Aquakultur
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WOR 2 Die Zukunft der Fische - die Fischerei der Zukunft | 2013

Umweltbewusste Aquakultur

Wege zur schonenden Aquakultur

> Aquakulturen sollen den wachsenden Hunger der Weltbevölkerung nach Fisch stillen – und zugleich die Fischbestände der Meere schonen. Aufzucht statt Überfischung, so die Hoffnung. Doch der Einsatz großer Mengen an Wildfischfutter, die Zerstörung von Mangrovenwäldern und die Verwendung von Antibiotika in der Massenfischhaltung haben der Fischzucht einen schlechten Ruf eingetragen. Aktuelle Forschungs- und Entwicklungsprojekte aber zeigen, dass umweltbewusste Aquakultur möglich ist.

4.8 > Fischmehl und Fischöl werden heute vorwiegend in der Aquakultur eingesetzt.  © nach 
www.iffo.net

4.8 > Fischmehl und Fischöl werden heute vorwiegend in der Aquakultur eingesetzt.  © nach 
www.iffo.net 4.8 > Fischmehl und Fischöl werden heute vorwiegend in der Aquakultur eingesetzt.

Was Zuchtfische fressen

Welche Umweltauswirkungen die Aquakultur hat, hängt von mehreren Faktoren ab. Unter anderem spielt eine Rolle, wo die Aquakultur betrieben wird, im Meer oder an Land. Im Meer können, wird die Fischzucht zu intensiv betrieben, ganze Buchten durch Fischexkremente und Futterreste verschmutzt werden. Errichtet man Aquakulturanlagen an Land, werden oftmals große Flächen geopfert, beispielsweise um Teiche anzulegen. Auch die Abwässer von Aquakulturanlagen können problematisch sein, wenn sie Rückstände von Medikamenten oder zu viele Nährstoffe enthalten. Letztere können zur Überdüngung der Gewässer beitragen. In der Umweltbilanz eines Aquakulturbetriebs spielt auch das Futter eine große Rolle. Entscheidend ist zum einen, ob man überhaupt zufüttern muss, zum anderen, welches Futter die Tiere dann erhalten. In der industriellen Aquakultur unterscheidet man heute zwischen natürlichem und künstlichem Futter.
  • Zum natürlichen Futter zählt Nahrung, die die Tiere direkt aus der Umgebung aufnehmen. Muscheln etwa filtern, extrahieren, Nährstoffe aus dem Wasser, ohne dass man zufüttern muss. Karpfen ernähren sich von Mückenlarven, kleinen Muscheln oder Zooplankton.
  • Künstliches Futter (meist Pelletfutter) wird industriell in Futtermittelfabriken hergestellt. Die Pellets bestehen unter anderem aus Getreide, Fischmehl und Fischöl. Sie enthalten alle Nährstoffe, die die Zuchtfischart benötigt. Sie zeichnen sich durch einen hohen Eiweiß- und Fettanteil aus. Pellets werden für die intensive Fischzucht eingesetzt – von Unternehmen, die Fisch in großem Stil züchten und verkaufen. Mit Pellets werden Lachse, Tilapien, Wolfsbarsche und zum Teil auch Krabben und Hummer gefüttert.
Vor allem kleine Aquakulturbetreiber nutzen darüber hinaus oft Futter, das direkt vor Ort wächst oder vergleichsweise preiswert gewonnen wird. Dazu zählen Pflanzen, Getreide- und Fischabfälle. Umstritten sind vor allem jene Futtersorten, deren Hauptbestandteil Fisch ist. Das Problem: Für die Zucht mancher Fischarten müssen als Futter Wildfische gefangen werden – meist kleine pelagische Fische, insbesondere Sardellen, Sardinen und Hering. Vor allem für die Salmonidenzucht wird verhältnismäßig viel Futter auf Fischbasis aufgewendet. Fischmehl und Fischöl werden in großen Industrieanlagen hergestellt. Dazu werden zu-nächst die kompletten Fische zerkleinert und gekocht. Anschließend wird die Masse in Zentrifugen vom Wasser getrennt und schließlich getrocknet. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Wildfischbestände heute ohnehin in einem kritischen Zustand sind, erscheint deren Verwendung als Fischfutter widersinnig, zumal wenn die eingesetzte Wildfischmenge gemäß Fish-in/Fish-out-Verhältnis am Ende eine geringere Zuchtfischmenge ergibt. Kritiker fordern deshalb, den Fangfisch direkt zu verzehren und nicht als Futter zu nutzen. Allerdings gibt es weltweit bislang nur eine begrenzte Nachfrage nach kleinen pelagischen Fischen als Speisefisch. Die Märkte müssten zunächst entwickelt werden. Die Fischmehlindustrie betont, dass eine Nutzung von Fischmehl und -öl vertretbar sei, weil die dafür verwendeten Fische aus Beständen stammen, die aufgrund des Fischereimanagements in gutem Zustand sind. Doch nicht in allen Fällen werden diese Fischbestände heute tatsächlich schonend bewirtschaftet.

