Meer und Chemie
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WOR 1 Mit den Meeren leben - ein Bericht über den Zustand der Weltmeere | 2010

Methanhydrate

Wirkung des Klimawandels auf Methanhydrate

> Weltweit lagern gigantische Mengen Methan in Form fester Methanhydrate am Meeresgrund. Diese Hydrate sind eine große Energiereserve für die Menschheit. Doch durch die Klimaerwärmung könnten sich die Hydrate auflösen. Das Methan, ein potentes Klimagas, würde ungenutzt in die Atmosphäre entweichen und könnte den Klimawandel sogar noch anheizen.

Wie das Methan ins Meer gelangt

Kohle, Erdgas und Erdöl verfeuert man seit mehr als hundert Jahren. Methanhydrate hingegen werden erst seit Kurzem als zukünftige Energiequelle aus dem Meer
zukünftige Energiequelle aus dem Meer
kontrovers diskutiert. Sie stellen ein neues, bislang völlig ungenutztes Reservoir fossiler Energieträger dar, denn sie enthalten, wie der Name andeutet, gigantische Mengen von dem, woraus auch Erdgas besteht: Methan. Methanhydrate gehören zu den sogenannten Clathraten. Das sind Substanzen, bei denen ein Molekültyp eine kristallartige Käfigstruktur ausbildet und darin einen anderen Molekültyp einschließt. Ist das käfigbildende Molekül Wasser, spricht man von Hydrat. Ist das im Wasserkäfig ein­geschlossene Molekül ein Gas, spricht man von Gashydrat – in diesem Fall von Methanhydrat. Methanhydrate bilden sich nur unter ganz bestimmten physikalischen, chemischen und geologischen Bedingungen. Hohe Wasserdrücke und tiefe Temperaturen sind die besten Vo­­­­raus­­setzungen für die Methanhydratentstehung
Methanhydratentstehung
. Ist das Wasser hingegen warm, muss der Wasserdruck sehr hoch sein, um die Wassermoleküle in den Clathratkäfig zu pressen. Das Hydrat bildet sich in diesem Fall nur in großen Tiefen. Ist das Wasser sehr kalt, so können sich Methanhydrate unter Umständen auch schon bei sehr geringen Wassertiefen oder sogar bei atmosphärischem Druck bilden. Im offenen Ozean mit einer durchschnittlichen Wassertemperatur von 2 bis 4 Grad Celsius am Meeresboden entstehen Methanhydrate schon ab einer Wassertiefe von ungefähr 500 Metern.
2.16 > Wie ein Stück Eis sieht Methanhydrat aus, wenn man es vom Meeresgrund holt. Dieser Brocken wurde während einer Expedition zum sogenannten Hydratrücken vor der Küste des US-Staates Oregon an Bord gebracht.
2.16 > Wie ein Stück Eis sieht Methanhydrat aus, wenn man es vom Meeresgrund holt. Dieser Brocken wurde während einer Expedition zum sogenannten Hydratrücken vor der Küste des US-Staates Oregon an Bord gebracht. © dpa Picture-Alliance/MARUM
Überraschenderweise findet man in den tiefsten Meeresregionen der Erde, den Gebieten mit den höchsten Drücken, trotzdem kein Methanhydrat, weil hier kaum Methan zur Verfügung steht. Der Grund: Im Ozean wird Methan von Mikroben im Meeresboden erzeugt, die organisches Material zersetzen, das aus der lichtdurchfluteten Zone nahe der Wasseroberfläche herabsinkt. Es besteht unter anderem aus Überresten abgestorbener Algen und Tiere sowie deren Exkrementen. In den tiefsten Bereichen des Ozeans, unterhalb von etwa 2000 bis 3000 Metern, kommen am Meeresboden kaum noch organische Überreste an, denn der Großteil wird bereits auf seinem Weg durch die Wassersäule von anderen Organismen abgebaut. Als Daumenregel gilt, dass nur etwa 1 Prozent des an der Oberfläche produzierten organischen Materials tatsächlich bis in die Tiefsee gelangt. Je tiefer der Meeresboden liegt, desto weniger Biomasse landet am Boden. Methanhydrate kommen daher vor allem an den Kontinentalhängen vor, jenen Gebieten, in denen die Kontinentalplatten in die Tiefseeebenen übergehen. Hier sinkt ausreichend Biomasse zu Boden, und auch das Zusammenspiel von Temperatur und Druck stimmt. In sehr kalten Regionen wie der Arktis kommen Methanhydrate sogar auf dem flachen Kontinentalschelf (in weniger als 200 Metern Wassertiefe) oder auch an Land im Permafrostboden vor, jenen tiefgefrorenen arktischen Böden, die selbst im Sommer nicht auftauen.
2.17 > Methanhydratvorkommen gibt es in allen Ozeanen und auch an Land. Die grünen Punkte zeigen die Vorkommen in den nördlichen Permafrostgebieten. Mit Rot sind Vorkommen gekennzeichnet, die mithilfe geophysikalischer Methoden identifiziert wurden. Die blau markierten Vorkommen wurden durch direkte Beprobung nachgewiesen.
2.17 > Methanhydratvorkommen gibt es in allen Ozeanen und auch an Land. Die grünen Punkte zeigen die Vorkommen in den nördlichen Permafrostgebieten. Mit Rot sind Vorkommen gekennzeichnet, die mithilfe geophysikalischer Methoden identifiziert wurden. Die blau markierten Vorkommen wurden durch direkte Beprobung nachgewiesen. 
    © maribus (nach Kvenvolden und Lorenson, 1993)
Man schätzt, dass in den Methanhydraten mehr fossiler Brennstoff enthalten sein kann als in den klassischen Energieträgern Kohle, Erdöl und Erdgas. Je nach Rechenmodell schwanken die Kalkulationen der Vorkommen derzeit zwischen 100 und 530 000 Gigatonnen Kohlenstoff. Wahrscheinlicher sind Werte zwischen 1000 und 5000 Gi­­­­gatonnen. Das ist in etwa 100- bis 500-mal mehr Kohlenstoff, als jährlich durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in die Atmosphäre freigesetzt wird. Bei einem künftigen Abbau wäre vermutlich nur ein Teil der Gashydrate tatsächlich als Energiequelle nutzbar, da viele Lagerstätten
Lagerstätten
unerreichbar sind oder weil eine mögliche Förderung zu teuer oder technisch zu aufwendig ist. Trotzdem be­schäftigen sich Indien, Japan, Korea und andere Nationen derzeit mit der Entwicklung von Abbautechniken, um Methanhydrate in Zukunft als Energiequelle nutzen zu können (Kapitel 7).
2.18 > In Hydraten ist das Gas (große Kugel) in einen Käfig aus Wassermolekülen eingesperrt. Fachleute bezeichnen derartige molekulare Anordnungen als Clathrate. 
    © maribus 2.18 > In Hydraten ist das Gas (große Kugel) in einen Käfig aus Wassermolekülen eingesperrt. Fachleute bezeichnen derartige molekulare Anordnungen als Clathrate.

