Nimmt der Ozean Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, kommt es zu grundlegenden Veränderungen im Karbonathaushalt des Ozeans, wie Fachleute sagen. Karbonate werden bei der Kohlendioxidbindung im Oberflächenwasser verbraucht, Wasserstoffkationen (Protonen) unter Umständen freigesetzt. Die Anzahl der freien Wasserstoffkationen wiederum bestimmt den Säuregehalt des Meerwassers. Je größer ihre Zahl ist, desto mehr Säure enthält das Wasser.
Gemessen wird die Konzentration der Wasserstoffkationen in einer Lösung mithilfe des sogenannten pH-Wertes. Er gibt an, wie sauer beziehungsweise basisch eine Flüssigkeit ist. Die pH-Wert-Skala reicht dabei von 0 (sehr sauer) bis 14 (sehr basisch). Das bedeutet, je mehr Wasserstoffkationen in einer Lösung vorhanden sind, desto kleiner ist wiederum der pH-Wert.
Der mittlere pH-Wert der Meeresoberfläche ist seit Beginn der Industrialisierung von 8,2 auf 8,1 gesunken. Dieser vermeintlich kleine Schritt auf der logarithmischen pH-Skala entspricht einem realen Anstieg des Säuregehalts um 26 Prozent – eine Veränderung, wie sie die Weltmeere und ihre Bewohner in den letzten Jahrmillionen noch nicht erlebt haben. Mittlerweile reicht das Versauerungssignal in Tiefen von bis zu 2000 Metern, im Nordatlantik und dem Südlichen Ozean sogar darüber hinaus. Sollte die Menschheit auch weiterhin so viel Kohlendioxid emittieren wie bisher, wird der pH-Wert der Ozeane bis zum Jahr 2100 voraussichtlich um weitere 0,44 Einheiten sinken. Das heißt nicht, dass die Ozeane tatsächlich sauer sind, denn auch bei Werten um 7,6 bis 7,7 bleiben sie chemisch betrachtet basisch, doch sind sie – relativ gesehen – saurer als zuvor.
Abb. 2.5 > Durch die Aufnahme von CO2 an der Meeresoberfläche verändert sich die Chemie des Wassers. Sein pH-Wert und der Aragonit-Sättigungsgrad sinken. Die Messprofile zeigen die Veränderungen beider Parameter im Zeitraum 1800 bis 2002. Die schwarzen Linien und Zahlen zeigen die Messwerte aus 2002.
Parallel zum pH-Wert sinkt mit zunehmender Kohlendioxidaufnahme des Ozeans auch die Karbonatkonzentration. Die Sättigung des Meerwassers mit Karbonationen wiederum ist ein überlebenswichtiger Parameter für alle Meeresorganismen, die Schalen oder Skelettstrukturen aus Kalk (Kalziumkarbonat) bilden. Kalk kommt bei Meeresorganismen vor allem in den Formen Aragonit und Kalzit vor, wobei vor allem Aragonit leicht löslich ist. Karbonatgesättigte Wassermassen besitzen einen Karbonat-Sättigungsgrad (Ω) von 1. Dieser entspricht einer Karbonatkonzentration von 66 Mikromol pro Kilogramm Wasser. Liegt die Konzentration leicht über diesem Wert, gilt das Meerwasser als übersättigt. Sinkt sie dagegen darunter, spricht man von untersättigten Wassermassen. In diesem Fall löst sich das von den Organismen gebildete Aragonit im Wasser auf.
Untersättigtes Meerwasser gibt es in allen Ozeanen, denn aufgrund der zunehmenden Löslichkeit des Kalks mit abnehmender Wassertemperatur und zunehmendem Druck sind vor allem die tieferen Meeresschichten in der Regel untersättigt. Die Grenze zwischen der untersättigten und der übersättigten Wasserschicht wird als Sättigungshorizont bezeichnet. Durch die zunehmende Einlagerung kohlenstoffreichen Oberflächenwassers in mittlerer bis großer Wassertiefe, so berichtet der Weltklimarat, verlagert sich diese Grenze, unterhalb derer sich der Kalk auflöst, immer weiter Richtung Meeresoberfläche. In einigen Regionen des westlichen Atlantischen Ozeans beispielsweise ist der Kalzit-Sättigungshorizont seit Beginn der Industrialisierung um rund 300 Meter gestiegen. Im Arktischen Ozean hat sich der tiefe Aragonit-Sättigungshorizont im Zeitraum von 1765 bis 2005 um durchschnittlich 270 Meter Richtung Meeresoberfläche verlagert. Das heißt, auch dort sind immer größere Anteile der Wassersäule von dem Karbonatmangel betroffen.
Fraglich ist bislang noch, in welchem Umfang sich die verschiedenen Meereslebewesen an die Ozeanversauerung anpassen können. Einzellige Algen und kleines Zooplankton mit kurzen Fortpflanzungszyklen scheinen besser gewappnet zu sein als größere Lebewesen mit langen Reproduktionszyklen. Immer mehr Forscherinnen und Forscher teilen zudem die Ansicht, dass die zunehmende Ozeanversauerung und die steigenden Sauerstoffverluste des Meeres gemeinsam einen negativen Einfluss auf die Temperaturtoleranz der einzelnen Arten haben, vor allem in tropischen und polaren Gewässern. Das heißt, das Temperaturfenster, in dem diese Arten existieren können, schrumpft mit sinkendem pH-Wert des Wassers. Diese Entwicklung wiederum wirkt sich sowohl auf die geografische Verteilung der Arten und Populationen aus als auch auf deren Überlebenschancen.
Wichtig zu wissen: Bei der Versauerung der Meere handelt es sich um einen Effekt, der ausschließlich auf den Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre zurückzuführen ist. Andere Treibhausgase spielen keine Rolle. Für einen wirksamen Meeresschutz sind die Vermeidung menschengemachter Kohlendioxidemissionen sowie eine gezielte Reduktion der Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre deshalb doppelt wichtig. Sie würden helfen, sowohl die globale Erwärmung als auch die Ozeanversauerung zu begrenzen.