Fischmehl und Fischöl – ein teures Gut

Nicht nur Lachse und Aale, auch viele andere Zuchttiere werden heute mit Fisch aus Wildfang gefüttert – insbesondere mit Fischmehl und Fischöl, das zu Pellets verarbeitet wird. Auch in der Geflügel- und Schweinezucht nutzt man Fischmehl und Fischöl seit Jahrzehnten. Dort allerdings sinkt deren Anteil am Futter in den letzten Jahren, insbesondere aufgrund steigender Fischmehl- und Fischölpreise. Damit ist die Aquakultur bei weitem der größte Fischmehl- und Fischölverbraucher. Fischmehl geht zu rund 60 Prozent, Fischöl zu etwa 81 Prozent in die Aquakultur. Fischöl wird überwiegend in der Salmonidenzucht genutzt; Norwegen, das die Lachszucht stark ausgebaut hat, ist größter Fischölimporteur. Die Menge, die als Nahrungsergänzungs- oder Arzneimittel für den Menschen genutzt wird, beträgt 13 Prozent. Fischmehl und Fischöl werden vor allem aus den vor Südamerika in großen Mengen vorkommenden Sardellen und Sardinen gewonnen. Aber auch in China, Marokko, Norwegen, Japan und anderen Nationen werden Fischmehl und Fischöl für den Eigenverbrauch und den Export hergestellt. Dort werden unter anderem Blaue Wittlinge, Sandaale, Lodden und diverse Abfälle aus der Fischverarbeitung genutzt. Während Norwegen am meisten Fischöl importiert, sind China, Japan und Taiwan die größten Fischmehlimporteure. Doch obwohl die Aquakultur in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen ist, ist die Fischmehl- und Fischölproduktion heute fast auf dem gleichen Niveau wie Anfang der 1970er Jahre. Dieses Wachstum bei nahezu konstanter Fischmehl- und Fischölmenge hat mehrere Gründe. Zum einen ist der Preis für Fischmehl durch die verstärkte Nachfrage in den Importländern, allen voran China, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Insofern haben die Aquakulturen heute ein verstärktes Interesse daran, Ersatzfutter einzusetzen, beispielsweise pflanzliche Nahrung. Zum anderen konnte das Fish-in/Fish-out-Verhältnis vieler Fischzuchten durch bessere Futtermittel oder eine verbesserte Fütterung verringert werden.
4.9 > Obwohl die Aquakulturproduktion in den vergangenen 30 Jahren enorm gestiegen ist, ist der Verbrauch an Fischmehl und Fischöl heute so hoch wie Anfang der 1980er Jahre. Ein Grund: Pflanzliche Nährstoffe werden in größeren Mengen genutzt, Fischmehl und -öl werden effizienter eingesetzt. Der Preis für Fischmehl und -öl hat sich indes vor allem durch die steigende Nachfrage in China vervielfacht.
4.9 > Obwohl die Aquakulturproduktion in den vergangenen 30 Jahren enorm gestiegen ist, ist der Verbrauch an Fischmehl und Fischöl heute so hoch wie Anfang der 1980er Jahre. Ein Grund: Pflanzliche Nährstoffe werden in größeren Mengen genutzt, Fischmehl und -öl werden effizienter eingesetzt. Der Preis für Fischmehl und -öl hat sich indes vor allem durch die steigende Nachfrage in China vervielfacht.  © nach FAO (2012), Tacon und Metian (2008)

Zusatzinfo Wie viel Fisch braucht der Fisch?

Raps statt Fischmehl?

