In der Literatur finden sich viele verschiedene Angaben zur Länge der Küsten weltweit. Das ist nicht verwunderlich, denn die Länge einer Küste hängt davon ab, welchen Maßstab man bei ihrer Vermessung anlegt. Auf diese Erkenntnis wird auch in einem Artikel Bezug genommen, den der Mathematiker Benoît Mandelbrot 1967 im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte. In dem Beitrag mit dem Titel „How long is the coast of Britain?“ (Wie lang ist die britische Küste?) kam auch er zu dem Schluss, dass es für die Beantwortung dieser Frage darauf ankommt, wie klein oder wie groß man den Maßstab wählt. Vermisst man eine Küste nur grob, ohne beispielsweise die Länge der Buchten zu bestimmen, ist die Gesamtlänge geringer. Legt man einen feineren Maßstab an, mit dem man auch kleinere Einbuchtungen berücksichtigen kann, ist die Küstenlinie länger. Benoît Mandelbrot brachte seinen Aufsatz später mit dem mathematischen, von ihm selbst geprägten Begriff des Fraktals in Verbindung.
Ein Fraktal ist ein mathematisches Objekt, das aus einer sich bis in die kleinste Dimension wiederholenden Struktur aufgebaut ist. In diesem Sinne lässt sich auch eine Küstenlinie unendlich fein auflösen. So ist es theoretisch möglich, bei der Vermessung einer Küste den Umfang jedes Steins oder Sandkörnchens zu berücksichtigen, aus dem die Küste besteht. Der Unterschied zum Fraktal besteht allerdings darin, dass sich hier keine identische Struktur wiederholt.
Abb. 1.18 > Je feiner der Maßstab ist, den man bei der Vermessung einer Küste anlegt, desto größer wird die Länge, die man errechnet.