Methanhydrate und die globale Erwärmung

Bedenkt man, dass sich Methanhydrate nur unter ganz bestimmten Bedingungen bilden, ist es durchaus vorstellbar, dass eine globale Erwärmung und damit eine Erwärmung der Ozeane die Stabilität von Gashydraten beeinflussen kann. Es gibt Indizien in der Erdgeschichte, die darauf hinweisen, dass Klimaänderungen in der Vergangenheit zur Auflösung von Methanhydraten und damit zur Freisetzung von Methan geführt haben könnten. Diese Indizien, beispielsweise Messungen von Methangehalten in Eiskernbohrungen, werden allerdings immer noch kontrovers diskutiert. Dennoch ist das Thema nicht vom Tisch und beschäftigt die Wissenschaftler heute umso mehr, wenn es darum geht, mögliche Auswirkungen von Temperaturerhöhungen auf die derzeitigen Methanhydratvor kommen abzuschätzen. Methan ist ein starkes Treibhausgas – in seiner Wirkung als Molekül ungefähr 20-mal so stark wie Kohlendioxid. Eine verstärkte Freisetzung aus den Meeren in die Atmosphäre könnte den Treibhaus­effekt weiter ankurbeln. Es muss daher dringend untersucht werden, wie stabil die Methanhydrate in Abhängigkeit von Temperaturschwankungen sind und wie sich das Methan nach seiner Freisetzung verhält. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die künftige Entwicklung abzuschätzen, insbesondere die mathematische Modellierung.
2.19 > Gashydrate kommen dort vor, wo viel Biomasse zu Boden sinkt und zugleich niedrige Temperaturen und hohe Drücke herrschen – insbesondere an den Kontinentalhängen. Je höher die Wassertemperatur ist, desto größere Tiefen und Drücke sind für die Bildung des Hydrats nötig. In sehr großer Tiefe jedoch ist die Temperatur im Meeresboden aufgrund der Erdwärme so hoch, dass sich keine Methanhydrate mehr bilden können. © maribus (nach IFM-GEOMAR)

