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Das schmutzige Ölgeschäft in Westafrika

Wie schlecht die Ölindustrie heute in manchen Staaten kontrolliert und reguliert wird, macht die Situation an der afrikanischen Atlantikküste zwischen Angola und der Elfenbeinküste deutlich. Vor allem in Angola und Nigeria gibt es große Ölvorkommen. Doch beide Staaten haben darin versagt, aus den Gewinnen der Ölindustrie Wohlstand für alle zu generieren. Geradezu katastrophal ist die Situation in Nigeria, wo durch die Ölförderung im Mündungsdelta des Nigers bis heute bewaffnete Konflikte geschürt und Feuchtgebiete, Mangrovenwälder und die Lebensräume Tausender Menschen verschmutzt werden. Ein Grund für das Debakel ist, dass die nigerianische Regierung die Gewinne aus dem Ölgeschäft nicht gerecht verteilt. Sie handelt mit den multinationalen Ölkonzernen Kooperationsverträge und Förderlizenzen aus und erhält daraus Einnahmen in Höhe von vielen Milliarden Dollar jährlich. Obwohl ein Verteilungsschlüssel existiert, nach dem die Gewinne auf den Bundeshaushalt, die Landesregierungen und die lokalen Verwaltungen aufgeteilt werden sollen, fließt kaum Geld in die Förderregionen zurück. Fachleute führen das auf ein hohes Maß an Korruption auf hoher Verwal­tungs­ebene zurück. Hinzu kommt, dass die Ländereien, auf denen Öl gefunden wird, nach dem Landnutzungsgesetz von 1978 automatisch den Bundesbehörden übereignet werden. Die Gemeinden oder Privatbesitzer werden in der Regel nicht entschädigt. Diese Ungerechtigkeit führt unter anderem dazu, dass Pipelines illegal angezapft werden und das Öl in großen Mengen gebunkert und ins Ausland, insbesondere in die Nachbarländer Benin, Elfenbeinküste und Senegal, verkauft wird. Durch das Anzapfen der Pipelines wurden zudem große Gebiete im Nigerdelta verschmutzt. Fachleute schätzen die Einnahmen aus dem illegalen Geschäft auf rund 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr.

Aktuell kämpfen verschiedene Rebellengruppen um Einfluss im illegalen Ölgeschäft. Schwierig ist die Situation auch, weil es in Nigeria schon vor dem in den 1970er Jahren beginnenden Ölboom Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungs­gruppen gab, die sogar zu Bürgerkriegen führten. Diese Konflikte wurden angeheizt, indem Politiker die Gewinne aus dem Öl Gruppen zukommen ließen, die ihnen politisch gewogen waren. Zum Teil wurden Konflikte zusätzlich durch Waffenlieferungen von Politikern an Rebellengruppen verschärft. Der Ölreichtum hat in Nigeria zu einem Krieg ums Öl geführt. Sind die multinationalen Konzerne auch nicht direkt an Kriegshandlungen beteiligt, so ist eine Ölförderung in politisch derart instabilen Regionen grundsätzlich fragwürdig. Selbst das soziale Engagement der Konzerne hat in Nigeria oftmals zu neuen Konflikten geführt. Zwar kann man den Konzernen zugutehalten, dass sie aus eigenem Antrieb durch finanzielle Unterstützung und soziales Engagement versuchen, die Lebenssituation der Bevölkerung in den Förderregionen zu verbessern. Doch kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Gemeinden, die gefördert wurden, und Nachbarorten, die leer ausgingen. Dass die Ölkonzerne Mitverantwortung für das tragen, was in den Förderländern geschieht, wurde 2013 deutlich, als sich die britisch-niederländische Firma Shell vor einem Gericht in Den Haag für Umweltschäden im Nigerdelta verantworten musste. In den Jahren 2004 bis 2007 hatte es im Nigerdelta mehrfach Anschläge auf Pipelines gegeben. Aus den Lecks traten große Mengen Öl aus, das mehrere Dörfer sowie Äcker und Fischfanggebiete verschmutzte. Bauern, Fischer und eine niederländische Umweltorganisation gingen deshalb vor Gericht. Dort wurden insgesamt 5 Fälle verhandelt. Dem Konzern warf man vor, seine Pipelines nicht ausreichend überwacht zu haben. In einem Fall sprach das Gericht die nigerianische Niederlassung des Konzerns schuldig: Das Unternehmen habe seine Sorgfaltspflicht durch besondere Nachlässigkeit verletzt. So sei es dadurch überhaupt erst möglich geworden, dass eine Leitung in den Jahren 2006 und 2007 durch einfaches Öffnen eines Ventils mit einem Schraubenschlüssel sabotiert wurde. In den anderen 4 Fällen hingegen treffe den Konzern keine Schuld, weil die Pipelines unterirdisch verlegt und ausreichend gesichert waren.

