Daran schließt sich die Exploration an, die genaue Untersuchung und Erschließung der gefundenen Lagerstätten und Rohstoffvorkommen. Nur wenn die Exploration zeigt, dass sich eine ausreichende Rohstoffmenge abbauen lässt, beginnt man mit der Erschließung. Areale wie das Ulleung-Becken vor Südkorea und der Nankai-Trog vor Japan sind bereits weitgehend exploriert. In den meisten anderen Gebieten wie etwa den Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) von China, Indien, Neuseeland oder Taiwan wird derzeit noch prospektiert. Für die Prospektion und Exploration von Methanhydratlagerstätten kommen heute sowohl etablierte Verfahren aus der Gas- und Ölindustrie als auch neue Technologien zum Einsatz, die in den vergangenen 5 Jahren unter anderem in einem deutschen Verbundprojekt entwickelt wurden, in dem rund 20 Partner aus Hochschulen und der Industrie zusammenarbeiten.

Zusatzinfo Von der Kunst, in weichen Sedimenten zu bohren

Erst die Suche ...

Folgende etablierte und neue Verfahren und Messinstrumente werden derzeit für die Prospektion von Methanhydraten eingesetzt:

COMPUTERSIMULATION: Seit vielen Jahren setzt man in der Gas- und Ölförderung Simulationsprogramme ein, mit denen sich am Computer ermitteln lässt, in welchen Meeresgebieten mit hoher Wahrscheinlichkeit Gas- und Ölvorräte vorkommen. Diese Programme berücksichtigen bei der Berechung unter anderem, wie stark sich in den verschiedenen Meeresgebieten im Laufe von Jahrmillionen Plankton zu Sedimenten abgelagert hat, wie mächtig die Schichten sind und welche Drücke und Temperaturen in der Tiefe herrschen. Die Simulationen liefern einen ersten Hinweis darauf, wo sich eine weitere Prospektion mit Forschungsschiffen lohnen könnte. Deutsche Wissenschaftler und ein Softwarehersteller haben gemeinsam in den vergangenen 5 Jahren ein bewährtes Computerprogramm für die Gas- und Ölindustrie um ein Simulationsmodul für Methanhydrat erweitert. Dieses neu entwickelte Modul berücksichtigt die besonderen, für die Bildung von Methanhydrat erforderlichen Umgebungsbedingungen und gibt wichtige Hinweise auf mögliche, bislang unentdeckte Hydratvorkommen.

FÄCHERECHOLOT: Mit diesem neuen akustischen Gerät lassen sich Methangasblasen aufspüren, die durch natürliche Lecks aus Methanlagerstätten ins Meer austreten. Es wird unter dem Schiff befestigt und sendet Ultraschallstrahlen fächerartig aus. So kann es mehrere Hundert Meter breite Streifen am Meeresboden scannen. Die Herausforderung beim Einsatz dieser Geräte besteht unter anderem darin, die Reflexionssignale der Bläschen von zahlreichen Störsignalen im Echolotbild zu trennen. Dazu wurde von den beteiligten Wissenschaftlern eine spezielle Software entwickelt. Das Fächerecholotsystem lässt sich in einer frühen Phase der Prospektion einsetzen. Die detektierten Methangasblasen im Wasser geben einen ersten Hinweis darauf, dass sich im Sediment Methanhydrate befinden.
3.11 > Bei der 3-D-Seismik werden mehrere parallele Streamerketten hinter dem Schiff hergezogen. Da die Empfänger jeweils leicht versetzt aus unterschiedlichen Winkeln Signale vom Meeresboden empfangen, ergibt sich insgesamt ein räumliches Bild des Bodens.
Abb. 3.11 > Bei der 3-D-Seismik werden mehrere parallele Streamerketten hinter dem Schiff hergezogen. Da die Empfänger jeweils leicht versetzt aus unterschiedlichen Winkeln Signale vom Meeresboden empfangen, ergibt sich insgesamt ein räumliches Bild des Bodens. © Geometrics/Craig Lippus/VP Seismic Division
METHANSENSOR: Lange Zeit gab es kein Messverfahren, mit dem sich die Methankonzentration direkt im Meerwasser bestimmen ließ. Forscher mussten Wasserproben aus verschiedenen Meerestiefen an Bord ziehen und im Labor untersuchen. Seit Kurzem aber ist ein versenkbares Minilabor von der Größe einer Tapetenrolle auf dem Markt. Dieses saugt das Meerwasser ein und ermittelt die Methankonzentration direkt im Meer. Die Messdaten werden über ein Kabel zum Schiff übertragen. Der Sensor ergänzt das Fächerecholot, weil er die Methankonzentration in der Tiefe sehr viel genauer bestimmen kann.