2.19 > Gashydrate kommen dort vor, wo viel Biomasse zu Boden sinkt und zugleich niedrige Temperaturen und hohe Drücke herrschen – insbesondere an den Kontinentalhängen. Je höher die Wassertemperatur ist, desto größere Tiefen und Drücke sind für die Bildung des Hydrats nötig. In sehr großer Tiefe jedoch ist die Temperatur im Meeresboden aufgrund der Erdwärme so hoch, dass sich keine Methanhydrate mehr bilden können.

Die Oxidation Viele Bakterien nutzen Methan als Energielieferant ihres Stoffwechsels. Sie nehmen Methan auf und wandeln es chemisch um. Das Methan gibt dabei Elektronen ab. Es wird oxidiert. Manche Bakterien bauen das Methan mithilfe von Sauerstoff ab. Man spricht dann von aerober Oxidation. Andere Bakterien benötigen keinen Sauerstoff. Die Oxidation ist anaerob.

Computermodelle errechnen zunächst die Methanhydratvorkommen anhand von Hintergrunddaten (Anteil von or­­ga-ni­­schem Material im Meeresboden, Druck, Temperatur). Anschließend wird im Computer die Erwärmung des Meerwassers simuliert – beispielsweise um 1, 3 oder 5 Grad Celsius pro 100 Jahre. So kann man feststellen, wie sich die Methanhydrate in verschiedenen Gebieten verhalten. Natürlich lässt sich die Berechnung der Methanhydratvorkommen auch mit komplizierten mathematischen Klima- und Ozeanmodellen koppeln. Man erreicht damit eine realistischere Abschätzung der Entwicklung der Wassertemperatur, die ins Methanhydratmodell eingespeist wird. Dank dieser Computermodelle bekommt man eine vage Vorstellung davon, wie stark sich die Methanhydrate bei den verschiedenen Temperaturerhöhungen auflösen würden. Heute nimmt man an, dass im schlimmsten Fall bei einer gleichmäßigen Erwärmung des Ozeans um 3 Grad Celsius circa 85 Prozent des im Meeresboden enthaltenen Methans in die Wassersäule freigesetzt werden könnten. Andere, sensitivere Modelle sagen voraus, dass Methanhydrate in größeren Wassertiefen nicht durch Er­­wärmungen gefährdet sind. Gemäß diesen Modellen sind vor allem Methanhydrate betroffen, die sich unmittelbar an der Stabilitätsgrenze befinden. Hier würde schon eine Temperaturerhöhung von nur 1 Grad Celsius ausreichen, um größere Mengen Methan aus den Hydraten zu lösen. Betroffen sind vor allem Methanhydrate im offenen Ozean, die in etwa 500 Metern Wassertiefe liegen, und die in den flachen Bereichen der Arktis lagernden Methanhydrate. Erwartet wird im Zuge der Erderwärmung auch, dass durch das Abschmelzen der Polkappen und des Gletscher­eises der Meeresspiegel steigt. Damit erhöht sich zwangsläufig auch der Druck am Meeresboden. Diese Druckerhöhung wird allerdings nicht ausreichen, um einer Auflösung der Methanhydrate durch Temperaturerhöhungen effektiv entgegenzuwirken. Nach neuesten Berechnungen könnte selbst ein Meeresspiegelanstieg um 10 Meter die durch eine Erwärmung um 1 Grad Celsius bewirkte Methanhydratauflösung lediglich um ein paar Jahrzehnte verlangsamen. Es gibt eine Fülle mathematischer Modelle, mit denen man die Folgen der Erderwärmung abzuschätzen versucht. Entsprechend unterschiedlich sind die Simulationsergebnisse. Es ist daher schwierig, die Folgen der globalen Erwärmung auf die Gashydratvorkommen exakt abzuschätzen – nicht zuletzt wegen der großen Schwankungen in den Berechnungen zur Größe der heutigen Gashydratvorkommen. Ein Ziel aktueller Gashydratforschung ist es, diese Modelle durch immer genauere Eingabeparameter zu optimieren. Hierfür sind weitere Messungen, Expeditionen, Bohrungen und Analysen nötig.

