Das Seerechtsübereinkommen regelt die Nutzung der Meere, die 71 Prozent der Erdoberfläche einnehmen. Die Tatsache, dass das SRÜ von 165 Staaten und der Europäischen Union unterzeichnet und ratifiziert wurde, macht es zu einem potenten internationalen Regelwerk. Andererseits sind rund 40 Staaten dem SRÜ aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht beigetreten. Trotz alledem sind diese Staaten an viele Elemente des SRÜ gebunden, soweit diese als Völkergewohnheitsrecht universelle Geltung haben, beispielsweise an den Meeresschutz. Gemäß Völkergewohnheitsrecht kommt noch eine andere Regelung zum Tragen: Obwohl die Staaten das SRÜ nicht ratifiziert haben, dürfen sie dennoch eine AWZ beanspruchen. Der prominenteste Verweigerer sind die Vereinigten Staaten, die das Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert haben. Obwohl der US-Präsident und die Regierung schon länger bereit sind, zu ratifizieren, muss der US-Senat noch zustimmen. Der aber sieht sich nicht in der Lage, sich zu einer Mehrheit durchzuringen.
In den USA wird das Thema SRÜ seit Langem auch öffentlich diskutiert. Unlängst forderten hochrangige Offiziere der Marine und der Küstenwache öffentlich, dem SRÜ beizutreten. Sie weisen darauf hin, dass ohne Beitritt den USA allein die militärische Präsenz auf der Hohen See bleibt, um das eigene Recht durchzusetzen. Das sei angesichts der zunehmenden Ansprüche vieler Nationen auf den äußeren Festlandsockel bei Weitem nicht ausreichend. Man befürchtet, wichtige Gebiete mit großen Mengen an Rohstoffen vor allem im pazifischen Raum an andere Staaten zu verlieren. Zudem halten die Offiziere wie auch zahlreiche Politiker eine Ratifizierung für unerlässlich, um auch in anderen Seerechtsstreitigkeiten glaubwürdig zu sein und auf Augenhöhe verhandeln zu können. Da die USA Ansprüche über die Erweiterung des Festlandsockels nur über das SRÜ und die Festlandsockelgrenzkommission geltend machen können, gibt es für die USA auf Dauer keine Rechtssicherheit. Insbesondere wenn andere Staaten exzessive Ansprüche zur Ausdehnung ihres Einflussbereichs über die AWZ hinaus stellen, wie etwa für die Arktis, fehlen den USA die rechtlichen Mittel, um dagegen vorzugehen. Die Anwort der Gegner eines SRÜ-Beitritts kam prompt und war heftig. So wetterten zahlreiche Politiker aus den Reihen der Republikaner, dass es unerträglich sei, Lizenzgebühren an Entwicklungsländer zu zahlen. Dieses neuartige Prinzip, Wohlstand umzuverteilen, sei ein Fass ohne Boden und eine ernste Gefahr für US-Unternehmen. Wann die USA das SRÜ ratifizieren, ist derzeit nicht abzusehen. Andere Staaten treten dem SRÜ nicht bei, weil es Grenzkonflikte gibt. Der Iran etwa ratifiziert das SRÜ nicht, weil es Streitigkeiten um die Abgrenzung der AWZ im Kaspischen Meer gibt, in dem sich große Ölvorkommen befinden. Und auch Peru will dem SRÜ nicht beitreten, weil Konflikte um die Lage der AWZ mit dem Nachbarland Chile schwelen. Hinzu kommt, dass Peru vor rund 50 Jahren, lange vor Schaffung der Ausschließlichen Wirtschaftszonen, ein Meeresgebiet von 200 Seemeilen als Küstenmeer und damit als Hoheitsgebiet für sich reklamiert hat und dies in seiner Nationalverfassung verankerte. Würde Peru dem SRÜ beitreten, müsste das Land das Seegebiet zur AWZ herabstufen, in der es künftig lediglich Nutzungsrechte genießen würde. Zudem wäre dafür eine Verfassungsänderung nötig, die in Peru bis heute politisch nicht durchsetzbar ist.
Für viele Staaten stehen nationale Interessen weit über dem Gemeinwohl. Damit ist auch zu erklären, dass die Anrainerstaaten der Arktis immer wieder aufs Neue mit diplomatischer Symbolik ihren Anspruch auf die Rohstoffe unter dem Eis verteidigen. Am 1. August 2007 platzierten russische Forscher medienwirksam die russische Fahne in einer Tiefe von mehr als 4000 Metern am Grunde der Arktis, um ihren Anspruch auf das Gebiet jenseits der russischen AWZ zu unterstreichen. Kurz vor Weihnachten 2010 stellte der seinerzeit für Einwanderungsfragen zuständige kanadische Minister Jason Kenney dem Weihnachtsmann symbolisch einen kanadischen Pass aus. Da der Nordpol zum kanadischen Territorium gehöre, habe der Weihnachtsmann nun das Recht, frei ein- und auszureisen. Auch über diese, wenn auch nicht ganz ernst gemeinte Geste, mit der Kanada seinen Besitzanspruch auf die Arktis unterstrich, wurde weltweit berichtet. Zwar kann von einem harten Kampf um die Arktis nicht die Rede sein, dennoch wollen einige Länder Stärke demonstrieren, denn es geht um neue Seewege sowie Öl- und Gasvorkommen. Forscher haben in der Arktis auch einige kleine Manganknollenvorkommen gefunden, doch sind die Vorkommen als wirtschaftlich eher unbedeutend zu betrachten. Letztlich wird die Festlandsockelgrenzkommission aufgrund geologischer Daten entscheiden, ob die jeweiligen nationalen Gebietsansprüche gerechtfertigt sind oder nicht. Welche Nationen ihren Einflussbereich danach ausweiten dürfen, steht derzeit noch nicht fest. Doch haben unlängst Kanada und Russland den Bau neuer eisfester Kriegsschiffe und die Errichtung neuer Stützpunkte im hohen Norden in Auftrag gegeben, um die Sicherheit vor ihren Küsten gewährleisten zu können – und auch, um ihre Macht zu demonstrieren.