Der nordatlantische Kabeljau, in manchen Regionen, insbesondere in der Ostsee, auch als Dorsch bezeichnet, war lange Zeit in weiten Teilen Nordeuropas und auf den Inseln des Nordatlantiks ein beliebtes Grundnahrungsmittel. Seine Populationsstärke war groß, und er war leicht zu fangen. Er war Hauptbestandteil des englischen Nationalgerichts Fish and Chips und in Norwegen traditionell als getrockneter Stockfisch beliebt. Die Lebensräume der bis zu 1,5 Meter großen, am Meeresgrund lebenden Fische sind die Küstengebiete des Atlantischen Ozeans. Der Kabeljau ist sowohl in Küstennähe als auch in Tiefen bis zu 600 Metern zu finden. Die Nachzucht in Aquakulturbetrieben gestaltet sich bislang schwierig. Wie abhängig die Fischereinationen von den Kabeljaubeständen waren, zeigte sich in den sogenannten Kabeljaukriegen (Cod Wars) in den Jahren von 1958 bis 1975. Es kam zu einer Reihe von politischen Auseinandersetzungen, nachdem Island, in Sorge um traditionelle Fanggründe und die gestiegene Konkurrenz durch ausländische Hochseetrawler, die Ausschließliche Wirtschaftszone (Kapitel 10) schrittweise von ehemals 3 auf 200 Seemeilen ausweitete. Island konnte damit den nordostatlantischen Kabeljaubestand vor der Überfischung durch andere Fischereinationen schützen. Während der nordostatlantische Bestand bis heute Erträge von etwa einer Million Tonnen jährlich liefert, ist der nordwestatlantische Bestand mit seinem Verbreitungsgebiet an der Ostküste Nordamerikas ein prominentes Beispiel für misslungenes Fischereimanagement. Die mit jährlich etwa 600 000 Tonnen Fanggewicht einst sehr ertragreichen Bestände um Neufundland sind nach Jahren der Überfischung zusammengebrochen.
Wie konnte es so weit kommen? Nachdem die Fischerei jahrhundertelang vor allem nahe der Küste mit kleineren Fischerbooten betrieben wurde, begann die Fischereiwirtschaft 1950 mit dem industriellen Grundfischfang mit Schleppnetztrawlern auch in tieferen Gewässern zu fischen. Die Fangmengen stiegen kurzfristig stark an und führten zu einem Rückgang der Populationsgröße. Die Regulierungsversuche durch internationale Fangquoten und die Bemühungen Kanadas, dem Problem durch eine Ausweitung der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Herr zu werden, konnten den drastischen Ertragsrückgang nicht mehr stoppen. Nachdem der Bestand gegen Ende der 1980er Jahre vollständig kollabierte, musste 1992 zunächst die industrielle Fischerei und 2003 schließlich auch die handwerkliche Fischerei in den Küstengemeinden Neufundlands eingestellt werden, mit erheblichen sozialen und ökonomischen Folgen. Biologen vermuten, dass das Meeresökosystem infolge der starken Eingriffe in einen neuen Zustand gekippt ist, wodurch sich die Bestände trotz eines vollständigen Fangstopps nicht wieder erholen werden.
6.7 > Kampf um Fisch: Welche Bedeutung der Wirtschaftsfaktor Fischerei für manche Nationen hat, wurde während der Kabeljaukriege im Nordostatlantik deutlich. Im Streit um die Fanggründe schickten England und Island sogar Kriegsschiffe los. Am 7. Januar 1976 kollidierte das isländische Patrouillenboot „Thor“ (links, hinten) etwa 35 Seemeilen vor der isländischen Küste mit der britischen Fregatte „Andromeda“ (vorn). Aus britischer Sicht kam es zu dem Zusammenstoß, nachdem die „Thor“ versucht hatte, die Fangnetze des britischen Trawlers „Portia“ (rechts, Mitte) zu kappen. Bei dem Manöver änderte die „Thor“ abrupt den Kurs und rammte die Fregatte. Die Nationen waren so zerstritten, dass Island zeitweilig sogar die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien abbrach. Abb. 6.7: links: © dpa Picture-Alliance/PA, rechts: © dpa Picture-Alliance/UPI