Forscher haben den Einfluss von Klimaänderungen auf die Frühjahrsblüte des Phytoplanktons experimentell untersucht. Dazu wurden 1,4-Kubikmeter-Tanks mit Planktonorganismen befüllt, wie es dem Entwicklungsstand des Phytoplanktons im Spätwinter entspricht. In Klimakammern wurden die Tanks unterschiedlichen Lichtangeboten und verschiedenen Verläufen der Frühjahrstemperaturen ausgesetzt. Simuliert wurden dabei ein gegenwärtiger Durchschnittsverlauf der Frühjahrstemperatur sowie Erwärmungen um 2, um 4 und um 6 Grad Celsius. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Die Frühjahrsblüte trat pro Grad Celsius Temperaturerhöhung um 1 bis 1,5 Tage früher ein. Ein besseres Lichtangebot verstärkte diesen Effekt. Das Zooplankton reagierte noch deutlicher auf die Erwärmung: Die Copepoden-Larven, die Nauplien, schlüpf-ten pro Grad Temperaturerhöhung um bis zu 9 Tage früher. Die Auswirkungen waren fatal, denn die meisten Nauplien schlüpften vor der Frühjahrsblüte des Phytoplanktons. Sie fanden keine Nahrung und verhungerten. Damit fiel eine ganze Generation aus. Nicht nur der Beginn der Frühjahrsblüte verschob sich aufgrund der Erwärmung. Auch die Gesamtbiomasse des Phytoplanktons und seine Zusammensetzung änderte sich – zum Nachteil des Zooplanktons. Unter normalen Bedingungen dominierten großzellige
Kieselalgen, die eine gute Nahrungsbasis für Copepoden sind. Unter wärmeren Bedingungen hingegen dominierten kleine
Flagellaten. Copepoden können diese nur schlecht fressen. Die Folgen sind eindeutig: Die Tiere wachsen langsamer, sie produzieren weniger Eier und dadurch weniger Nachkommen.
Die Erwärmung des Wassers kann aber nicht nur für die Nahrungskette Phytoplankton – Zooplankton – Fisch negative Folgen haben. Sie wirkt sich auch auf die Speicherung des Klimagases CO
2 im Meer aus, auf die sogenannte biologische CO
2-Pumpe (siehe Kasten nächste Seite). Denn unter wärmeren Bedingungen verstärkt sich die Respiration von Zooplankton und Bakterien, also der Atemstoffwechsel, der CO
2 freisetzt. Dadurch wird das zunächst durch das Phytoplankton aufgenommene CO
2 wieder im Oberflächenwasser freigesetzt. Damit verringert sich der CO
2-Anteil, der in der Biomasse gebunden bleibt und als organische Substanz zum Meeresgrund absinkt und dort letztlich als Kohlenstoff am Boden eingelagert wird. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil sich so ein fataler Rückkopplungsmechanismus des Klimawandels ergibt: Durch die Klimaerwärmung wird ein Mechanismus geschwächt, der der Atmosphäre bisher einen Teil des anthropogenen, klimaschädlichen CO
2 entzogen hat.
5.5 > Für gewöhnlich setzt die Vermehrung des Phytoplanktons (grüne Linie) mit dem zunehmenden Lichtangebot gegen Ende des Winters vor dem Schlüpfen der Zooplanktonlarven (Nauplien, rote Linie) ein. Damit steht den Zooplanktern beim Schlüpfen genug Nahrung zur Verfügung. Ist hingegen wenig Licht vorhanden und das Wasser um 6 Grad wärmer, schlüpfen die Zooplankter schon vor der Phytoplanktonblüte. Das ist fatal, denn in diesem Fall fehlt den Zooplanktonlarven die Nahrung. Sie verhungern. Das ist vor allem deshalb beunruhigend, weil Forscher zum Beispiel für die Ostsee genau dieses Szenario voraussagen: Aufgrund stärkerer Bewölkung dringt deutlich weniger Licht ins Wasser. Zugleich dürfte sich durch die Klimaerwärmung die Wassertemperatur erhöhen.
© maribus (nach Sommer, Lengfellner et al. (in prep.))