Derzeit arbeiten Wissenschaftler intensiv daran, den Futterbedarf der Aquakultur und insbesondere das Fish-in/Fish-out-Verhältnis zu verringern. Ein Ansatz ist die Entwicklung eiweißreicher Nahrung aus Pflanzen. Das Problem: Fischmehl hat mit rund 60 Prozent einen hohen Anteil an Protein, das für den Aufbau von Muskelmasse entscheidend ist. Dagegen bringt es Raps nur auf 20 bis 25 Prozent. Die Forscher versuchen daher, Proteinextrakte herzustellen und die Menge verschiedener Proteine so zu variieren, dass die Nahrung besonders gut verdaulich ist und in Körpermasse umgesetzt wird. Vor allem Raps ist vielversprechend. Dieser wird in großen Mengen in der Bio­ethanolproduktion (Biodiesel) eingesetzt, wobei große Mengen an Rapsabfällen anfallen, die für die Aquakultur als Futterrohstoff geeignet wären. Auch aus Kartoffeln lassen sich Eiweiße extrahieren. Inzwischen gab es Versuche, in denen verschiedene Kombinationen von Kartoffeleiweißen eingesetzt wurden. Bis zu 50 Prozent Fischmehl ließen sich einsparen, ohne dass sich das negativ auf das Wachstum der Zuchtfische auswirkte. Alternatives Futter kann aber auch das Gegenteil bewirken. Fatal sind sogenannte Antinutritiva, Substanzen, die von den Fischen schlecht verwertet werden und Stoffwechselstörungen hervorrufen können. Für die Wissenschaftler steht fest, dass künftig eine Kombination verschiedener Inhaltsstoffe der verheißungsvollste Weg zu einer effizienten Fischzucht ist. Dadurch würde sich der Einsatz des teuren Fischmehls weiter verringern und das Fish-in/Fish-out-Verhältnis verbessern lassen. Ein völliger Verzicht auf Fischmehl und -öl aber ist wenig sinnvoll. Beide liefern wichtige Omega-3-Fettsäuren, die wiederum ursprünglich aus dem Plankton stammen. Omega-3-Fettsäuren können Fische nicht selbst herstellen, sondern müssen sie mit der Nahrung aufnehmen. Füttert man nur pflanzliche Nahrung, fehlen den Zuchtfischen diese gesunden Fettsäuren. Die allerdings sind für den Verbraucher ein Hauptgrund, Fisch zu konsumieren.
Insgesamt sind folgende Maßnahmen notwendig, um zukünftig eine sparsamere und umweltfreundlichere Fütterung zu erreichen:
  • Nutzung von Nährstoffen aus der Region, um lange Transportwege zu vermeiden;
  • Entwicklung besserer Verarbeitungs- und Herstellungsmethoden, um das Futter nahrhafter und verdaulicher zu machen und den Gehalt an Antinutritiva zu reduzieren;
  • gezielte und sparsame Nutzung von Fischmehl in Kombination mit anderen, alternativen Rohstoffen;
  • verstärkte Zucht von genügsamen Fischarten, die weniger Eiweiße und Fette benötigen;
  • verstärkte Zucht von Fischen, die ohne Fischmehl gezüchtet werden;
  • Weiterentwicklung von hochwertigen Proteinen und Fetten aus Pflanzen und Mikroorganismen.

Zusatzinfo Einfluss der Aquakultur auf Lebensräume im Meer

Die Ökobilanz der Aquakultur

Die Aquakultur stand in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur wegen der Verwendung von Fischmehl und Fischöl massiv in der Kritik. Auch der Einsatz von Anti­-bio­tika in der Aufzucht wurde beanstandet. Da die in Massentierhaltung und auf maximalen Ertrag gezüchteten Fische häufiger erkranken als ihre Artgenossen in freier Wildbahn, werden gerade in Zuchtfarmen in Südostasien Antibiotika oder andere Medikamente verwendet. Sie zeigen schon jetzt teilweise keine Wirkung mehr. Zuletzt wurde im Jahr 2011 fast die gesamte Shrimpproduktion in Mosambik aufgrund einer Viruserkrankung zerstört. 2012 trat die Infektion in Zuchtfarmen an der Küste von Madagaskar auf. Experten sehen eine Ursache in der extremen Massenhaltung von Shrimps. Die Antibiotika wiederum können über die Nahrungskette bis in den menschlichen Körper gelangen und auf lange Sicht potenziell gesundheitsgefährdend sein. Die Antibiotika von Aquakultur- und anderen Mastbetrieben, aber auch von Krankenhausabwässern haben in den vergangenen Jahren zur Entwicklung sogenannter multiresistenter Keime geführt, bei denen die meisten gängigen Antibiotika inzwischen wirkungslos sind. Nur spezielle oder neu entwickelte Wirkstoffe können bei Infektionen mit multiresistenten Keimen noch helfen. Der Einsatz von Antibiotika in der Nahrungsmittelproduktion muss daher streng überwacht und beschränkt werden. In anderen Gebieten verschmutzen Abwässer aus Aquakulturbetrieben Flüsse und Küstengewässer. Allerdings unterscheidet sich die Situation von Region zu Re­gion. In Norwegen beispielsweise haben sich die Produktionsmethoden mit zunehmender Intensivierung und Professionalisierung der Lachszucht verbessert. So wurde durch bessere Futtertechniken die Menge des organischen Abfalls (Exkremente) verringert. Und dank moderner Impfstoffe verzichtet man dort heute fast gänzlich auf Antibiotika.

