Sollten in Zukunft Manganknollen abgebaut werden, wäre das ein erheblicher Eingriff in den Lebensraum Tiefsee, weil die Erntemaschinen weite Flächen des Meeresbodens umpflügen würden. Wie stark und in welcher Art und Weise die Ökosysteme in der Tiefsee dadurch betroffen sein werden, lässt sich im Detail aber nur schwer einschätzen, da man bisher nur kleine Bereiche wissenschaftlich untersucht hat. Die wenigen Studien, die bislang vorliegen, zeigen aber eindeutig, dass es in der Tiefe mehr Leben gibt, als man es lange vermutet hatte. Viele der Organismen wie etwa Würmer leben im Tiefseesediment vergraben – insbesondere in den oberen 15 Zentimetern des Meeresbodens. Der Eindruck einer öden Wüste täuscht also. Und auch im freien Wasser existieren etliche Organismen, darunter Fische und Schnecken. Die Tiefseelebewesen werden nach ihrer Größe in verschiedene Kategorien eingeteilt. Für die Unterscheidung bei kleinen Arten ist insbesondere die Maschenweite der Siebe, mit denen man die Tiere aus Boden- oder Wasserproben herausfiltert, ein Kriterium. Man unterscheidet im Allgemeinen die 4 folgenden Kategorien:
DIE MIKROFAUNA: Sie besteht aus Organismen, die kleiner als die Maschenweite sehr feiner Siebe von 0,03 Millimetern sind. Sie setzt sich fast ausschließlich aus Mikroorganismen zusammen.
DIE MEIOFAUNA: Zu ihr zählen beispielsweise Ruderfußkrebse, Nematoden (kleine Würmer) sowie die Foraminiferen, eine be-stimmte Gruppe von Einzellern, die in Kalkgehäusen leben. Diese Organismen werden von Sieben mit einer Maschenweite von 0,03 bis 0,06 Millimetern zurückgehalten. DIE MAKROFAUNA: Sie umfasst Tiere, die von Sieben mit einer Maschenweite von 0,3 bis 0,5 Millimetern zurückgehalten werden. Viele Makrofaunaorganismen leben im Sediment, vor allem Borstenwürmer, aber auch Krebse und Muscheln. DIE MEGAFAUNA: Zu ihr zählen Tiere, die man mit bloßem Auge auf Unterwasservideos oder -fotos erkennen kann, beispielsweise Fische, Schwämme, Seegurken und Seesterne. Diese Organismen sind 2 bis mehr als 100 Zentimeter groß.Eine Besonderheit in den pazifischen Manganknollengebieten sind besonders große Arten der Foraminiferen. Die Foraminiferen der Gattung Xenophyophora sind anders als ihre winzigen Artgenossen bis zu 10 Zentimeter groß und zählen damit zur Megafauna. Die Xenophyophoren leben auf dem Sediment und hinterlassen ähnlich wie Seegurken viele Meter lange Fraßspuren. Weitgehend unklar ist bisher, wie groß in den Manganknollengebieten der Anteil endemischer Arten ist. Meeresbiologen verschiedener Forschungsinstitute werten derzeit Bodenproben von Expeditionen aus. Mehrere endemische Arten wurden bereits entdeckt. Darüber hinaus wird vermutet, dass sich die Artenzusammensetzung in und auf den Tiefseesedimenten alle 1000 bis 3000 Kilometer verändert – also auch schon innerhalb eines Manganknollengebiets. Der Grund dafür ist, dass die Nährstoffbedingungen in verschiedenen Meeresgebieten leicht variieren, was unter anderem von den oberflächennahen Meeresströmungen und dem Transport von Nährstoffen abhängt. Je mehr von diesen im Wasser enthalten sind, desto mehr Biomasse wird durch Algen produziert und rieselt später in die Tiefe. Je nach Kohlenstoffangebot herrschen dann unterschiedliche Organismen vor. Verglichen mit den nährstoffreichen Küstengebieten, sind die Kohlenstoffunterschiede zwischen den verschiedenen Tiefseearealen gering. Dennoch bewirken sie offenbar Unterschiede in der Artenzusammensetzung. Meeresbiologen fordern daher, den Abbau so zu regeln, dass die verschiedenen Artengemeinschaften und damit der Charakter der jeweiligen Tiefseeareale wenigstens zum Teil erhalten bleiben und eine entsprechende Wiederbesiedlung möglich ist. Diese Aspekte sowie der Schutz endemischer Arten sollen in den Abbauregelungen der ISA berücksichtigt werden.
Abb. 2.17 > In Manganknollengebieten leben viele verschiedene Tierarten wie etwa Tiefseefische, Oktopusse, weißliche Schwämme und Seesterne. © BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe)