Mineralische Rohstoffe
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WOR 3 Rohstoffe aus dem Meer – Chancen und Risiken | 2014

Kobaltkrusten

Metallreiche Krusten

> Kobaltkrusten sind eine vielversprechende Ressource am Meeresboden, da sie große Mengen an Kobalt, Nickel, Mangan und anderen Metallen enthalten, die die Gehalte in Landlagerstätten zum Teil übertreffen könnten. Sie bilden sich auf Gesteinsflächen an untermeerischen Erhebungen. Zu ihrem Abbau sind Maschinen nötig, die das Material vom Untergrund abtrennen können. Darüber liegen bislang aber nur Konzeptstudien vor.

Seeberge Seeberge, die Sea-mounts, sind durch vulkanische Aktivität am Meeresboden in Millionen Jahren in die Höhe gewachsen. Seamounts kommen in allen Meeren vor und erreichen eine Höhe von 1000 bis 4000 Metern. Kleinere Seeberge mit geringerer Höhe nennt man auch Knolls.

Deckschicht auf dem Fels

Kobaltkrusten sind steinharte, metallhaltige Beläge, die sich auf den Felshängen von untermeerischen Vulkanen, sogenannten Seebergen, bilden. Diese Krusten entstehen ähnlich wie Manganknollen, indem sich im Laufe von Jahrmillionen Metall­verbin­dun­gen im Wasser auf dem Gestein ablagern. Wie bei den Manganknollen läuft diese Ablagerung ausgesprochen langsam ab: Pro Million Jahre wachsen die Krusten 1 bis 5 Millimeter und damit sogar noch langsamer als die Manganknollen. Je nachdem wie stark das Meerwasser mit Metallverbindungen angereichert ist, haben sich in verschiedenen Meeresgebieten Krusten unterschied­licher Dicke gebildet. Auf manchen Seebergen sind diese nur 2 Zentimeter mächtig, in den ergiebigsten Gebieten bis zu 26 Zentimeter. Da Kobaltkrusten fest mit dem felsigen Untergrund verbunden sind, können sie nicht einfach wie Manganknollen vom Meeresboden aufgelesen werden. Vielmehr müsste man sie künftig aufwendig vom Untergrund abtrennen. Experten schätzen, dass es weltweit mindestens 33 000 Seeberge gibt. Die genaue Zahl kennt man nicht. Davon kommen etwa 57 Prozent im Pazifik vor. Der Pazifik ist somit die wichtigste Kobaltkrustenregion der Welt. Besonders interessant ist der Westpazifik. Hier findet man die ältesten Seeberge, die bereits im Jura vor rund 150 Millionen Jahren entstanden sind. Entsprechend viele Metallverbindungen konnten sich hier im Laufe der Zeit ablagern und vergleichsweise dicke Krusten bilden. Primäre Krustenzone (Prime Crust Zone, PCZ) wird dieses Gebiet rund 3000 Kilometer südwestlich von Japan genannt. Man schätzt die Krustenmenge in der PCZ auf insgesamt 7,5 Milliarden Tonnen.
2.18 > Manganknollen und Kobaltkrusten enthalten vor allem Mangan und Eisen. Da Eisen in Landlagerstätten in großen Mengen vorhanden ist, spielt es für den Meeresbergbau keine Rolle. Betrachtet man die übrigen Elemente, deren Gewichtsanteil geringer ist, ergeben sich aber große Unterschiede. Bei den Manganknollen überwiegen Nickel und Kupfer-, bei den Kobaltkrusten Kobalt, ebenfalls Nickel und Seltenerdelemente.
Abb. 2.18 > Manganknollen und Kobaltkrusten enthalten vor allem Mangan und Eisen. Da Eisen in Landlagerstätten in großen Mengen vorhanden ist, spielt es für den Meeresbergbau keine Rolle. Betrachtet man die übrigen Elemente, deren Gewichtsanteil geringer ist, ergeben sich aber große Unterschiede. Bei den Manganknollen überwiegen Nickel und Kupfer-, bei den Kobaltkrusten Kobalt, ebenfalls Nickel und Seltenerdelemente. © nach Hein