MEHRKANALSEISMIK: Bei seismischen Verfahren werden mit Airguns (Luftpulser) akustische Wellen erzeugt, die in den Meeresboden eindringen und dort von verschiedenen Schichten unterschiedlich stark reflektiert oder gebrochen werden. Empfänger, die an einem hinter dem Schiff hergezogenen, häufig mehrere Kilometer langen Messkabel montiert sind, sogenannte Streamer, nehmen die reflektierten Wellen auf. Die Daten aller Empfänger (Kanäle) werden dann zu einem Abbild des Meeresbodens verrechnet. Sind Abstände von 12 Metern bei der Anordnung der Empfänger in der Öl- und Gasprospektion durchaus ausreichend, so wurden für die Suche nach Methanhydratvorkommen Streamer entwickelt, in denen die Empfänger nur 1,5 Meter Abstand haben. Diese sorgen für eine höhere Auflösung und ermöglichen es, den Meeresboden in einem feineren Raster abzubilden. Auch die Mehrkanalseismik wird in der frühen Phase der Prospektion eingesetzt. Mit ihr lässt sich unter anderem der Bottom Simulating Reflector (BSR, den Meeresboden simulierender Reflektor) aufspüren. Dabei handelt es sich um eine starke Reflexion der akustischen Wellen, die im seismischen Bild als auffällige helle Schicht zu erkennen ist. Dieser Effekt tritt in verschiedenen Typen von Sedimenten auf. Im Fall der Methanhydrate wird die starke Reflexion durch freies Methangas unterhalb der Gashydratstabilitätszone erzeugt. HIer ist die Temperatur zu hoch, als dass sich Methanhydrat bilden könnte. Deshalb sammelt sich dort Methangas, das aus den Tiefen des Sediments aufsteigt. Da es eine sehr viel geringere Dichte als das Methanhydrat beziehungsweise das umgebende Sediment hat, hebt es sich in den seismischen Bilddaten als BSR deutlich von den anderen Schichten ab.
3.12 > Bei der Mehrkanalseismik erzeugen Airguns (Luftpulser) Schallwellen, die im Meeresboden an verschiedenen Schichten unterschiedlich reflektiert werden. Die Reflexionen werden von Empfängern wahrgenommen, die am Meeresboden verankert sind (Bodenseismometer) oder an einer Messkette (Streamer) hinter einem Schiff hergezogen werden. Mit tief geschleppten Streamern lassen sich seismische Bilder mit besonders hoher Auflösung gewinnen.
Abb. 3.12 > Bei der Mehrkanalseismik erzeugen Airguns (Luftpulser) Schallwellen, die im Meeresboden an verschiedenen Schichten unterschiedlich reflektiert werden. Die Reflexionen werden von Empfängern wahrgenommen, die am Meeresboden verankert sind (Bodenseismometer) oder an einer Messkette (Streamer) hinter einem Schiff hergezogen werden. Mit tief geschleppten Streamern lassen sich seismische Bilder mit besonders hoher Auflösung gewinnen. © Geomar
TIEF GESCHLEPPTE STREAMER: Um eine höhere Auflösung des seismischen Bildes zu erreichen, kann man Streamer auch in einem geringeren Abstand zum Meeresboden durchs Wasser ziehen, beispielsweise 100 Meter über dem Meeresboden. Der Vorteil: Durch die Nähe zum Boden haben die Streamer einen Weitwinkelblick in den Boden. Dadurch können sie sogar schräg unter harte Bakterienkrusten blicken, die sich auf natürliche Weise in manchen Meeresgebieten bilden. Solche bakteriellen Krus­ten sind für seismische Wellen für gewöhnlich undurchdringlich.

3-D-SEISMIK: Sobald es erste Anzeichen auf mögliche Methanhydratvorkommen gibt, setzt man Systeme ein, mit denen man die Tiefe und Breite der Lagerstätten im Meeresboden dreidimensional erfassen kann. Bei diesen 3-D-Systemen schleppt man mehrere parallel angeordnete Streamer hinter dem Schiff her. Da die einzelnen Streamerketten aus leicht unterschiedlichen Winkeln in den Meeresboden blicken, liefern sie in der Summe einen räumlichen Eindruck. Die Auflösung der Systeme, die in den vergangenen 5 Jahren entwickelt wurden, ist beachtlich: Sie bilden den Meeresboden bis in eine Tiefe von 500 Metern in einem 3-mal-3-Meter-Raster ab. Damit lässt sich eine Lagerstätte wie eine große Blase abbilden. Mit solchen 3-D-Verfahren lassen sich darüber hinaus sowohl Brüche in der Lagerstätte erkennen, durch die Methan austreten kann, als auch große Methangasblasen in der Nähe solcher Brüche detektieren. Außerdem liefert die 3-D-Seismik wichtige Informationen darüber, wo es sich lohnt, während der späteren Explorationsphase Bodenproben zu nehmen.

