Die Flora und Fauna der Polarregionen
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WOR 6 Arktis und Antarktis – extrem, klimarelevant, gefährdet | 2019

Die Flora und Fauna der Polarregionen

Die Flora und Fauna der Polarregionen
> Kurze Sommer, extrem kalte Winter und dazu jede Menge Eis und Schnee, die das Nahrungsangebot verknappen: Die Arktis und Antarktis zählen zu den lebensfeindlichsten Regionen der Erde. Mithilfe beeindruckender Anpassungsstrategien aber haben Pflanzen und Tiere auch diese Gebiete erobert und weltweit einzigartige Lebensgemeinschaften gebildet. Deren Zukunft jedoch ist angesichts des Klimawandels ungewiss.
Ein Leben in der Kälte © John Pohl/www.geophotography.org

Ein Leben in der Kälte

> Die Artenvielfalt im Nord- und Südpolar­gebiet wird vor allem durch die geo­gra­fischen Gegeben­heiten bestimmt. Während in der Antarktis nahezu alles Leben vom Meer abhängt, weist die Arktis auch an Land eine beeindruckende Vielfalt auf. In beiden Regionen blüht das Leben vor allem während des kurzen Sommers und trotzt anschließend mit erstaunlichen Über­leben­stricks dem Eis und der Kälte.

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Das Leben im Meer © Expedition Gombessa 3, © Laurent Ballesta

Das Leben im Meer

> Die Arten­vielfalt und Produktivität der Polar­meere grenzen fast an ein Wunder. Die Lebens­beding­ungen im Nord- und Südpolar­meer sind von außen betrach­tet alles andere als vorteilhaft. Das konstant kalte Wasser bremst das Wachs­tum und nahezu jede Bewegung wechselwarmer Organismen. Nahrung steht nur im kurzen Sommer zur Verfügung, dann jedoch im Überfluss. Die polaren Meeres­be­woh­ner aber kompensieren diese Einschränkungen durch einzigartige Anpas­sungs­mechanismen, von denen es in der Antarktis jedoch deutlich mehr gibt als in der Arktis.

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Polare Ökosysteme auf dem Rückzug © NASA Earth Observatory image by Jeff Schmaltz and Joshua Stevens, LANCE/EOSDIS Rapid Response

Polare Ökosysteme auf dem Rückzug

> Die globale Erwärmung verändert die Grund­pfeiler des Lebens in den Polar­regionen – im Wasser ebenso wie an Land. Mit dem Meereis schrumpft die wichtigste Speise­kammer der Polarmeere. Die steigenden Temperaturen zwingen kälte­lie­bende Arten zur Flucht, doch Rückzugsorte gibt es kaum noch. Ihren ange­stam­mten Platz nehmen Einwanderer aus mittleren Breiten ein. Langfristig wird diese Entwicklung zum Verschwinden der einzig­artigen polaren Flora und Fauna führen. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits.

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Hochspezialisiert und extrem gefährdet

Kälte, Licht und Eis bestimmen den Ablauf des Lebens in der Arktis und Antarktis. An Land sind diese Parameter der Grund dafür, dass beispielsweise die Vegetations- beziehungsweise Reproduktionszeiten der meisten Lebewesen nur sehr kurz sind – und viele Tiere gegen Ende des Sommers die Polar­regionen verlassen. Im Meer zwingt die Kälte die Lebewesen zu einer energiesparenden Gemächlichkeit und erhöht die Langlebigkeit vieler Organismen. Im Rhythmus von Polartag und -nacht verändern sich zudem die Meereismenge, das Nahrungsangebot und die Verfügbarkeit von offenem Wasser.
Unter dem Druck dieser extremen Umweltbedingungen haben sich in beiden Polargebieten höchst angepasste Lebensgemeinschaften entwickelt, deren Biodiversität erstaunlich groß ist – auch wenn die Artenzahlen keineswegs an die Dimensionen tropischer Regionen heranreichen. In der Arktis findet sich die größte biologische Vielfalt an Land, was auf die Ozean-Kontinent-Verteilung zurückzuführen ist. In der Antarktis dagegen hängt nahezu alles Leben vom Meer ab. Hier ist der Anpassungsgrad und die Zahl endemischer mariner Arten auch deutlich höher als in der Arktis. Beides liegt an der geografischen Isolation des Südkontinents sowie an seiner längeren und abwechslungsreicheren Vereisungsgeschichte.
Das wiederholte Anwachsen der antarktischen Gletscher und Schelfeise bis an den Kontinentalrand hat die Bewohner der Schelfmeere immer wieder an ihre physiologischen Grenzen gebracht. Im Lauf der Zeit sind auf diese Weise viele neue, hochspezialisierte Arten entstanden, weshalb Wissenschaftler auch von einer Pumpe der Artenvielfalt sprechen. Die Bewohner des Arktischen Ozeans dagegen konnten in Zeiten weiträumiger Vereisung in den Nord­pazifik und Nordatlantik abwandern. Noch heute unterscheiden Forscher in Hinblick auf die marinen Ökosysteme des Arktischen Ozeans zwischen einem atlantisch und einem pazifisch geprägten Sektor.
Die Pflanzen trotzen der Kälte und dem Lichtmangel, indem sie unter anderem zelluläre Frostschutzmechanismen entwickelt haben, eine gedrungene Statur aufweisen, langsam wachsen, wärmeoptimierende Merkmale wie Härchen oder Blütenformen ausbilden, große Reserven anlegen, ihre Photosyntheseleistung verbessern, sich zu einem großen Teil auch ungeschlechtlich fortpflanzen und Nährstoffe mehrfach verwerten. Bei gleichwarmen Tieren verhindert ein gut isolierendes Winterfell oder -gefieder den Verlust wertvoller Wärme. Sie fressen sich große Fettreserven an, wärmen sich gegebenenfalls gegenseitig und überdauern extreme Witterungs­bedingungen an geschützten Orten. Viele wechselwarme Meereslebewesen setzen Frostschutzproteine ein, bewegen sich im Energiesparmodus, wachsen langsam und produzieren vergleichsweise wenig Nachwuchs, dem sie allerdings die bestmöglichen Startbedingungen ins Leben geben.
Durch den Klimawandel aber verändern sich die physikalischen Grundpfeiler des Lebens in der Arktis und Antarktis. Das birgt für ihre polaren Ökosysteme und ihre teils hochspezialisierten Organismen das Risiko, dass sie sich nicht mit der nötigen Geschwindigkeit anpassen können. Mit dem Meereis schwindet ein Lebensraum, der vielen Arten als Versteck, Nahrungsquelle und Jagdrevier dient. Diese Lebewesen sind vom Aussterben bedroht. Steigende Wassertemperaturen erhöhen den Energiebedarf wechselwarmer Organismen und ebnen einwandernden Arten den Weg. Nahrungsgefüge geraten aus dem Gleichgewicht, der Wettbewerb um Futter verschärft sich. Die Versauerung der Polarmeere wiederum erschwert vor allem Arten, die Schalen oder Skelette aus Kalk bilden, das Überleben. Der Klimawandel bedroht somit massiv die Biodiversität und damit die Funktionalität polarer Ökosysteme.