War Süßwasser früher nur in trockenen Regionen ein kostbares Gut, versiegen mittlerweile auch in vielen Küstengebieten der Erde die Seen, Flüsse, Quellen und Brunnen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Mancherorts regnet es im Zuge des Klimawandels weniger. Anderswo fällt der Niederschlag nicht mehr gleichmäßig über die Zeit verteilt, sondern episodenhaft als sogenannter Starkregen. Bei solchen extremen Niederschlagsereignissen läuft das meiste Wasser oberflächlich ab, weil das Erdreich es nicht schnell genug absorbieren kann. Gleichzeitig steigt der Süßwasserverbrauch, weil mehr und mehr Menschen in die Küstenregionen ziehen oder dort Urlaub machen und die Bauern mehr Flächen bewässern. Mancherorts werden Oberflächengewässer und Grundwasserreservoirs aber auch grundlos verschmutzt, etwa durch Überdüngung oder den Einsatz von Pestiziden.
Aufgrund der zunehmenden Wasserknappheit suchen Forschende seit geraumer Zeit nach neuen Süßwasserreservoirs. Ihre Suche konzentriert sich dabei vor allem auf das Meer, denn seit einigen Jahren weiß man, dass es vermutlich auf allen Kontinenten in Küstennähe auch unterhalb des Meeresbodens unerschlossene Grundwasservorkommen gibt. Die meisten Offshore-Reservoirs wurden bisher an der Ostküste der USA, an der Nordwestküste Europas sowie an der Westküste Australiens entdeckt. Schätzungen zufolge speichern alle bekannten Reservoirs unter dem Meer zusammen etwa eine Million Kubikkilometer Süßwasser. Diese Menge würde theoretisch ausreichen, das Schwarze Meer zweimal zu füllen oder die Bevölkerung Deutschlands mehr als 192 000 Jahre lang mit Trinkwasser zu versorgen.
Grundwasservorkommen unter dem Meer können auf unterschiedliche Weise entstehen. Fachleute kennen mittlerweile fünf Entstehungsprozesse: Manche Reservoirs entstehen durch den natürlichen Zerfall gefrorener Gashydrate im Meeresboden; dabei wird salzarmes Wasser freigesetzt. Anderenorts sammelt sich Wasser im Untergrund, welches durch physikalische und chemische Prozesse im Zuge der Verfestigung von Sedimenten entsteht. Fachleute nennen diese Gesteinsbildung auch Diagenese. Vorkommen in ehemals von Gletschern bedeckten Küstenregionen können darauf zurückgeführt werden, dass hier einst große Eismassen vorkamen, deren Schmelzwasser in den Meeresboden gelangte und sich dort ansammelte (subglaziale/proglaziale Injektion). Einige bekannte Offshore-Reservoirs werden auch von Land aus gespeist – etwa indem Niederschläge an Land versickern und von tief liegenden Gesteinsschichten unterirdisch Richtung Meer abgeführt werden (meteorische Anreicherung 1).
Die meisten Grundwasserspeicher im Meer sind jedoch während zurückliegender Kaltzeiten wie etwa der Eiszeit vor rund 20 000 Jahren entstanden. Damals wuchsen die Eisschilde in der Arktis und Antarktis, gleichzeitig sank der globale Meeresspiegel im Vergleich zu heute um mehr als 100 Meter. Infolgedessen fielen auf der gesamten Erde flache Küstengewässer, die sogenannten Schelfgebiete oder Kontinentalränder, trocken. Regnete oder schneite es dann auf diese Flächen, versickerte das Wasser im Erdreich und sammelte sich in harten, von Poren durchzogenen Kalkgesteinen, die das Wasser wie ein Schwamm speichern (meteorische Anreicherung 2). Als der Meeresspiegel zum Ende der Eiszeit wieder stieg, wurden die Schelfgebiete abermals überschwemmt. Die Grundwasserreservoirs in der Tiefe befinden sich seitdem jenseits der Küste und wecken vor allem das Interesse wasserarmer Staaten wie Südafrika, Mexiko, Neuseeland oder auch Malta.
In den Gewässern Maltas liegen die wasserführenden Kalkgesteine etwa 400 Meter tief im Meeresboden, wie wissenschaftliche Untersuchungen unter deutscher Leitung ergaben. Vor der neuseeländischen Küste von Canterbury (östlicher Teil der Südinsel) dagegen brauchten die Forschenden nur 20 Meter tief in den Meeresboden bohren, um auf süßwasserführendes Gestein zu stoßen. Das Grundwasserreservoir dort ist eines der flachsten der Welt. Es erstreckt sich bis zu 60 Kilometer von der Küstenlinie entfernt und umfasst bis zu 200 Kubikkilometer Wasser. Zum Vergleich: Deutschlands größter Binnensee, der Bodensee, speichert 48 Kubikkilometer Wasser. Das Grundwasservorkommen vor der neuseeländischen Küste ist somit etwa viermal so groß.
Solche detaillierten Erkenntnisse über die Süßwassersysteme unter dem Meer gewinnen Forschende, indem sie neuerdings verschiedene geophysikalische und geochemische Forschungsmethoden zusammenführen. Mithilfe der sogenannten marinen Elektromagnetik messen sie den elektrischen Widerstand des Untergrundes. Von ihm lässt sich ableiten, ob das Gestein im Untergrund Salz- oder Süßwasser in seinen Poren speichert. Salzwasser leitet hervorragend, bei Süßwasser dagegen verdreifacht sich der elektrische Widerstand. Um den Salzgehalt des Porenwassers genau zu bestimmen und das Volumen des Grundwasserkörpers abzuschätzen, kombinieren die Geologen anschließend ihre elektromagnetischen Daten mit den seismisch erfassten Schichtprofilen des Meeresbodens. Diese Zusammenführung ist in erster Linie ein statistisch-mathematisches Verfahren, bei dem numerische Modelle und Algorithmen zum maschinellen Lernen (englisch: Machine Learning Algorithms) zum Einsatz kommen. Die Methode versetzt die Fachleute in die Lage, Offshore-Süßwassersysteme außergewöhnlich detailliert zu beschreiben und zu kartieren. Genau genommen ist diese Forschung also fast ein bisschen mehr Mathematik als Geologie und Hydrologie.
5.18 > Mittlerweile hat man Grundwasservorkommen in Küstengebieten aller Kontinente gefunden. Sie entstehen durch den Zerfall gefrorener Gashydrate, durch die Verfestigung von Sedimenten (Diagenese), durch Gletscher-Schmelzwassereinträge, durch Regenwassereinspeisung von Land sowie in den meisten Fällen durch die Bildung von Grundwasserspeichern während vergangener Kaltzeiten.