Der Klimawandel verändert die Schifffahrt vor allem in der Arktis, wo der starke Rückgang des Meereises neue Schifffahrtswege öffnet. Das gilt insbesondere für die russischen Randmeere des Arktischen Ozeans sowie für die Gewässer Alaskas. Überall dort, wo das Meereis weicht, können Fischkutter in bislang unberührte Fischgründe vorstoßen; Bohrschiffe oder Plattformen jene marinen Erdgas- und Erdöllagerstätten ausbeuten, die bislang nicht zugänglich waren; Kreuzfahrtunternehmen Schiffsreisen Richtung Nordpol anbieten und Reedereien und Handelsunternehmen zum Teil erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse verbuchen, weil sie ihre Waren und Güter über die kürzeren arktischen Seewege von Nordeuropa nach Nordostasien verschiffen können.
Noch ist der Schiffsverkehr in der Arktis eher regional ausgerichtet und ein Großteil der Fahrten findet nach wie vor im Sommer und Herbst statt, wenn die Küstengewässer eisfrei und die Unfallrisiken gering sind. Vor allem Russland aber unternimmt seit einigen Jahren große Anstrengungen, die auch als Nördlichen Seeweg bezeichnete Nordostpassage durch seine arktischen Küstengewässer auszubauen und somit auch für transarktische Fahrten attraktiver zu machen. Neue Eisbrecher sollen die Schifffahrtsrouten auch im Winter offen halten. Durch den Ausbau von Häfen und angebundenen Schienennetzen soll der Abtransport von Rohstoffen aus der russischen Arktis erleichtert werden. Der Schiffsverkehr auf dem Nördlichen Seeweg hat infolgedessen explosionsartig zugenommen.
Im Jahr 2017 transportierten Schiffe rund 10,7 Millionen Tonnen Fracht durch die russischen Küstengewässer. 2018 waren es 20,18 Millionen Tonnen und 2019 rund 31,5 Millionen Tonnen. Auf transarktische Fahrten von Europa nach Asien oder umgekehrt entfiel dabei jedoch immer nur ein Bruchteil, denn noch sind Transporte durch arktische Gewässer mit hohen Zusatzkosten verbunden – etwa für eistaugliche Schiffe und eine speziell ausgebildete Besatzung. Außerdem sind die russischen Randmeere zum Teil so flach, dass nur kleinere Schiffe die eisfreien Passagen durchfahren können, was die Kosten pro Tonne Fracht in die Höhe treibt.
Schifffahrtsexperten gehen deshalb davon aus, dass Reedereien und Handelsunternehmen erst dann in einen transarktischen Linienverkehr über den Nördlichen Seeweg investieren werden, wenn gewinnbringende Transporte garantiert sind. Das wird Modellierungen zufolge für kleinere Frachtschiffe frühestens im Jahr 2035 möglich sein, für größere vermutlich erst ab 2051. Bis dahin werden die Warentransporte von Europa nach Nordostasien und zurück weiter über den viel längeren südlichen Seeweg führen – das heißt vom Mittelmeer über den Sueskanal und den Indischen Ozean.
Abb. 4.20 > Der Schiffsverkehr auf der Nordostpassage beschränkt sich bislang vor allem auf regionale Transporte sowie auf Flüssiggastransporte aus der Arktis nach Europa oder Ostasien. Je weiter und früher im Jahr das Meereis jedoch zurückweicht, desto attraktiver wird die Alternative zur Sueskanalroute. Im Januar 2021 gelang drei LNG-Tankern erstmals eine Passage im Winter ohne Hilfe eines Eisbrechers. Weitere solcher Fahrten werden folgen.