Konflikte um die Vormachtstellung auf dem Meer wurden nicht immer in offenen Schlachten ausgetragen. Im Streit zwischen der englischen und der spanischen Krone beispielsweise entschied sich Königin Elisabeth I. Mitte des 16. Jahrhunderts für eine besondere Taktik. Sie wollte den Spaniern durch Kaperei wirtschaftlichen Schaden zufügen. Statt eine Flotte von Kriegsschiffen zu schicken, wurde der Kampf gegen Spanien privatisiert. Mit Erlaubnis des englischen Königshauses wurden erfahrene Kapitäne angeheuert, die als Kaperer Jagd auf die Handelsschiffe der spanischen Krone machen sollten. Das englische Königshaus stellte ihnen dazu Kaperbriefe aus – eine offizielle Erlaubnis zu internationaler Piraterie. Zudem wurde vertraglich geregelt, welchen Anteil an der Beute die Kapitäne behalten durften beziehungsweise am Hof abzuliefern hatten.
Einer der berühmtesten Kaperer seiner Zeit war Francis Drake, der 1577 zu seiner Weltumsegelung aufbrach. Drake sollte nicht nur Handelsschiffe ausrauben. Er bekam zusätzlich den riskanten Auftrag, die Südspitze Amerikas bei Feuerland zu umsegeln und auf der pazifischen Seite die spanischen Kolonien quasi durch die Hintertür anzugreifen. Er hatte Erfolg. Er segelte die Pazifikküste Südamerikas gen Norden und überrumpelte die spanischen Kolonialherren in den pazifischen Städten. Er überfiel sogar Lima, den Hafen des spanischen Vizekönigs. Drake erbeutete Gold, Silber, Edelsteine und teure Gewürze. Man schätzte den damaligen Wert der Beute auf sagenhafte 500 000 Pfund, die heute rund 100 Millionen Euro entsprechen würden. Drake wurde für seine Taten zum Ritter geschlagen, was einem Affront gegenüber dem spanischen Königshaus gleichkam.
Noch mehrere Jahrhunderte lang war die Kaperei Alltag auf den Weltmeeren – insbesondere auf den Routen von Europa nach Asien im Indischen Ozean und im Pazifik. Erst mit der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 wurde das Ausstellen von Kaperbriefen international geächtet.
Abb. 2.5 > In England ein Held, in Spanien ein Schuft: der Kaperer Sir Francis Drake (1540–1596).