Ein Jetstream auf Schlängelkurs lässt nicht nur warme, feuchte Luft in die Arktis eindringen. In seinem Schlepptau können unter Umständen auch Staubwolken aus der Tausende Kilometer entfernten Sahara in den hohen Norden wandern. Einen solchen Staubeintrag aus Nordafrika beobachteten Atmosphärenforscher beispielsweise im April 2011.
Damals kam es infolge des mäandrierenden Jetstreams zu einem Wirbelsturm über dem marokkanischen Teil der Sahara. Der Sturm wirbelte große Mengen Wüstensand auf und riss sie bis in eine Höhe von sechs Kilometern mit sich. Eine große Staubwolke entstand, die zunächst von nordwärts strömenden Luftmassen – später vom Jetstream selbst – über Spanien, Westeuropa und den Nordostatlantik hinweg bis in den Süden Grönlands transportiert wurde. Dort rieselte der Wüstensand dann in Schneekristalle oder Wassertropfen eingeschlossen auf den Eisschild nieder.
Staub- und Rußpartikel, die vom Wind getragen um die Welt reisen, werden von Experten als Aerosole bezeichnet. Sie sind wenige Nanometer bis mehrere Mikrometer klein und damit so leicht, dass sie – einmal aufgewirbelt – kaum mehr zu Boden sinken. Aerosole entstehen jedoch nicht nur bei Wüstenstürmen, sondern auch bei Feld- und Waldbränden, bei Vulkanausbrüchen und wenn der Mensch Öl oder Kohle verbrennt. Speziell für die Arktis sind beispielsweise auch die kargen Böden Islands eine wichtige Quelle. In der Luft schweben können zudem auch Blütenpollen, Baktieren, Viren und aufgewirbelte Meersalzpartikel.
Für das Klima der Arktis spielen Aerosole eine wichtige Rolle. Sie beeinflussen die Wärmebilanz der Nordpolarregion. Tröpfchen aus der Schwefelverbindung Sulfat zum Beispiel reflektieren das einfallende Sonnenlicht, bevor es die Erdoberfläche erreicht, und haben somit einen kühlenden Effekt. Staub- und Rußpartikel hingegen wirken wärmend, weil sie das Sonnenlicht absorbieren und damit dessen Energie in der Atmosphäre halten. In einem geringen Maß streuen und absorbieren Aerosole auch die von der Erde abgestrahlte Wärmeenergie. Das heißt, sie wirken in diesem Fall wie Treibhausgase und erwärmen die Atmosphäre. Dieser wärmende Effekt zeigt sich vor allem über Flächen mit hoher Rückstrahlkraft, wie sie Eis und Schnee besitzen. In den Polargebieten tragen Aerosole daher eher zu einer Erwärmung bei als in niedrigen Breiten. Dort wirken sie eher kühlend.
Ohne Aerosole würden sich auch keine Wolken bilden. Die winzigen Teilchen dienen als Kondensationskeime, an denen sich Wassertröpfchen oder Eiskristalle bilden, sodass Wolken entstehen können. In der Arktis verstärken diese die Sommerschmelze des Meereises. Staub- und Rußpartikel beschleunigen außerdem die Schnee- und Eisschmelze, indem sie sich irgendwann auf dem Meer- und Gletschereis absetzen, deren Oberfläche verschmutzen und so die Rückstrahlkraft des Eises beeinträchtigen. Die Albedo des Grönländischen Eisschilds beispielsweise hat in den zurückliegenden Jahrzehnten spürbar abgenommen, auch weil sich mittlerweile mehr Schwebstoffe auf dem Eispanzer ablagern.
Abb. 3.9 > Dreckiges Eis: Ruß- und Staubpartikel verdunkeln die Oberfläche des Helheimgletschers im Südosten Grönlands.
Besonders hohe Aerosolkonzentrationen werden in der Arktis jeweils im späten Winter sowie im darauffolgenden Frühling gemessen. In dieser Zeit schweben dann so viele verschiedene Partikel in der unteren Troposphäre, dass eine weißlich bis rötlich schimmernde Nebelwolke über der gesamten Arktis liegen kann. Forscher nennen dieses Phänomen Arctic Haze (Arktischer Dunst) und sprechen in diesem Zusammenhang auch von Luftverschmutzung. Die meisten Aerosole stammen nämlich von Waldbränden oder werden von Industrieanlagen und Kohlekraftwerken in Europa, Nordamerika und Asien freigesetzt. Der Wind transportiert sie dann Richtung Arktis, wo sie sich vor allem im Winter besonders lang in der Luft halten. Denn zum einen vermischen sich in dieser Jahreszeit die Luftmassen im Nordpolargebiet kaum. Zum anderen entstehen in der kalten, spätwinterlichen Atmosphäre auch nur wenige Wolken, sodass die Schmutzpartikel so gut wie gar nicht durch Regen oder Schnee herausgewaschen werden.
Ob die Aerosolkonzentration in der Arktis künftig zunehmen wird, können Forscher noch nicht vorhersagen. Wenn der Jetstream mäandriert, gelangt auch mehr Feuchtigkeit in das Nordpolargebiet, deren Niederschlag die Schwebstoffe auswäscht. Insofern bleibt die Frage, welche Aerosole auf welchen Pfaden in die Arktis gelangen und dort das Klima beeinflussen, ein wichtiges Forschungsthema.
Abb. 3.10 > Luftverschmutzung: Ein US-amerikanisches Forschungsflugzeug fliegt durch eine Dunstwolke über der Arktis, die sich infolge großer Staub-, Ruß- und Schwefelemissionen in Europa, Nordamerika und Asien gebildet hat.