Zusatzinfo Bakterien verarbeiten Methan

Methanhydrat schmilzt – was dann?

Es ist nicht gesagt, dass alles Methan, welches aus instabilen Methanhydraten freigesetzt wird, auch in die Atmosphäre gelangt. Der überwiegende Teil dürfte bereits während des Aufstiegs im Sediment und in der Wassersäule abgebaut werden. Dieser Abbau geschieht vor allem durch zwei biologische Prozesse:
  • die anaerobe Methanoxidation durch Bakterien und Archeen (früher als Urbakterien bezeichnet) im Meeresboden;
  • die aerobe Methanoxidation durch Bakterien in der Wassersäule.
Bei der anaeroben Methanoxidation im Meeresboden nutzen die Mikroben für den Methanabbau Sulfat (SO42–), das Salz der Schwefelsäure, das im Meerwasser in großen Mengen vorhanden ist. Dabei wird Methan in Bikarbonat (HCO3) umgewandelt. Reagiert das Bikarbonat weiter mit Kalziumionen (Ca2+) im Meerwasser, entsteht Kalziumkarbonat (CaCO3), Kalk, der lange Zeit im Meeresboden ge-speichert bleibt. Das wäre der Idealfall, denn damit würde das potente Treibhausgas Methan (CH4) unschädlich gemacht. Gleichzeitig entsteht aus dem Sulfat Schwefelwasserstoff (H2S), der vielen Lebensgemeinschaften wie etwa Muscheln und Röhrenwürmern mit symbiontischen Bakterien als Energiequelle dient. Bei der aeroben Oxidation in der Wassersäule bauen Bakterien das Methan hingegen mithilfe von Sauerstoff (O2) ab. Dabei entsteht Kohlendioxid, welches sich im Wasser löst. Auch hier wird Methan unschädlich gemacht, indem es in eine andere Form umgewandelt wird. Diese chemische Umwandlung ist allerdings durchaus problematisch. Zum einen, weil sich das Kohlendioxid im Wasser löst und Kohlensäure bildet und damit zur Versauerung der Ozeane beiträgt. Zum anderen, weil bei der aeroben Methanoxidation Sauerstoff verbraucht wird. Dadurch könnten im Meer sauerstoffarme Zonen entstehen, was eine Gefahr für Fische und andere sensible Lebewesen wäre. Grobe Abschätzungen gehen davon aus, dass die anaerobe und aerobe Methan­oxidation zusammen circa 90 Prozent des im Meeresboden produzierten Methans verbrauchen, bevor es die Atmosphäre erreichen kann. Dabei sind die Mikroben umso effektiver, je langsamer das Methan durch den Meeresboden oder durch die Wassersäule wandert.
Die Grundvoraussetzung für einen solchen Abbau ist, dass sich die Methanmoleküle im Wasser lösen. Nur in dieser Form ist Methan für die Bakterien überhaupt nutzbar. Sollte Methan jedoch schnell aus den Hydraten freigesetzt werden, könnte es in Form von Gasblasen aufsteigen, die für die Mikroorganismen nicht verwertbar sind. Der mikrobielle Methanfilter würde also zum Teil versagen, wenn sich die Methanhydrate allzu schnell auflösen und auf einen Schlag große Mengen Methan frei werden. Ebenso problematisch sind geringe Wassertiefen, weil sich die Methanblasen auf dem kurzen Weg vom Meeresboden zur Atmosphäre nicht vollständig im Wasser lösen können. Um solche Prozesse besser zu verstehen und Vorhersagen über die Funktion des mikrobiellen Filters machen zu können, untersuchen Forscher derzeit natürliche Methanquellen am Meeresgrund, die sehr viel Methan freisetzen, die kalten Quellen (cold seeps). Dazu zählen oberflächennahe Gashydratvorkommen, Schlammvulkane und natürliche Gasquellen in flachen Meeresregionen. Diese natürlichen Quellen sind eine Art Modell, an dem man untersuchen kann, wie sich das Methan im Meer verhält. Versteht man, wie die Natur auf diese Methanflüsse aus dem Meeresboden reagiert, lässt sich besser abschätzen, wie sich die Auflösung großer Gashydratmengen auswirkt. Die an den Methanquellen gewonnenen Daten sollen auch dazu beitragen, mathematische Methanhydrat-Simulationen präziser zu machen.
2.20 > Nicht nur am Meeresboden, auch auf dem Festland sind Methanhydrate in großen Mengen gespeichert. Vor allem in den dauerhaft tiefgefrorenen Permafrostböden der russischen Tundra wie hier in der russischen Republik Komi. Experten fürchten, dass die Permafrostböden durch die globale Erwärmung schmelzen und dabei das Methanhydrat freisetzen.
2.20 > Nicht nur am Meeresboden, auch auf dem Festland sind Methanhydrate in großen Mengen gespeichert. Vor allem in den dauerhaft tiefgefrorenen Permafrostböden der russischen Tundra wie hier in der russischen Republik Komi. Experten fürchten, dass die Permafrostböden durch die globale Erwärmung schmelzen und dabei das Methanhydrat freisetzen. © imago/ITAR-TASS
Das Schwinden der Methanhydrate
Schwinden der Methanhydrate
könnte durchaus fatale Folgen haben. Gashydrate wirken wie Zement, der die Poren zwischen den feinen Sedimentpartikeln verkittet und den Meeresboden stabilisiert. Lösen sich die Methanhydrate auf, verliert der Boden an Festigkeit. Im schlimmsten Fall können riesige Sedimentpakete an den Kontinentalhängen abrutschen und an den Küsten schwere Tsunamis auslösen. Derartige Hangrutschungen haben sich bereits vermutlich während der letzten Eiszeit ereignet. Der Auslöser war allerdings nicht die Erwärmung der Atmosphäre, sondern das genaue Gegenteil. Weil viel Wasser als Eis gebunden war, lag der Meeresspiegel um etwa 120 Meter tiefer als heute. Gerade in den flachen Meeresgebieten war der Wasserdruck dadurch so niedrig, dass sich die Methanhydrate massenhaft zersetzten. Einen unmittelbaren Beleg für Rutschungen, die durch Gashydratzersetzung ausgelöst wurden, hat man bisher indes nicht gefunden. Doch man kennt Indizien, die darauf hinweisen. So gibt es in der Nähe von Abrisskanten fast immer Spuren von Gas- und Flüssigkeitstransporten. Möglicherweise sind diese Hänge also durch strömende Methangas- und Flüssigkeitsmengen destabilisiert worden. Forscher sehen aber durchaus auch einen umgekehrten Bezug: So ist es denkbar, dass sich Methanhydrate erst durch Hangrutschungen und die dadurch bedingte Druckentlastung am Boden zersetzen. Erst dadurch würden große Mengen Gas frei werden. Die Hangrutschung wäre also Ursache und nicht Folge des Gasaustritts. Eine weitere Theorie besagt, dass Hangrutschungen in der Vergangenheit auch durch eine verstärkte Sedimentation von Meeresorganismen am Kontinentalhang ausgelöst worden sein könnten. Diese Untersicherheiten machen klar, dass noch erheblicher Forschungsbedarf besteht. Dennoch gilt es als wahrscheinlich, dass das Schwinden der Methanhydrate zu ernsten Problemen führen könnte.