Eine Kruste, reich an Metallen

Wie die Manganknollen stellen auch die Kobaltkrusten eine sehr große Metallressource im Meer dar. Wie der Name schon sagt, enthalten die Krusten, verglichen mit Landlagerstätten und Manganknollen, relativ viel Kobalt. Den größten Anteil in den Kobaltkrusten haben aber die Metalle Mangan und Eisen. Im Englischen bezeichnet man die Krusten etwas präziser als cobalt-rich ferromanganese crusts (kobaltreiche Eisenmangankrus­ten). Auch Tellur kommt in Kobaltkrusten in vergleichsweise großen Mengen vor. Tellur wird insbesondere für die Produktion besonders effizienter Dünnschicht-Fotovoltaikzellen be-nötigt. Die Krusten der Primären Krustenzone enthalten zwar absolut gesehen nicht ganz so viel Mangan wie die Manganknollen der Clarion-Clipperton-Zone. Dennoch sind die Manganmengen in der PCZ noch knapp 3-mal größer als die heute wirtschaftlich abbaubaren Mengen an Land. Im südlichen Bereich der PCZ finden sich darüber hinaus Krusten mit vergleichsweise hohen Gehalten an Seltenerdelementen.
2.19 > Kobaltkrusten und Manganknollen kommen in verschiedenen Meeresgebieten vor. Für beide Rohstoffe aber gibt es besonders ergiebige Regionen. Das bedeutendste Kobaltkrus­tengebiet ist die Primäre Krustenzone im Westpazifik (Prime Crust Zone, PCZ). Das wichtigste Manganknollengebiet die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ).
Abb. 2.19 > Kobaltkrusten und Manganknollen kommen in verschiedenen Meeresgebieten vor. Für beide Rohstoffe aber gibt es besonders ergiebige Regionen. Das bedeutendste Kobaltkrus­tengebiet ist die Primäre Krustenzone im Westpazifik (Prime Crust Zone, PCZ). Das wichtigste Manganknollengebiet die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ). © nach Hein et al.
2.20 > Besonders ergiebige Kobaltkrus­ten finden sich im Westpazifik in einem Gebiet von der Größe Europas, der Primären Krustenzone (PCZ). Vergeicht man diese mit Landlagerstätten und dem Manganknollengebiet in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ), zeigt sich, dass in der PCZ vor allem die Kobalt- und Tellurvorkommen vergleichsweise groß sind und die Mengen sowohl der Landlagerstätten als auch der CCZ übertreffen.
Abb. 2.20 > Besonders ergiebige Kobaltkrus­ten finden sich im Westpazifik in einem Gebiet von der Größe Europas, der Primären Krustenzone (PCZ). Vergeicht man diese mit Landlagerstätten und dem Manganknollengebiet in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ), zeigt sich, dass in der PCZ vor allem die Kobalt- und Tellurvorkommen vergleichsweise groß sind und die Mengen sowohl der Landlagerstätten als auch der CCZ übertreffen. © Hein

Zusatzinfo Sauerstoff aus der Tiefe lässt Krusten wachsen

Stark umströmte Seeberge

Kobaltkrusten bilden sich auf allen freiliegenden Gesteins­oberflächen an untermeer­ischen Erhebungen, vor allem auf Seebergen und Knolls. Zum Teil wirken Seeberge wie gigantische Rührstäbe im Meer, die große Wirbel erzeugen. In diesen Wirbeln an den Seebergen werden oftmals Nährstoffe oder andere Substanzen gefangen, die von der Meeresoberfläche herabrieseln oder mit der Meeresströmung herangetrieben werden. Auch Metallverbindungen können darin enthalten sein, die sich dann auf dem Gestein ablagern. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Bildung von Kobaltkrusten ist, dass der Fels oder die aufwachsenden Krusten frei von Sedimenten gehalten werden. Auch diese Bedingung ist an den Seebergen und anderen Erhebungen erfüllt: Die Strömungen tragen die feinen Sedimente fort und halten das Gestein und die Krus­ten frei. Kobaltkrusten findet man in Tiefen von 600 bis 7000 Metern. Wie Untersuchungen an Seebergen ergeben haben, bilden sich die dicksten und wertstoffreichsten Krusten im oberen Bereich der Seeberghänge, die gut angeströmt werden. Im Durchschnitt liegen diese in Wassertiefen von 800 bis 2500 Metern in der Nähe der Sauerstoff­minimum­zone. Analysen zeigen außerdem, dass Krus­ten in einer Tiefe von 800 und 2200 Metern die höchsten Kobaltgehalte haben. Warum das so ist, wissen die Forscher noch nicht genau.

