Ein Alleinstellungsmerkmal des Arktischen Ozeans ist seine mächtige salzarme Deckschicht an der Meeresoberfläche. Forscher sprechen an dieser Stelle gern auch etwas irreführend von einer Süßwasserschicht. Sie wird seit jeher durch die vielen Flüsse und den Zufluss salzarmen Oberflächenwassers aus dem Pazifischen Ozean gespeist. Seit einigen Jahrzehnten aber beobachten Forscher eine Zunahme des Süßwasseranteils im Nordpolarmeer, während das Wasser im Nordatlantik salzreicher wird. Eine Ursache für das Aussüßen des Arktischen Ozeans könnte sein, dass es mittlerweile über Sibirien im Winter mehr schneit und die restliche Zeit des Jahres mehr regnet. Die Flüsse transportieren demzufolge mehr Schmelz- und Regenwasser in das Nordpolarmeer.
Welche Folgen die Süßwasserzunahme nach sich ziehen wird, ist noch unklar. Wissenschaftler aber vermuten, dass diese Veränderung die klimarelevante Umwälzung der Wassermassen im Nordatlantik und damit auch die Stärke des Golfstroms beeinflussen könnte. Wie alle Wassermassen des Arktischen Ozeans wird auch das salzarme Oberflächenwasser südwärts über die Davisstraße, die Framstraße oder aber das Europäische Nordmeer in den Nordatlantik transportiert und verdünnt dessen Wassermassen. Eine entsprechende Menge an Süßwasser könnte also unter Umständen dazu führen, dass das Nordatlantikwasser trotz seiner großflächigen Abkühlung nicht mehr schwer genug ist, um weit genug abzusinken und als Tiefenwasser zurück Richtung Äquator zu wandern. Der nordatlantische Motor der globalen Meereszirkulation würde also langsamer laufen und wichtige Strömungen wie der Golfstrom nachlassen.
Dass es zu einer solchen Kettenreaktion kommen kann, zeigen Beispiele aus der Klimageschichte. Als sich vor 8200 Jahren in Nordamerika der prähistorische Agassizsee plötzlich entleerte und seine riesigen Süßwassermassen über den Sankt-Lorenz-Strom in den Nordatlantik flossen, verlangsamte sich die Umwälzung der atlantischen Wassermassen. Infolgedessen kam die warme Atlantikströmung zum Erliegen oder schwächte sich ab, was dazu führte, dass sich der Nordatlantikraum innerhalb weniger Jahre deutlich abkühlte. Mittlerweile wissen Forscher auch, dass ein Stopp der nordatlantischen Wasserumwälzung über den gesamten Globus wirkt. In der Vergangenheit verlagerte sich zum Beispiel der Regengürtel über den Tropen – und das Südpolarmeer und die Antarktis erwärmten sich.
Für die Zukunft sagen Klimamodelle voraus, dass sich der Golfstrom im Zuge eines Treibhausgasanstiegs in der Atmosphäre abschwächen wird und es infolgedessen zu einer Abkühlung im Nordatlantik kommt. Genau dies passiert bereits, berichten Klimaforscher. Der subpolare Teil des Atlantischen Ozeans hat sich als einzige Meeresregion der Welt seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht erwärmt, sondern abgekühlt. Die Temperaturveränderungen deuten auf eine Abschwächung des Golfstroms um 15 Prozent hin.
Abb. 3.8 > Die sinkenden Oberflächentemperaturen in der Meeresregion südöstlich Grönlands deuten Wissenschaftler als Beleg für eine abnehmende Tiefenwasserbildung im Nordatlantik. Die Logik dahinter: Weil im Zuge der globalen Erwärmung weniger Wassermassen im Nordatlantik umgewälzt werden, hat der Nordatlantikstrom abgenommen, welcher Wärme von der US-Ostküste nach Nordeuropa transportiert. Und wo weniger Wärme ankommt, kühlt sich das Meer ab.