Der Klimawandel wird die Lebensbedingungen im Meer künftig stark verändern. Mit dem Aufheizen der Atmosphäre erwärmt sich auch das Meerwasser. Wissenschaftler führen das Absterben großer Bereiche tropischer Korallenriffe auf steigende Wassertemperaturen zurück. Hinzu- kommt, dass sich große Mengen des Kohlendioxids, das mit der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas in die Atmosphäre gelangt, im Meerwasser lösen und dabei, vereinfacht ausgedrückt, Kohlensäure bilden. Welche Folgen diese Ozeanversauerung hat, ist bislang noch nicht abzusehen. Durch das Abschmelzen der Festlandgletscher in Grönland und der Antarktis könnte der Meeresspiegel in den kommenden Jahrhunderten um mehrere Meter steigen. Das wäre vor allem für jene Menschen eine Katastrophe, die in flachen Küstenregionen leben. Diese Folgen des Klimawandels lassen sich nur vermeiden, wenn die Menschheit so schnell wie möglich von den fossilen Energierohstoffen auf erneuerbare Energien umsteigt. Das Meer kann dazu einen Beitrag leisten. Im Wind über dem Meer, in den Wellen und Strömungen sind große Mengen an kinetischer Energie, Bewegungsenergie, enthalten, die sich in elektrischen Strom wandeln lassen. Zu den wichtigsten erneuerbaren Energieformen im Meer zählen:
Der Stromverbrauch macht heute weltweit etwa 18 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus. Dazu könnten die erneuerbaren Energieformen im Meer einen erheblichen Teil beitragen. Am vielversprechendsten ist dabei die Windenergie. Experten gehen davon aus, dass allein die Offshore-Windkraft künftig weltweit rund 5000 Terawattstunden Strom pro Jahr liefern könnte – ein Viertel des jährlichen globalen Stromverbrauchs von rund 20 000 Terawattstunden (TWh, 1 Terawattstunde entspricht 1 Billion Wattstunden). Allerdings muss man dabei zwischen dem technischen Potenzial einer Energietechnik und dem nachhaltigen Potenzial unterscheiden. Das technische Potenzial fasst alle theoretisch möglichen Anlagenstandorte zusammen. Das nachhaltige Potenzial berücksichtigt Umweltaspekte wie etwa die Zerstörung von Lebensräumen am Meeresboden durch die Gründung von Fundamenten für Offshore-Windräder – und fällt entsprechend kleiner aus. Die Offshore-Windkraft ist jene Energieform aus dem Meer, die heute am weitesten ausgebaut ist. Weltweit waren im Jahr 2014 mehrere Tausende Windräder mit einer Nennleistung von 8795 Megawatt installiert, wobei eine einzelne Offshore-Windanlage heute eine Leistung zwischen 2 und 4 Megawatt hat. Damit können rund 5000 Haushalte versorgt werden. Die Nennleistung entspricht dabei der maximalen Leistung, die ein Windrad bei optimalen Windbedingungen erreicht. Noch ist die Gesamtleistung der Offshore-Windenergie im Vergleich zum Land gering. So sind allein im deutschen Bundesland Niedersachsen Windräder mit einer Leistung von rund 8300 Megawatt an Land installiert. Doch der Ausbau der Offshore-Windenergie hat in den vergangenen Jahren enorm an Fahrt gewonnen. 2011 waren weltweit auf See erst Windanlagen mit 4117 Megawatt installiert. Damit hat sich die installierte Leistung zwischen 2011 und 2014 mehr als verdoppelt.