Ähnlich wie ein Schwamm oder Aktivkohle, die oft als Filtersubstanz im Aquarium eingesetzt wird, sind Kobaltkrusten sehr porös. Dank dieser vielen nur wenige Mikrometer kleinen Poren haben die Krusten eine große innere Oberfläche. So wie in den Poren eines Aktivkohlefilters Schadstoffe hängen bleiben, lagern sich an der großen Oberfläche der Krusten Metallverbindungen ab. Da im Meerwasser gelöste Metalle nur in extrem geringen Konzentrationen enthalten sind, dauert das Wachstum der Krusten dennoch sehr lange. Die Krusten entstehen vor allem durch die Anlagerung von Eisenhydroxidoxid [FeO(OH)] und Manganoxid (Vernadit, MnO₂) an. Alle anderen Metalle werden sozusagen als Trittbrettfahrer mit dem Eisenhy­droxidoxid und dem Vernadit in und auf der Krustenoberfläche angelagert. Der Grund: Im Meer heften sich verschiedene Metallionen an die im Wasser enthaltenen Eisenhydro­xidoxid- und Vernaditmoleküle an. Eisenhy­droxidoxid ist leicht positiv geladen und zieht damit negativ geladene Ionen wie etwa Molybdänoxid (MoO42-) an. Vernadit hingegen ist leicht negativ geladen und zieht positiv geladene Ionen wie zum Beispiel Kobaltionen (Co2+), Kupferionen (Cu2+) oder Nickelionen (Ni2+) an. Fast alle im Meerwasser enthaltenen Metallionen stammen übrigens vom Land. Sie werden dort im Laufe der Zeit aus dem Gestein gewaschen und über die Flüsse in die Ozeane transportiert. Eisen und Mangan hingegen gelangen meist über vulkanische Quellen am Meeresboden, die Hydrothermalquellen, ins Meer.

Krustenabbau in Hoheitsgebieten?

Manganknollen und Kobaltkrusten sind für den künftigen Meeresbergbau gleichermaßen interessant, da sie viele industriell wichtige Metalle in Spuren enthalten, die aufgrund der großen Tonnagen an Kobaltkrusten und Manganknollen wirtschaftlich von Interesse sind. Was die Exploration und den künftigen Abbau betrifft, gibt es aber wesentliche Unterschiede. Das betrifft beispielsweise die rechtliche Situation. Anders als bei den Manganknollen liegen die meisten ergiebigen Krustenvorkommen nicht in den internationalen Gewässern der Hohen See, sondern in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) verschiedener Inselstaaten. Über einen zukünftigen Abbau wird dort also nicht die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) bestimmen, sondern die jeweiligen lokalen Regierungen. Konkrete Pläne gibt es derzeit aber in keinem Land. Für die Krustenvorkommen in den internationalen Gewässern hingegen gibt es seit Kurzem ein verbindliches Regelwerk. So verabschiedete die ISA erst im Juli 2012 international verbindliche Regeln für die Exploration solcher Krustenvorkommen im Gebiet der Hohen See. Zwar legten inzwischen bereits China, Japan und Russland der ISA schon Arbeitspläne für eine künftige Exploration in den internationalen Gewässern des Westpazifiks vor, doch müssen der Rat und die Versammlung der Meeresbodenbehörde diese zunächst noch genehmigen. In diesen Arbeitsplänen ist aufgeführt, welche Basisinformationen die Staaten in den nächsten Jahren sammeln wollen, dazu gehören die Probennahme am Meeresboden und die Analyse der Krusten, Tiefenmessungen oder auch Untersuchungen der Fauna.

