Beispielgebend für neue Formen des Umwelt- und Meeresmanagements ist der sogenannte Source-to-Sea-Ansatz (von der Quelle bis zum Meer), den ein gleichnamiges internationales Organisationsnetzwerk entwickelt hat. Seine Grundidee lautet, Meeresschutz so zu denken, dass man alle jene Naturräume in das Management mit einbezieht, aus denen Stoffe ins Meer gelangen – also von der Quelle der (Stoff-)Flüsse bis hin zum Ozean. Geografisch betrachtet setzt dieser Ansatz demzufolge im Quellgebiet der Bäche und Flüsse an, erstreckt sich dann über Wälder, Felder, Feuchtgebiete, Seen und Ortschaften entlang ihres Streckenverlaufes und reicht über das Delta oder aber die Flussmündung hinaus bis in das Küstenmeer und am Ende bis auf die offene See.
All diese Räume sind durch den Transport von Wasser, Sedimenten, Organismen, Schadstoffen, Materialien und durch verschiedene Ökosystemleistungen miteinander verbunden. Obendrein sind in allen Naturräumen Menschen aktiv, welche diese nutzen und die in erster Linie ihre eigenen Interessen im Blick haben. Das heißt, sie interessieren sich weniger dafür, was weiter flussabwärts geschieht. Aus diesem Grund haben die Konzeptinitiatoren einen strukturierten Prozess entwickelt, mit dessen Hilfe sich dieses System aus unterschiedlichen Räumen, Akteuren, Interessen, Nutzungsformen und Regularien analysieren lässt, sodass sich die Perspektive der einzelnen Akteure weitet und Möglichkeiten für eine überregionale Zusammenarbeit entstehen. Gemeinsame Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie (1) ganzheitlich konzipiert sind, (2) neue Partnerschaften initiieren, (3) thematische Prioritäten setzen, (4) auf die jeweiligen Bedingungen vor Ort eingehen, (5) zielorientiert agieren sowie (6) anpassungsfähig sind. Das heißt, Maßnahmen werden wissenschaftlich begleitet, Ergebnisse dokumentiert, Methoden und Abläufe evaluiert, sodass im Fall von Misserfolgen oder Rückschritten entsprechende Anpassungen vorgenommen werden können.
Abb. 8.17 > Der Source-to-Sea-Ansatz berücksichtigt die vielen Stoffflüsse vom Land in das Meer und umgekehrt – und bindet daher alle Naturräume und Akteure landeinwärts in den Küsten- beziehungsweise Meeresschutz mit ein.
Ein Ergebnis dieses Prozesses ist meist eine engere Zusammenarbeit von Akteuren über Sektorengrenzen hinweg. Schweden ging sogar so weit, seine Fischereibehörde und Teile der Umweltbehörde zusammenzulegen. Gemeinsam formen sie seit dem Jahr 2011 die neue Behörde für Meeres- und Wassermanagement. Deren Aufgabe lautet, nationale und europäische Vorgaben für Binnengewässer, Meeres- und Fischereimanagement umzusetzen. Diese drei Teilbereiche unter einem Dach zu vereinen, versetzt die Mitarbeitenden in die Lage, einen ganzheitlichen Blick auf die Bäche, Seen, Flüsse und Meeresgebiete und die auftretenden Umweltprobleme zu werfen. Diese Perspektive wird immer wichtiger, denn der Druck, Probleme ganzheitlich anzugehen, steigt infolge des Klimawandels sowie neuer nationaler und internationaler Zielsetzungen. Zwei Beispiele: Schwedens Energiesektor soll bis zum Jahr 2040 vollständig auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen umgestellt sein; einen Großteil davon sollen Wasserkraftwerke bereitstellen, die zuvor aber modernisiert werden müssen, damit sie wichtige Umweltstandards erfüllen. Gleichzeitig soll sich die Wasserqualität in Schwedens Binnen- und Küstengewässern verbessern. Deren Werte sind immer noch weit von dem entfernt, was die Europäische Union und Schweden selbst als „gut“ bezeichnen würden.
Acht Jahre, nachdem die neue Behörde ihre Arbeit aufgenommen hatte, lief nach Meinung der Source-to-Sea-Initiatoren noch nicht alles nach Plan. Vor allem die interne Koordination von Maßnahmen als auch die Zusammenarbeit mit anderen nationalen Behörden waren nach wie vor verbesserungswürdig. Erschwert wurde beides jedoch noch immer durch unterschiedliche, sich zum Teil überlappende Zuständigkeitsbereiche, Maßnahmenprogramme und Vorschriften, berichteten die Initiatoren im Jahr 2019. Der Anfang aber war gemacht, und der strukturierte Prozess wird mittlerweile in mehreren Küstenregionen angewandt – so zum Beispiel am Golf von Bengalen, in 14 pazifischen Inselstaaten oder aber bei der globalen Suche nach Auswegen aus der Müllkrise des Ozeans.
Abb. 8.18 > Diese Darstellung der schwedischen Behörde für Meeres- und Wassermanagement zeigt, wie sich in Schwedens Küstenregionen Maßnahmenprogramme und Zuständigkeiten für bestimmte Zonen überlappen und ein integratives und sektorenübergreifendes Management weiterhin erschweren.