Vor allem in Europa wurde die Offshore-Windenergie in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Ende 2014 waren in den europäischen Gewässern 2488 Offshore-Anlagen mit einer Gesamtnennleistung von 8045 Megawatt am Netz. Weltweit werden damit rund 90 Prozent des Offshore-Windstroms in Europa produziert. Vorreiter ist Großbritannien. Allein in den Küstengewässern des Vereinigten Königreichs sind Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 4500 Megawatt installiert. Dass Großbritannien einen so großen Vorsprung hat, liegt daran, dass der Ausbau schon früh begonnen hat, das Land aufgrund der Insellage über eine große AWZ verfügt und die Anlagen relativ küstennah in geringen Wassertiefen errichtet wurden. In Deutschland hingegen gab es massive Proteste gegen den küstennahen Ausbau. Die Tourismusindustrie fürchtete, dass Urlaubsgäste den Anblick großer Windparks direkt vor der Küste als störend empfinden könnten. Naturschützer wiederum warn-ten davor, die Windräder zu nahe am Wattenmeer zu errichten, das zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt und ein bedeutender Rastplatz für Millionen von Zugvögeln ist. Die meisten deutschen Windparks wurden und werden daher weit vor der Küste in größeren Wassertiefen errichtet, was technisch relativ aufwendig ist. Verzögerungen gab es in Deutschland auch, weil Kabeltrassen für die Anbindung der Windparks an das Stromnetz am Festland durch Meeresgebiete verlegt wurden, in denen zunächst Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg geräumt werden mussten. Was den Ausbau an Land betrifft, hat sich China in nur wenigen Jahren zum weltweiten Spitzenreiter entwickelt. Experten gehen deshalb davon aus, dass das Land auch in den Ausbau von Offshore-Windparks stark investieren wird. In den USA hingegen gibt es derzeit erst einige wenige Offshore-Pilotprojekte.
4.17 > Vorreiter beim Ausbau der Offshore-Windenergie ist derzeit Großbritannien. In Deutschland wiederum stehen momentan viele Offshore-Projekte vor dem Abschluss, sodass das Land in den nächsten Jahren auf den zweiten Platz vorrücken dürfte. Welche Dynamik dieser Markt derzeit hat, verdeutlicht die Tatsache, dass sich die Leistung der Offshore-Windenergie weltweit in wenigen Jahren verdoppelt hat.
Steigendes Interesse an der Offshore-Windenergie gibt es auch in Japan. Da die Inseln aber sehr steil in die Tiefsee abfallen, gibt es anders als in Europa kaum Flachwasserbereiche. Japan favorisiert deshalb schwimmende Windenergieanlagen, die senkrecht im Wasser stehen und mit Stahlseilen am Meeresboden verankert werden. Weltweit gibt es bereits mehrere solcher Anlagen. Die Technik gilt als ausgereift. Allerdings ist die Installation von schwimmenden Anlagen aufgrund der großen Tiefe teurer als die von gewöhnlichen Windenergieanlagen. Im Vergleich zur Windenergie stecken die übrigen Offshore-Energietechnologien noch in den Kinderschuhen. Zwar gibt es weltweit bereits mehrere Wellenkraft-, Strömungs- und Osmosekraftwerke, doch sind viele von ihnen noch eher Prototypen. Eine großindustrielle Fertigung wie in der Windenergie ist noch lange nicht in Sicht. Am wenigsten fortgeschritten ist heute die Technologie der Meereswärmekraftwerke. In den 1990er Jahren gab es vor Hawaii mehrere kleine prototypische Anlagen. Ein größeres alltagstaugliches System aber wurde bislang nicht gebaut. Gezeitenkraftwerke wiederum sind zwar seit Jahrzehnten eine etablierte Technologie, doch ist der Bau sehr aufwendig, weil dafür Dämme und Sperrwerke mit großen Turbinen errichtet werden müssen. Entsprechend wenige Anlagen gibt es weltweit. Ein Beispiel ist das La-Rance-Gezeitenkraftwerk, das seit 1966 in der Nähe der französischen Stadt Saint-Malo in Betrieb ist.
4.18 > Andere Länder, andere Bauvorschriften: Während in Deutschland der Bau von Windparks nahe an der Küste untersagt ist, hat Großbritannien viele Windparks in direkter Nähe zur Küste in deutlich flacherem Wasser errichtet – nicht zuletzt, weil es dort keine ausgedehnten Wattflächen gibt.