Schwierige Dickenmessung

Auch in technischer Hinsicht unterscheidet sich die Exploration der Kobaltkrusten fundamental von der Situation bei den Manganknollen. Manganknollen können durch sogenannte Kastengreifer wie mit einer Baggerschaufel leicht und schnell an Bord geholt werden, um Proben zu nehmen und beispielsweise Metallgehalte zu messen. Auch sind die Knollen über größere Strecken relativ gleichmäßig über den Meeresboden verteilt. Damit lassen sich die Vorkommen durch Foto- und Videoaufnahmen relativ gut einschätzen, insbesondere auch die Größe der Knollen. Die Beprobung und Messung der Dicke von Kobaltkrus­ten hingegen sind deutlich schwieriger, da Gesteinsbrocken abgerissen oder herausgebohrt werden müssen. Die lokalen Unterschiede sind kaum bekannt, und die punktuelle Untersuchung ist ausgesprochen aufwendig und teuer.
2.21 > Viele Metallionen gelangen als Trittbrettfahrer in die Kobaltkrusten. Die Metall­ionen lagern sich im Wasser an Eisenhydroxidoxid- und Vernaditmolekülen an, die sich dann auf und in der porösen Oberfläche der Krusten absetzen.
Abb. 2.21 > Viele Metallionen gelangen als Trittbrettfahrer in die Kobaltkrusten. Die Metall­ionen lagern sich im Wasser an Eisenhydroxidoxid- und Vernaditmolekülen an, die sich dann auf und in der porösen Oberfläche der Krusten absetzen.  © maribus
Sehr viel effizienter wären daher Messgeräte, die man in der Tiefe knapp über dem Meeresboden durch das Wasser zieht, die also quasi im Vorbeifliegen die Dicke der Krusten präzise messen könnten. Auf diese Weise ließen sich große Areale in kurzer Zeit untersuchen. Daher arbeiten derzeit Wissenschaftler an der Verfeinerung hochauflösender akustischer Geräte. Diese beschallen den Meeresboden mit Wellen, fangen die aus dem Boden reflektierten Signale auf und berechnen daraus den Schichtaufbau des Untergrunds. Solche Apparate sind bei der Exploration anderer Rohstoffe am Meeresboden der Stand der Technik. Geräte, die allerdings so präzise arbeiten, dass sie die Kobaltkrusten zentimetergenau vermessen und vom Fels unterscheiden können, gibt es noch nicht.
Ein alternatives Verfahren wären Gammastrahlungsdetektoren, die heute bereits an Land für die Vermessung von Gesteinsschichten eingesetzt werden. Viele Gesteine enthalten Radionuklide, also instabile Atome, die zerfallen können und dabei radioaktive Strahlung, Gammastrahlung, abgeben. Diese Strahlung nehmen die Detektoren wahr. Da in jedem Gestein Radionuklide in unterschiedlicher Kombination oder Zahl enthalten sind, kann man verschiedene Gesteine anhand ihres Gammastrahlungsmusters voneinander unterscheiden. Auch die Krusten und die darunterliegenden Vulkangesteine der Seeberge unterscheiden sich deutlich in der Mischung der Radionuklide. Da dieses Verfahren sehr präzise ist, ließe sich die Dicke von Kobaltkrusten sehr gut erfassen. Noch aber gibt es keine entsprechenden Detektoren für den Routineeinsatz in der Tiefsee.
2.22 > Unscheinbar, aber ausgesprochen attraktiv für Bergbau- und Metallkonzerne: Kobaltkrusten am Meeresboden.
Abb. 2.22 > Unscheinbar, aber ausgesprochen attraktiv für Bergbau- und Metallkonzerne: Kobaltkrusten am Meeresboden. © Jamstec

Nicht viel mehr als Konzeptstudien

Unklar ist bislang auch, wie die Krusten zukünftig überhaupt in großen Mengen abgebaut werden sollen. Bislang gibt es lediglich Konzeptentwürfe und Laborversuche. Unter anderem arbeiten Ingenieurbüros an Raupenfahrzeugen, die mit einer Art Meißel die Krusten vom Gestein abspalten und über feste Spezialschläuche an die Wasser­oberfläche zum Schiff pumpen. Fachleute schätzen, dass für einen wirtschaftlichen Abbau jährlich mehr als 1 Million Tonnen Kobaltkrustenmasse gefördert werden müsste. Das lässt sich vermutlich nur erreichen, wenn die Krusten eine Dicke von mindestens 4 Zentimetern haben. Entsprechend leistungsfähig sollten die Raupenfahrzeuge sein. Zudem müssen sie im teilweise unwegsamen Gelände an den Hängen der Seeberge arbeiten können. Für den Abbau der Kobaltkrusten – und ebenfalls der Manganknollen – bleibt auch der Transport der Mineralien vom Meeresboden zum Schiff eine Herausforderung. Pumpen und Ventile müssen extrem verschleißarm sein, um den hohen Beanspruchungen standhalten zu können. Ingenieure testen die Strapazierfähigkeit von Schläuchen und Pumpenprototypen derzeit unter anderem mit Glasmurmeln, Kies und Schotter. Bis aber ein Prototyp einer Förderanlage mitsamt Raupenfahrzeug, Pumpentechnik und Förderstrang realisiert ist, dürften noch mindestens 5 Jahre vergehen.

