Die Zerstörung der Küstenökosysteme trifft in vielen Regionen vor allem die Armen, weil sie diverse Güter aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld wie beispielsweise Fisch oder Mangrovenholz für ihr Überleben benötigen. Sie verdienen nicht genug Geld, um sich auf andere Weise mit Lebensmitteln oder Energie zu versorgen oder aus Gebieten fortzuziehen, die von Umweltschäden betroffen sind. Experten definieren in diesem Zusammenhang 2 Arten von Armut: die exogene und die endogene Armut. Bei der exogenen Armut führen zunächst äußere Faktoren zur Verarmung der Bevölkerung. Das ist beispielsweise der Fall, wenn durch den Abbau von Ressourcen die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung zerstört und sie nicht an den Gewinnen beteiligt wird – etwa wenn große Fischfangflotten mit Erlaubnis des Staates die Fanggebiete der lokalen Fischer ausbeuten. Auch der Abbau von Bodenschätzen im Zusammenhang mit unverantwortlicher Regierungsführung kann unter Umständen zu exogener Armut führen. In Papua-Neuguinea beispielsweise flossen zwischen 1984 und 2013 viele Millionen Tonnen giftiger Abwässer aus einer Kupfer- und Goldmine in den Ok-Tedi-Fluss und ins Meer. Über Jahre wurden auf diese Weise der Fluss, Sümpfe und Küstengewässer vergiftet. Die von außen induzierte (exogene) Armut führt oft zu endogener Armut, die von der Bevölkerung selbst verursacht wird. Um zu überleben, müssen die Menschen andere Ressourcen nutzen, etwa indem sie statt Fischfang Ackerbau betreiben. Aus Mangel an landwirtschaftlicher Fläche werden oftmals ungeeignete Böden bearbeitet oder Waldflächen gerodet. Böden verarmen und erodieren. Weitere Umweltzerstörung ist die Folge. Die endogene Armut führt meist in einen Teufelskreis, denn nach und nach gehen die natürlichen Ressourcen verloren, was weiteren Raubbau an den Ressourcen, den Naturkapitalien, nach sich zieht. Die drastischen Konsequenzen dieses Teufelskreises hat Haiti zu spüren bekommen. Das Land Haiti nimmt den westlichen Teil der Karibikinsel Hispaniola ein. Der östliche und mittlere Teil ist das Staatsgebiet der Dominikanischen Republik. Haiti gehört aufgrund von Bürgerkriegen und einer über viele Jahre verantwortungslosen Regierungspolitik zu den ärmsten Ländern der westlichen Hemisphäre. Etwa 65 Prozent der Bewohner Haitis müssen mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen. Nach der Definition der Weltbank ist extrem arm, wer weniger als 1,25 Dollar pro Tag zur Verfügung hat.
Abb. 2.25 > Grenzfluss zwischen Haiti (linke Seite) und Dominikanischer Republik. Die Armut hat dazu geführt, dass Haiti fast völlig entwaldet wurde. In der Dominikanischen Republik hingegen blieb der Wald zu einem Teil erhalten, wodurch die Bevölkerung besser vor Hurrikans geschützt ist.
Ursprünglich war Haiti komplett bewaldet. Bereits in den 1950er Jahren aber wurde begonnen, große Teile der Wälder für die Produktion von Holzkohle zu schlagen. Das schnelle Bevölkerungswachstum und die Armut führten dazu, dass Haiti bis in die 1990er Jahre fast völlig entwaldet wurde, um Platz für Ackerflächen zu schaffen. Der Wald schrumpfte auf knapp 4 Prozent der ursprünglichen Fläche. Auch die Mangroven an der Küste wurden zum großen Teil zerstört. Das Klima auf Haiti ist heute wesentlich trockener als früher, da der Boden jetzt deutlich weniger Wasser speichert und verdunstet als zu der Zeit, als er noch bewaldet war. Die Niederschlagsmenge hat um bis zu 40 Prozent abgenommen. Als geradezu katastrophal erwies sich die durch die Armut provozierte Entwaldung, als im Jahr 2004 der Hurrikan Jeanne über Hispaniola fegte und durch die immensen Regenmengen Teile der Insel überflutete. Die Zerstörungskraft des Hurrikans konnte sich im ungeschützten Haiti voll entfalten. Da der Wald fehlte, gab es in vielen Regionen Erdrutsche. 5400 Menschen starben. In der benachbarten Dominikanischen Republik, die immerhin noch zu gut 28 Prozent bewaldet und zu einem Teil durch Mangroven geschützt ist, starben hingegen nur 20 Menschen.