Methanemissionen aus der Arktis – ein Exempel für die künftige Gashydratforschung

Bei der Erforschung von Methanemissionen gehört die Arktis heute zu den wichtigsten Regionen weltweit. So wird vermutet, dass Methan dort zum einen in Form von Gashydraten im Meer vorkommt, zum anderen als im tiefgefrorenen Permafrostboden eingeschlossenes Gas an Land. Als besonders sensibel gelten die Methanlager im Permafrostboden und die Hydrate in den ausgedehnten flachen Schelfmeerbereichen, da aufgrund des geringen Drucks schon kleinste Temperaturerhöhungen große Mengen von Methanhydrat oder Methan freisetzen könnten. Zusätzlich entsteht permanent neues Methan, weil die arktischen Gebiete reich an organischem Material sind, das von den Mikroben abgebaut wird. Die Aktivität dieser Mikroben, und damit die biologische Freisetzungsrate von Methan, wird ebenfalls durch Temperaturerhöhungen angekurbelt. Die Methanemissionen in der Arktis haben also gleich mehrere Quellen. Derzeit bilden sich internationale wissenschaftliche Konsortien mit Forschern verschiedener Disziplinen – Chemiker, Biologen, Geologen, Geophysiker, Meteorologen –, die sich intensiv mit dem Problem beschäftigen. Noch kann niemand mit Bestimmtheit sagen, wie sich der Methanausstoß in der Arktis mit der Erderwärmung entwickeln wird – sowohl im Meer als auch an Land. Noch steht die Forschung am Anfang. Textende