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Kohlendioxid-Nutzung: Neue Ideen mit dem Langfristziel einer Kreislaufwirtschaft

Abgeschiedenes Kohlendioxid kann entweder direkt weiterverwendet werden oder muss verschiedene biologische oder chemische Prozesse durchlaufen, bevor es als Ausgangsstoff oder Zutat für die Herstellung verschiedener Produkte benutzt werden kann (englisch: Carbon Capture and Utilisation, CCU). Aktuell werden nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) weltweit jährlich etwa 230 Millionen Tonnen Kohlendioxid auf direkte Weise eingesetzt. Knapp 130 Millionen Tonnen werden verwendet, um synthetischen Harnstoff für Düngemittel herzustellen. Schätzungsweise 80 Millionen Tonnen verpressen erdölfördernde Konzerne im Untergrund, um Erdölvorkommen schneller und möglichst umfassend abzubauen (englisch: Enhanced Oil Recovery). Das restliche Kohlendioxid kommt in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zum Einsatz oder wird in Gewächshäuser eingeleitet, um das Wachstum der Pflanzen zu steigern. Außerdem kann Kohlendioxid als Lösch- oder Kältemittel eingesetzt werden.
Relativ neu sind Überlegungen, abgeschiedenes Kohlendioxid als Kohlenstoffquelle zu nutzen und daraus synthetische Kraftstoffe für den Schiffs- und Flugverkehr, kohlenstoffbasierte Grundstoffe für die Chemieindustrie oder aber Kunst- und Bauzusatzstoffe herzustellen. Gelänge dies im großen Maßstab, könnten kohlenstoffhaltige Produkte aus abgeschiedenem Kohlendioxid die bisher verwendeten Stoffe und Materialien aus fossilem Kohlenstoff ablösen. Das Endziel dieser Entwicklung wäre, eine Kohlenstoff-Wertschöpfungskette und -Kreislaufwirtschaft zu etablieren, in denen Kohlenstoff aus Kohle, Erdöl oder Erdgas nicht mehr benötigt würde.
Für die Herstellung von Chemikalien und Treibstoffen aus Kohlendioxid muss das Gas mit Wasserstoff synthetisiert werden. Auf diese Weise lassen sich Methanol und andere Kohlenwasserstoffe gewinnen, die anschließend als Grundstoffe in der chemischen Industrie und als synthetische Treibstoffe eingesetzt werden können. Ein entsprechendes Pilotprojekt wird zum Beispiel in einer Raffinerie in Schleswig-Holstein geplant. Setzt die chemische Industrie ihre bereits angekündigten CCU-Projekte um, könnte der Sektor im Jahr 2030 weltweit schätzungsweise fünf Millionen Tonnen abgeschiedenes Kohlendioxid für die Treibstoffherstellung verwenden. Knapp die Hälfte der angekündigten Projekte befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch in einer frühen Entwicklungsphase, und vielerorts fehlen die Pipelines und andere Infrastrukturen zum Transport von Wasserstoff und Kohlendioxid.

Emissionsbilanz: Die Details entscheiden

Die Emissionsbilanzen der verschiedenen Verfahren zur Kohlendioxid-Weiterverarbeitung sind nur schwer zu durchschauen. Klimaneutral sind die entstehenden Produkte nur dann, wenn das verwendete Kohlendioxid aus der Atmosphäre stammte, grüner Wasserstoff verwendet wurde und alle Herstellungsprozesse mit Energie aus erneuerbaren Quellen gespeist wurden. Doch selbst unter diesen Voraussetzungen kann die Kohlendioxid-Weiterverarbeitung nur in wenigen Ausnahmefällen als dauerhafte Entnahmemethode bezeichnet werden – so zum Beispiel, wenn die hergestellten Produkte über einen klimarelevanten Zeitraum (länger als 100 Jahre) genutzt oder wiederverwertet werden und den enthaltenen Kohlenstoff auch so lange speichern. Beides ist jedoch nur sehr selten der Fall.
In der Regel werden CCU-Produkte nur wenige Wochen oder Monate alt und setzen den enthaltenen Kohlenstoff während ihrer Nutzung oder aber bei ihrer Entsorgung wieder in Form von Kohlendioxid frei – beispielsweise, wenn der synthetische Kraftstoff in Schiffsmotoren oder in Flugzeugturbinen verbrannt wird. Die Klimabilanz der Kraftstoffe ist nur dann ausgeglichen, wenn für ihre Herstellung ebenso viel Kohlendioxid der Atmosphäre entnommen wird, wie durch die Herstellung und Verbrennung an Emissionen entsteht.
Stammt das in CCU-Produkten verwendete Kohlendioxid aus Erdöl, Erdgas oder Kohle, entstehen auf lange Sicht sogar neue Emissionen. Das bedeutet: Nur einige wenige der bislang bekannten und angewandten CCU-Technologien führen am Ende tatsächlich zu einer Entnahme von Kohlendioxid. Die IEA geht in ihrem Entwicklungsszenario für ein Erreichen der Kohlendioxidneutralität im Jahr 2050 davon aus, dass im Jahr 2030 nur etwa fünf Prozent des abgeschiedenen Kohlendioxids tatsächlich weiterverarbeitet werden. Der überwiegende Teil des Treibhausgases müsste demnach im Untergrund gespeichert werden.

Abb. 8.11: nach Deutscher Bundestag, 2022

Abb. 8.11 > Abgeschiedenes Kohlendioxid und vor allem der darin enthaltene Kohlenstoff lassen sich für eine Vielzahl von Anwendungen nutzen. Um eine klimawirksame Wirkung zu erzielen, müssen das Gas oder der Kohlenstoff aber so weiterverarbeitet werden, dass sie nicht mehr in die Atmosphäre entweichen können.