Zusatzinfo Abwasser nährt Pflanzen

Um künftig die schädlichen Wirkungen der Aquakultur besser einschätzen zu können, fordern Experten heute eine umfassende Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA). In der Industrie sind LCAs inzwischen etabliert. Damit werden die gesamten Umweltauswirkungen eines Produkts – bei der Rohstoffgewinnung, der Herstellung, dem Transport, der Nutzung und schließlich dem Recycling – Punkt für Punkt aufgeschlüsselt. In Aquakulturbetrieben soll dabei unter anderem die Eutrophierung (Überdüngung) berücksichtigt werden, der Eintrag von Nährstoffen, beispielsweise durch mit Exkrementen angereichertes Abwasser, das ungeklärt aus Zuchtteichen abgelassen wird. Auch die Umweltbelastung durch die Erzeugung der Energie, die ein Aquakulturbetrieb benötigt, findet Niederschlag in der Lebenszyklus­analyse. Je sauberer die Energieerzeugung, desto besser das Ergebnis. Erfasst wird ebenso, wie viel Wildfisch für die Fütterung benötigt wird. Eine wichtige Größe ist auch der Landverbrauch. So wird ermittelt, wie viel Fläche die Anlage selbst erfordert, aber auch wie viel Fläche für den Anbau von Futter notwendig ist. Kritiker geben zu bedenken, dass eine solche generelle Lebenszyklusbetrachtung für die Aquakultur schwierig ist, weil die Herstellungsmethoden – Karpfenteich oder Hightechanlage – nicht vergleichbar seien. Für einzelne Produktionsmethoden lassen sich, wie erste Studien zeigen, solche LCAs aber durchaus durchführen. Für eine umfassende Analyse muss außerdem berücksichtigt werden, wie intensiv eine Anlage betrieben wird. Die Produktion lässt sich grob in folgende 3 Varianten unterteilen.
  • Extensive Produktion: Die Aquakultur nutzt natürliche Wasserflächen, zum Beispiel Teiche, und setzt wenige oder keine zusätzlichen Futtermittel ein. Extensiv gehalten werden Weißfische, Muscheln, Algen sowie manche Shrimps- und Garnelenarten.
  • Semi-intensive Produktion: Die Aquakultur nutzt natürliche Wasserflächen. Zum Einsatz kommt vor Ort industriell hergestelltes Futter. Typische Arten sind Weißfische in Asien.
  • Intensive Produktion: Aquakultur, die meist in leis­tungsfähigen, künstlich angelegten Teichsystemen oder Käfigen betrieben wird. Die Fische, beispielsweise chinesische Aale, werden mit Pellets gemästet.
4.12 > Obwohl die Lachsproduktion in Norwegen deutlich gesteigert wurde, hat der Einsatz von Antibiotika dank moderner Impfstoffe abgenommen.
4.12 > Obwohl die Lachsproduktion in Norwegen deutlich gesteigert wurde, hat der Einsatz von Antibiotika dank moderner Impfstoffe abgenommen.  © nach Asche (2008) und Hall et al. (2011)
Gemäß einer aktuellen Lebenszyklusanalyse, die verschiedene Aquakultursysteme (Teich, Zuchtkäfige im Meer, Muscheln am Boden oder angehängt an ein Gestänge) und Tierarten weltweit miteinander vergleicht, hat die intensive Karpfenzucht in China die schlechteste Öko­bilanz. Hier werden die Teiche stark gedüngt, um das Wachstum der Wasserpflanzen, die von den Karpfen gefressen werden, zu beschleunigen. Da die Abwässer oftmals ungeklärt abgelassen werden, führt das vielerorts zur Eutrophierung der Flüsse. In Europa hingegen gilt die Karpfenzucht als besonders umweltschonend, da die Tiere extensiv gezüchtet werden. Das liegt vor allem daran, dass hier, anders als in China, die Nachfrage nach Karpfen vergleichsweise gering ist. Schlecht schneidet die Zucht von Aalen und Shrimps in Teichen ab. Was die Käfighaltung im Meer betrifft, erweisen sich Weißfische als problematisch. In der Gesamtbilanz haben sie einen besonders hohen Energiebedarf, nicht zuletzt wegen der häufigen Versorgungsfahrten mit Booten. Entsprechend schlecht sind die Resultate, was den Ausstoß an Kohlendioxid und die Versauerung der Meere angeht.