Die verhandelten Fälle stehen stellvertretend für viele andere. Laut einer Umweltstudie im Auftrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) gibt es im Nigerdelta massive Umweltschäden. Gutachter hatten Gebiete entlang von Pipelines untersucht, außerdem Ölförderbrunnen und Orte, wo sich Pipelinelecks ereignet hatten. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Verschmutzungen weitreichend sind. Problematisch ist vor allem die Verschmutzung der Böden und Gewässer mit giftigen Kohlenwasserstoffen. An 49 Messpunkten sind die Ölbestandteile bis zu 5 Meter tief in den Boden eingedrungen. An 41 Messpunkten haben sie bereits das Grundwasser erreicht. Darüber hinaus ist in der Region der Fischfang stark zurückgegangen, da sich die Fischmenge vermutlich aufgrund der Giftstoffe verringert hat. Rund 15 Prozent des Öls werden in Nigeria nicht an Land, sondern im Offshore-Bereich vor der Küste gewonnen. Dieser Anteil nimmt zu. Zwar ist die Förderung im Meer teurer, doch gilt sie als sicherer, da die Bohrinseln für Rebellen schlechter erreichbar und damit vor Anschlägen relativ gut geschützt sind. Allerdings kam es auch hier zu Angriffen. Im Jahr 2008 überfielen Rebellen einer der größten militanten Gruppen Nigerias, der Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas (Movement for the Emancipation of the Niger Delta, MEND), eine 120 Kilometer vor der Küste liegende Ölplattform und demonstrierten damit Stärke auch auf See. Ungeachtet dessen könnte der Ausbau der Offshore-Ölindustrie nach Ansicht von Sozialwissenschaftlern in Nigeria dazu beitragen, die Missstände in der Region und das Konfliktpotenzial zu verringern, da die Menschen anders als bei der Ölförderung an Land nicht direkt betroffen sind und die Verschmutzung von Böden und Trinkwasser ausbleibt.

Abb. 4.11 > Aus Pipelines gestohlenes Öl wird im Nigerdelta, wie hier am Fluss Imo, in illegalen Raffinerien verarbeitet, die das Wasser zusätzlich verschmutzen. © Akintunde Akinleye/Reuters 4.11 > Aus Pipelines gestohlenes Öl wird im Nigerdelta, wie hier am Fluss Imo, in illegalen Raffinerien verarbeitet, die das Wasser zusätzlich verschmutzen. © Akintunde Akinleye/Reuters

Anders als in Nigeria wird in Angola Öl ausschließlich im Meer gefördert. Auch sind die Missstände dort etwas anderer Natur. Am Ölreichtum partizipieren aber auch in Angola nur wenige Menschen, und die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind groß. Die wichtigste Ölförderregion sind die Küstengewässer vor der angolanischen Provinz Cabinda, einer Exklave im Nachbarland Kongo. Dennoch gehört Cabinda zu den ärmsten Regionen des Landes. Abgesehen von wenigen Straßen in Küstennähe gibt es kaum Infrastruktur. Die angolanische Hauptstadt Luanda hingegen ist die teuerste Stadt der Welt. In keiner anderen Metropole sind die Mieten und Lebenshaltungskosten so hoch wie hier. Angola ist heute der größte Ölproduzent südlich der Sahara. Verträge werden zwischen der hiesigen staatlichen Ölgesellschaft Sonangol und internationalen Konzernen ausgehandelt. In diesen Produktionsvereinbarungen werden Verteilungsschlüssel festgelegt, nach denen sich das Gastland und die internationalen Konzerne die Profite aus der Erdölproduktion teilen. Wie groß diese tatsächlich sind, ist allerdings weitgehend unklar, weil nur unvollständige, schlecht verständliche oder inkon­sistente Daten veröffentlicht werden. Wie der extreme Unterschied zwischen Armut und Reichtum in Angola zeigt, kommen die Profite dort nur der Elite zugute.

Obgleich Fachleute Angola dafür loben, dass es strenge Anti-Korruptionsgesetze eingeführt hat und die Korruption auch öffentlich bekämpft, ist dennoch davon auszugehen, dass Teile der Ölgewinne auf hoher administrativer Ebene unter­schla­gen werden. Das liegt unter anderem daran, dass Sonangol nicht von unabhängigen Behörden kontrolliert oder reguliert wird. Angolanische und internationale Nichtregierungsorganisationen fordern daher mehr Transparenz und öffentliche Diskussionen – mit dem Ziel, eine gerechtere Verteilung der Gewinne zu erreichen. Umweltverschmutzungen in einem Ausmaß wie in Nigeria gibt es in Angola zwar nicht, aber 1991 explodierte vor der Küste der Öltanker „ABT Summer“. Rund 250 000 Tonnen Öl liefen aus und verschmutzten die Küste. Seitdem gab es glücklicherweise keine größeren Ölunfälle. Angolanische Nichtregierungsorganisationen beklagen aber die permanente Verschmutzung der Gewässer durch Öl, das mit Abwässern von den Bohrinseln ins Meer gelangt. Sie schätzen, dass pro Jahr mehr als 10 kleinere Ölverschmutzungen auftreten. Umstritten ist, ob die Abnahme der Fischbestände vor der Küste auf diese Ölverschmutzungen zurückzuführen ist oder die Überfischung eine größere Rolle spielt.