Artenreiche Seeberge

Im Hinblick auf den Umweltschutz ist durchaus positiv zu bewerten, dass technische Lösungen zum wirtschaftlichen Abbau noch nicht vorhanden sind, denn noch ist ungeklärt, wie stark der Abbau von Kobaltkrusten die Tiefseelebensräume schädigen wird. Bis heute wurden weltweit erst einige Hundert Seeberge von Meeresbiologen genauer untersucht. Viele Meeresregionen und damit auch Seeberge sind in biologischer Hinsicht noch völlig unerforscht. Die Biologen halten es daher für erforderlich, weitere Gebiete und Lebensgemeinschaften auf Seebergen zu untersuchen, ehe der Abbau der Krusten startet. Je später er beginnt, desto mehr Zeit bleibt ihnen dafür. Bekannt ist, dass sich die Artenzusammensetzung der Seeberge von Meeresgebiet zu Meeresgebiet deutlich unterscheidet. Wie bei Bergen an Land, die je nach geographischer Lage und Höhe verschiedenen Arten unterschiedliche Lebensräume bieten, unterscheidet sich die Artenzusammensetzung und -vielfalt auch bei den Seebergen. In der Vergangenheit wurde angenommen, dass hier besonders viele endemische Arten vorkommen. Neuere Studien können diese Vermutung nicht belegen. Seeberge sind auch für frei schwimmende Lebewesen von Bedeutung. Das ist vermutlich auf die besonderen Meeresströmungen hier zurückzuführen. Zum einen werden Nährstoffe durch die kreisenden Strömungen am Seeberg gehalten. Zum anderen wird nährstoffreiches Wasser durch die Strömungen an den Seebergen aus der Tiefe heraufbefördert, was zu verstärktem Planktonwachstum führt. Haie oder auch Thunfische kommen aufgrund dieses Nahrungsangebots an Seebergen zum Teil in großer Zahl vor – beispielsweise im Südwestpazifik. Diese Seeberggebiete sind daher auch für den Thunfischfang von großer Bedeutung.

Angesichts der geschätzten Gesamtzahl von mindes­tens 33 000 Seebergen weltweit ist das Wissen über sie noch immer verhältnismäßig lückenhaft, weil erst wenige Seeberge genauer untersucht wurden. Um wenigstens grob abschätzen zu können, wie vielfältig die Tiefsee ist und wie stark sich Tiefseelebensräume weltweit vonein­ander unterscheiden, wurde im Auftrag der UNESCO der GOODS-Report (Global Open Oceans and Deep Sea-habitats) über weltweite Meeres- und Tiefsee­lebens­räume ausgearbeitet, der 2009 veröffentlicht wurde. Dieser Report teilt die Meere in verschiedene Bio­regionen ein. Dabei wird insbe­sondere auch die Tiefe berücksichtigt. Für den Tiefenbereich von 800 bis 2500 Metern, in dem weltweit auch die dicksten und ergiebigsten Krusten vorkommen, definiert der Report 14 Bioregionen. Grundlage dieser Einteilung sind biologische Informationen von Tiefseeexpeditionen sowie ozeanographische Parameter wie etwa der Kohlenstoff-, Salz- und Sauerstoffgehalt oder die Temperatur in bestimmten Tiefen. Berücksichtigt wurde außerdem die Struktur des Meeresbodens, die Topographie. Dazu gehören flache Tiefseebereiche, hydrothermale Quellen oder Seeberge. Zwar ist diese Einteilung noch sehr grob, wie auch die Autoren der Studie einräumen, dennoch hilft der GOODS-Report dabei, einzuschätzen, welche Lebensräume in welcher Meeresregion zu erwarten sind. Viele Tierarten, die auf oder an Seebergen leben, sind auch dadurch charakterisiert, dass sie extrem langsam wachsen und nur wenige Nachkommen zeugen – die Kaltwasserkorallen etwa, die die Tiefsee bewohnen, leben mehrere Hundert, sogar bis zu 1000 Jahre. Auch manche Tiefseefische werden mehr als 100 Jahre alt. Sie werden erst mit etwa 25 Jahren geschlechtsreif und produzieren nur wenige Eier. Oftmals kommen solche Arten an einem Seeberg in verhältnismäßig großer Zahl vor. Weil sie nur wenige Nachkommen zeugen, sind sie durch Fischfang oder die Zerstörung ihres Lebensraums besonders gefährdet. Sterben die Elterntiere, gibt es kaum noch Nachwuchs, durch den sich der Bestand erholen könnte. Untersuchungen bei Australien und Neuseeland haben gezeigt, dass sich die Fauna an Seebergen nur sehr langsam von Eingriffen erholt. So hat man zum Beispiel festgestellt, dass jene Gebiete, in denen Schleppnetze eingesetzt worden waren, sich selbst nach einer 10- bis 30-jährigen Ruhephase als deutlich artenärmer erwiesen als jene Areale, die von Schleppnetzfischerei gänzlich verschont geblieben sind.

