Zu den aussichtsreichsten und kostengünstigsten Ansätzen im Kampf gegen die planetare Dreifachkrise gehören sogenannte naturbasierte Lösungen (Nature-based Solutions, NbS). Darunter versteht man Maßnahmen zum Schutz, zur Wiederherstellung oder aber zur Erweiterung gesunder Naturräume mit dem Ziel, deren vielfältigen Nutzen zu erhöhen und sie nachhaltig zu bewirtschaften.
In Küstenzonen handelt es sich dabei in erster Linie um die Restauration, Renaturierung oder grundlegende Neuanpflanzung von Mangroven, Seegraswiesen, Korallenriffen, Muschelbänken, Salzwiesen, Dünen und natürlichen Überschwemmungsgebieten. Mit ihrer Hilfe kann es gelingen:
- der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und so die Erderwärmung zu begrenzen (Mangroven zum Beispiel speichern pro Quadratmeter Fläche bis zu viermal mehr Kohlenstoff als tropische Regenwälder. Meeresbasierte Maßnahmen für eine Erhöhung der natürlichen Kohlenstoffspeicher werden auch als Blue Carbon bezeichnet);
- Lebensraum für eine reiche und widerstandsfähige Artenvielfalt zu schaffen (intakte Küstenökosysteme filtern Dreck und Schwebstoffe aus dem Wasser und bieten ihren Bewohner Schutz, Nahrung und Korridore für eine mögliche Artenwanderung. Der Vorteil: Wer weniger gestresst ist, kann sich besser an den Klimawandel anpassen. Ein Beispiel: 4000 Quadratmeter Seegraswiese bieten Lebensraum und Nahrung für etwa 40 000 Fische und rund 50 Millionen wirbellose Tiere wie Hummer und Garnelen);
- den natürlichen Küstenschutz zu verstärken (Korallenriffe, Muschelbänke, Seegraswiesen, Kelpwälder und auch Mangrovenwälder bremsen Wellen aus, dämmen auf diese Weise Überschwemmungen und minimieren die Zerstörung sowie den Zerfall der landeinwärts liegenden Küstenabschnitte. Ein zusätzliches Plus: Mangroven, Muschelbänke & Co. reparieren sich nach einem Sturmschaden selbst und wachsen im Gegensatz zu Deichen und Schutzmauern bei einem steigenden Meeresspiegel mit);
- das Ausmaß der lokalen Ozeanversauerung einzudämmen (Seegraswiesen verringern durch die Aufnahme von Kohlendioxid aus dem Wasser die lokale Versauerung des Meeres – vor der Küste des US-Bundesstaates Kalifornien zum Beispiel um bis zu 30 Prozent);
- die Nahrungsversorgung der lokalen Küstenbevölkerung zu sichern (gesunde Küstenökosysteme dienen als Heimat und Kindergarten für viele Meeresbewohner und Seevögel. Kann ihr Nachwuchs aufgrund idealer Lebensbedingungen und einer nachhaltigen Bewirtschaftung durch den Menschen erfolgreich heranwachsen, haben Fischer, Jäger und Sammler eine größere Ausbeute);
- Menschen eine neue Lebensgrundlage zu geben (die Schönheit und Artenvielfalt gesunder Küstenökosysteme lockt Touristen an und versetzt die lokale Bevölkerung unter Umständen in die Lage, neue Einnahmequellen zu generieren und dadurch einer möglichen Armut zu entkommen).
Abb. 8.31 > Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Küsten- und Mangrovenwäldern kann eine wirkungsvolle Maßnahme sein, um besiedelte Küstengebiete vor Sturmfluten, steigenden Meerespegeln und Erosion zu schützen.
Voraussetzung für all diese Funktionen ist jedoch stets, dass die Menschheit ihre Treibhausgasemissionen drastisch reduziert, denn auch Mangroven, Seegräser, Kelpwälder und Muscheln reagieren empfindlich auf Hitzestress, extreme Stürme und rasant steigende Meeresspiegel. Angesichts der globalen Erwärmung muss der Mensch obendrein auch ihnen ermöglichen, sich polwärts zu verlagern. Deiche, Schutzmauern und zubetonierte Küstenstädte bilden dabei oft unüberwindbare Hindernisse. Zu guter Letzt erfordern die Wiederherstellung und der Erhalt dieser natürlichen Küstenbollwerke jede Menge interdisziplinäres Fachwissen, ausreichend Geld sowie die Beteiligung und Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Fehlt auch nur einer dieser Aspekte, sind Projekte zum Scheitern verurteilt.
Abb. 8.32 > Ausgezeichnete Idee: Die Bewohnerinnen eines Dorfes an der Südostküste Indiens pflanzen Mangrovensetzlinge am Ufer eines Flusses. Jede Familie, die an diesem Restaurationsprojekt teilnimmt, erhält als Lohn eine Ziege und Hühner. Dieser Anreiz verbessert die Nahrungsversorgung der Dorfbewohner und motiviert zur Mitarbeit.