Nachhaltigkeits-zertifikate Solche Zertifikate werden in der Regel zwischen Händlern, Zulieferern und Produzenten vereinbart. Alle Parteien verpflichten sich, verbindliche Sozial-, Umwelt- oder Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten. Je nach Vereinbarung gehen die Vorgaben unterschiedlich weit. Ziele sind unter anderem der Arten- und Umweltschutz in den Anbaugebieten, der Schutz des Wassers sowie bessere Sozialleistungen für die Arbeiter. Dazu zählt auch ein Verbot von Kinderarbeit.

Besserung in Sicht

Europa führt vielfach Shrimps oder Fisch aus Asien ein, denn in Deutschland oder Frankreich verlangen viele Kunden nach preisgünstigen Produkten. Billig jedoch kann gleichbedeutend mit einer intensiven, industriellen, mitunter umweltschädigenden Zucht sein, die die Europäer lieber woanders als bei sich auf dem Kontinent haben wollen oder können. Insofern, sagen Wissenschaftler, werden die Umweltprobleme von Europa nach Asien ausgelagert. Die Situation kann sich folglich nur dann ändern, wenn die Kunden beginnen, ihr Verhalten umzustellen. Das ist heute bereits der Fall, denn viele Kunden achten inzwischen ganz bewusst auf sogenannte Nachhaltigkeitszertifikate. Für wild gefangenen Meeresfisch haben sich solche Zertifikate etabliert. Da ein entsprechendes Siegel auf der Produktpackung kaufentscheidend sein kann, macht der Handel inzwischen bei Zulieferern aus der Aquakulturindustrie Druck: Fisch aus nachhaltiger Produktion ist gefragt. So sollen denn in Europa in den kommenden Monaten erstmals Zuchtfische mit dem neuen „Aquaculture Stewardship Council“-Zertifikat (ASC) auf den Markt kommen, das von der Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF), verschiedenen Lebensmittelhandelsgesellschaften und Fischereiunternehmen initiiert wurde. Das Pendant für den Meeresfisch, das „Marine Stewardship Council“-Siegel (MSC), gibt es schon seit vielen Jahren. Es steht außer Frage, dass die Bedeutung der nachhaltigen Fischzucht wächst – und dass das Thema auf hoher Ebene diskutiert wird. So hat die Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) vor 2 Jahren Rahmenrichtlinien veröffentlicht, die klare Standards für eine Zertifizierung von Aquakulturbetrieben enthalten, und es ist damit zu rechnen, dass die Händler ihre Produzenten künftig an diesen Richtlinien messen werden. Bereits heute gibt es Zertifikate und Selbstverpflichtungen des Handels, die den Privatkunden allerdings verborgen bleiben, da sie nur für den direkten Kontakt zwischen Händler und Zulieferer relevant sind. Sie verfolgen aber dieselben Ziele. Beispielsweise wurden Handelskooperationen für den Vertrieb von Pangasius aus zertifizierten Aquakulturbetrieben im Mekong-Delta verabschiedet. Darüber hinaus sind inzwischen einzelne große und international tätige Supermarktketten dazu übergegangen, direkt mit Herstellern Vereinbarungen zu treffen. Seit etwa 10 Jahren engagieren sich in Asien Entwicklungshilfe- und Nichtregierungsorganisationen für den Aufbau nachhaltiger Aquakulturbetriebe. Eine Herausforderung ist es, die beinahe unüberschaubare Zahl kleinerer Betriebe auf nachhaltiges Wirtschaften umzustellen. In Kooperationsprojekten wird daher versucht, viele Bauern einzubinden und so die Produktion in einer ganzen Region zu verbessern. Die Lösungen sind mitunter erstaunlich pragmatisch. Flüsse lassen sich vor der Nährstofffracht aus Teichen schützen, indem man Pufferteiche anlegt. Dort können sich die Nähr- und Schwebstoffe als Schlamm ablagern. Der wiederum eignet sich als Dünger. In einigen Regionen in Vietnam entwickelt sich inzwischen sogar ein reger Schlammhandel. Experten sehen auch in China, insbesondere bei der stark wachsenden Mittelschicht, ein steigendes Bewusstsein für Produkte aus nachhaltiger Aquakultur. Entsprechend offensiv werden dort auch eigene nationale Nachhaltigkeitssiegel beworben. Dieser erfreuliche Trend ist vielversprechend, dennoch wird es noch Jahre dauern, bis sich die schonende Aquakultur endgültig durchgesetzt hat. Textende