Nahezu unerforscht – das Leben auf den Kobaltkrusten

Bis heute gibt es erst wenige Expeditionen, in deren Rahmen explizit die Lebensräume auf Kobaltkrusten untersucht worden sind. Ein Beispiel sind die Studien, die Japan zwischen 1987 und 1999 gemeinsam mit SOPAC-Mitgliedsstaaten durchgeführt hat (Secretariat of the Pacific Community Applied Geoscience and Technology Division, eine Abteilung für angewandte Geowissenschaften und Technologie des Sekretariats der Pazifischen Gemeinschaft). Ziel dieser Expeditionen war es, die Lebensräume auf den verschiedenen mineralischen Ressourcen im Meer – den Kobaltkrusten, Manganknollen und Massivsulfiden – in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen der Inselstaaten Kiribati, Marshallinseln, Mikronesien, Samoa und Tuvalu zu untersuchen. Um die Lebewesen zu bestimmen, wurden Tausende von Unterwasserfotos gemacht. Zwar waren die fotografierten Gebiete mit 0,35 bis 2 Hektar vergleichsweise klein, dennoch entdeckten die Forscher eine große Vielfalt an Lebewesen. In der Größenklasse der Megafauna (größer als 2 Zentimeter) fanden sich viele festsitzende – sessile – Arten wie etwa Korallen und Schwämme. Hinzu kamen Seefedern und filigrane Kolonien kleiner Polypen. Da der Lebensraum Seeberg durch felsigen Untergrund und starke Strömungen geprägt ist, sind solche Organismen gut an diesen Lebensraum angepasst. Alle diese Lebewesen zählen zu den Filtrierern, die Nahrungsteilchen aus dem Wasser sieben. Für sie sind Seeberge ein idealer Lebensraum, weil die Meeresströmung die Nahrung heranträgt. Des Weiteren fanden sich auf den Fotografien Krebse, Seesterne, Seegurken und Tintenfische sowie mehrere Zentimeter große Xenophyophoren, Einzeller, die für gewöhnlich weniger als 1 Millimeter groß sind.
2.23 > Xenophyophoren sind wenig erforschte einzellige Lebewesen, die in der Tiefsee leben, oftmals an Hängen von Seebergen. Dieses Exemplar hat eine Größe von 20 Zentimetern.
Abb. 2.23 > Xenophyophoren sind wenig erforschte einzellige Lebewesen, die in der Tiefsee leben, oftmals an Hängen von Seebergen. Dieses Exemplar hat eine Größe von 20 Zentimetern. © IFE, URI-IAO, UW, Lost City Science Party; NOAA/OAR/OER

