Bislang veröffentlichen Forschende die meisten der von ihnen entschlüsselten Erbinformationen in offen zugänglichen Datenbanken für digitale Sequenzinformationen (DSI). Diese Geninformationen dienen vergleichenden Analysen und sind für die Biodiversitätsforschung ebenso unverzichtbar wie für die Natur- und Wirkstoffforschung. Die Tatsache aber, dass Pharmakonzerne und andere Unternehmen diese frei verfügbaren Gensequenzen nutzen, um Wirkstoffe zu identifizieren, Patente anzumelden, Produkte zu entwickeln und Gewinne zu generieren, ohne dafür an die Datenurheber oder aber das Herkunftsland des genetischen Materials zu zahlen, hat in den zurückliegenden Jahren weltweit viele Kritiker auf den Plan gerufen. Deren Protest hat dazu geführt, dass derzeit im Zuge der Umsetzung des Nagoya-Protokolles darüber diskutiert wird, wie wirtschaftliche Vorteile aus der Datennutzung international gerecht ausgeglichen werden können. Im Gespräch sind sowohl Zugangsbeschränkungen als auch Gebührenzahlungen.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften in Deutschland lehnt Zugangsbeschränkungen ab. Damit weltweit frei geforscht werden könne, müssten DSI-Datenbanken weiterhin offen zugänglich sein, heißt es in einer Stellungnahme der Akademie. Insbesondere die Coronapandemie habe gezeigt, dass der Austausch von Sequenzinformationen, in diesem Fall von neuartigen Erregern, maßgeblich zum wissenschaftlichen Fortschritt beitrage. Außerdem seien DSI-Datenbanken ein zentrales Werkzeug des Biodiversitätsschutzes, weil mit ihrer Hilfe zum Beispiel Veränderungen in Ökosystemen nachvollzogen werden können.
Dennoch befürworten die Expertinnen und Experten der Akademie einen gerechten Ausgleich von Vorteilen, die aus der Nutzung biologischer Vielfalt resultieren. Dieser müsse jedoch in einer Weise erfolgen, die weder den Biodiversitätsschutz noch die offene Wissenschaft gefährde. Schwierig sei die Situation auch deshalb, weil bisher für fast die Hälfte der bestehenden Sequenzinformationen Angaben zum Ursprung und zur Herkunft der Daten fehlten. Die wissenschaftliche Gemeinschaft müsse deshalb Lösungen entwickeln, mit denen diese Informationen künftig in den Datenbanken zur Verfügung gestellt werden können.
Ideen, wie diese Streifrage zu lösen ist, sind auch von einer offenen Arbeitsgruppe der Biodiversitätskonvention (CBD) erarbeitet worden. Der von ihr entwickelte Rahmen soll im Oktober 2021 auf der 15. UN-Biodiversitätskonferenz im chinesischen Kunming diskutiert werden.