... dann die Erforschung

Durch die Prospektion wird zunächst geklärt, ob in einem bestimmten Gebiet überhaupt Methanhydratlagerstätten existieren. Ist man fündig geworden, beginnt die Exploration, die genaue Untersuchung dieser Meeresgebiete. Mit Explorationsmethoden kann man recht gut abschätzen, wie viel Methan oder Methanhydrat in einer Lagerstätte vorhanden ist. Folgende Verfahren und Hilfsmittel werden derzeit für die Exploration der Methanhydrate eingesetzt:

BOHRKERNE: Eine klassische Methode für die Exploration von Bodenschätzen ist die Entnahme von Bohrkernen. Von einem Forschungsschiff aus werden mit einem Bohrgestänge aus einer Sedimenttiefe von vielen Hundert Metern Bohrkerne entnommen. Diese langen Bohrkerne von der Dicke einer Dachrinne werden an Bord des Forschungsschiffs in mehrere Meter lange Abschnitte zerteilt und später im Labor an Land auf Einschlüsse von Methanhydraten untersucht. Mit speziellen druckregulierten Bohrgeräten, die hohe Drücke aufrechterhalten können, wenn die Methanhydratprobe nach oben gefördert wird, kann verhindert werden, dass sich das Methanhydrat zersetzt, bevor man den Bohrkern analysieren kann.

OZEANBODENSEISMOMETER: Ozeanbodenseismometer (OBS) arbeiten wie herkömmliche Seismometer. Die Empfänger befinden sich aber nicht in einem Streamer, sondern sitzen auf dem Meeresboden. Dadurch können größere Beobachtungsreichweiten erzielt werden. Schallwellen durchwandern Strukturen mit verschiedenen Dichten unterschiedlich schnell. In dichten Strukturen wie etwa Methanhydraten werden die Wellen beschleunigt. Weniger dichte Strukturen wie etwa schlammiges Sediment oder Gasblasen hingegen werden von den Wellen langsamer durchwandert. Aus den Verzögerungen der reflektierten Wellen errechnet das Bodenseismometer­system ein Abbild des Meeresbodens. Da die Geräte eine größere Reichweite erfassen als ein Streamer können sie Signale aus größerer Tiefe aufnehmen. Der Rekord liegt derzeit bei 12 Kilometern. Bodenseismometer sollen 2014 vor Korea zum Einsatz kommen.
Abb. 3.13 > Methan- hydratbrocken in einem Bohrkern © Anonymous/picture alliance/ASSOCIATED PRESS 3.13 > Methan­hydrat­brocken in einem Bohrkern
ELEKTROMAGNETIK: Seit gut 10 Jahren werden in der Gas- und Ölindustrie auch elektromagnetische Systeme eingesetzt. Diese senden wie die Antenne eines Rundfunksenders elektromagnetische Impulse aus. Ähnlich wie die Schallwellen beim Bodenseismometer werden die elektromagnetischen Signale von verschiedenen Bodenstrukturen unterschiedlich stark verändert. Das physikalische Prinzip ist aber ein anderes. Das System macht sich zunutze, dass verschiedene Substanzen elektromagnetische Impulse unterschiedlich gut leiten. Schlecht leitende Substanzen erzeugen einen Widerstand. Flüssigkeiten wie zum Beispiel Wasser hingegen leiten sehr gut. Diese unterschiedlichen Widerstände beziehungsweise Leitfähigkeiten im Boden nimmt das System sehr genau wahr. Mit elektromagnetischen Verfahren lässt sich daher exakt feststellen, wie viel Methangas frei im Sediment unterhalb der GHSZ oder in den Hydraten enthalten ist. Doch die Methode hat auch Nachteile. Erstens breitet sich die elektromagnetische Welle, anders als der gerichtete Knall von Airguns, kreisförmig aus. Die Leitfähigkeitsmesswerte und damit auch die Methanvorkommen lassen sich daher nur schlecht lokalisieren. Zudem werden die elektromagnetischen Impulse schnell abgeschwächt. Sie können nicht so tief in den Meeresboden eindringen wie Schallwellen. In den vergangenen 5 Jahren wurde deshalb ein mathematisches Verfahren entwickelt, das Elektromagnetik und Seismik miteinander verknüpft. Dieses sogenannte Joint-Inversion-Verfahren nutzt damit die Stärken beider Verfahren: die sehr gute räumliche Auflösung des Bodenseismometers und die präzisen Leitfähigkeitsmesswerte der elektromagnetischen Systeme, die Aufschluss über den Methangehalt geben. Dank Joint-In­version lassen sich Methanhydratlagerstätten damit sehr viel besser als bisher einschätzen. Vor Taiwan soll das Joint-Inversion-Verfahren 2014 zum Einsatz kommen, um die Bildung von Gashydraten zu erforschen. Diese Insel ist besonders interessant, weil sie sich an einer Subduktionszone befindet, in der methanhaltiges Wasser aus dem Sediment gepresst wird. Bis heute ist noch ungeklärt, wie groß die Menge an Methan ist, die in den Subduktionszonen frei wird. Das erschwert die Abschätzung der weltweiten Hydratmengen. Eine genaue Analyse der Subduktionszonen vor Taiwan und der Methanmengen, die dort freigesetzt werden, könnte dabei helfen, die Vorkommen künftig genauer zu berechnen. Textende