Die Folgen des Bergbaus abschätzen

Wissenschaftler fordern, die Lebensräume an den Seebergen, die reich an Kobaltkrusten sind, noch viel genauer zu untersuchen, bevor der Meeresbergbau dort überhaupt beginnt. Das betrifft vor allem die Inselstaaten im Südwestpazifik, in deren Hoheitsgebieten sich die ergiebigsten Krusten befinden. Nach den gemeinsamen Studien mit Japan führen die SOPAC-Mitglieder derzeit weitere Forschungen an bislang wenig untersuchten Seebergen durch. Da Kobaltkrusten auf Erhebungen im Meer beschränkt sind, wird ihr Abbau, verglichen mit dem der Manganknollen, kleinräumiger sein. Auch die dabei entstehende Trübewolke dürfte deutlich kleiner sein als bei der Ernte von Manganknollen, weil kein weiches Sediment aufgewirbelt wird. Noch ist unklar, wie sich der Kobaltkrustenabbau künftig im Einzelnen auswirken könnte. Nach Ansicht von Experten ist mit folgenden Störungen zu rechnen, die denen des Manganknollenabbaus sehr ähneln:
  • Die Maschinen, mit denen die Krusten abgetragen werden, wirbeln Gestein und Partikel auf. Zwar dürfte diese Partikelwolke nicht so groß wie beim Manganknollenabbau sein, aber grundsätzlich besteht auch hier die Gefahr, dass die Wolke verdriftet und andere Lebensräume schädigt.
  • Im abgeernteten Bereich werden alle festsitzenden Organismen zerstört, also die auf den Kobaltkrusten vorherrschenden Organismengruppen.
  • Durch den Einsatz von Erntemaschinen sowie das Heraufpumpen und Reinigen der Krustenbruchstücke entstehen Lärm und Vibrationen, die Delfine und Wale stören und verdrängen können.
  • Das bei der Ernte der Krusten anfallende Abwasser wird von den Schiffen ins Meer eingeleitet. Auch dadurch entsteht eine Sedimentwolke.
  • Die Lichter auf den Schiffen und an den Erntemaschinen können Meeresvögel, Fische und Meeressäuger stören.
  • Durch die Entsorgung herkömmlicher Schiffsabfälle wird das Meer verschmutzt.
2.24 > Im Querschnitt ist die schwarze, mehrere Zentimeter dicke Kobaltkruste auf dem hellen Vulkangestein gut erkennbar. Das Gestein stammt aus der Louisville-Seebergkette im Südwestpazifik, zu der mehr als 70 Seeberge gehören.
Abb. 2.24 > Im Querschnitt ist die schwarze, mehrere Zentimeter dicke Kobaltkruste auf dem hellen Vulkangestein gut erkennbar. Das Gestein stammt aus der Louisville-Seebergkette im Südwestpazifik, zu der mehr als 70 Seeberge gehören. © BGR
Befürworter des Abbaus betonen, dass Manganknollen und Kobaltkrusten in dünnen Lagen direkt auf dem Meeresboden beziehungsweise auf den Seebergen liegen. Anders als Erze an Land sind sie damit eine zweidimensionale Ressource, die sich theoretisch ohne großen Aufwand gewinnen lässt. An Land werden Erze hingegen in Bergwerken oder in gigantischen Tagebauen abgebaut, in denen sich die Maschinen mehr als 100 Meter tief in die Erde graben. Millionen Tonnen Erdreich (Abraum) müssen für die Gewinnung dieser dreidimensionalen Reserven abgetragen und bewegt werden, bevor das eigentliche Erz gewonnen wird. Dadurch werden ganze Regionen zerstört, Menschen verlieren ihre Heimat. Der Meeresbergbau wäre hingegen ein vergleichsweise kleiner Eingriff, weil man nur die Oberfläche des Meeresbodens be-ziehungsweise des Seebergs abträgt. Infrastrukturen wie Straßen oder Tunnel sind nicht nötig. Auch Abraumhalden gibt es nicht. Weil es an ausführlichen meeresbiologischen Studien fehlt, lassen sich die Vor- und Nachteile des Meeresbergbaus bis heute kaum abwägen. Noch ist unklar, wie stark der Bergbau das Leben im Meer verändern wird und welche Konsequenzen er letztlich für den Menschen und die Fischerei haben wird. Offene Fragen wie diese wird man nur durch weitere intensive Forschung und eine entsprechende finanzielle Unterstützung von Expeditionen klären können. Einige Forscher, vor allem auch kritische Biologen, fordern, vor dem Beginn des industriellen Abbaus in Pilotprojekten größere Versuchsflächen abzuernten, um überhaupt einschätzen zu können, wie sich ein Abbau in großem Stil möglicherweise auswirkt. Wissenschaftsminis­terien oder beispielsweise die Europäische Union könnten einen solchen großflächigen Probeabbau finanziell unterstützen. Textende