Energie
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WOR 1 Mit den Meeren leben - ein Bericht über den Zustand der Weltmeere | 2010

Regenerative Energien

Regenerative Energien

> Regenerative Energien wie etwa Sonnen- oder Windkraft wurden bislang vor allem an Land ausgebaut. Weitgehend ungenutzt ist die Energie, die im Meer steckt. Doch das ändert sich. Derzeit wird die Erzeugung von umweltfreundlicher Energie im Meer weltweit vorangetrieben. Die Erwartungen sind groß. Wind, Welle und Meeresströmung sollen künftig einen erheblichen Teil des Strombedarfs der Menschheit decken.

7.12  > An mehreren Orten in Europa gibt es bereits Anlagen zur Ernte der Meeresenergie.  © maribus

7.12 c > Der Wellenenergiewandler „Pelamis“ reitet wie eine Seeschlange auf dem Meer. Er besteht aus mehreren Segmenten, die sich gegeneinander bewegen und dabei einen hydraulischen Druck aufbauen. Der wiederum treibt ein Turbine an. Derzeit ist eine neue Pelamisgeneration in Bau.   © Pelamis Wave Power

7.12 c > Der Wellenenergie-wandler „Pelamis“ reitet wie eine Seeschlange auf dem Meer. Er besteht aus mehreren Segmenten, die sich gegeneinander bewegen und dabei einen hydraulischen Druck aufbauen. Der wiederum treibt ein Turbine an. Derzeit ist eine neue Pelamisgeneration in Bau.

Ein ungehobener Schatz

Die Meere stecken voller Energie. Gezeitenkräfte bewegen gewaltige Wassermassen. Starke Winde bauen mächtige Wellenberge auf. Fast 90 Prozent der weltweiten Windenergie stecken im Sturm über den Ozeanen. Wind, Welle und Strömung enthalten zusammen 300-mal mehr Energie, als die Menschheit verbraucht. Lange blieb dieser Vorrat ungenutzt. In den vergangenen Jahren aber hat man damit begonnen, die Energie zu ernten. Erste Offshore-Windparks wurden gebaut. In Hunderten von Projekten entstanden und entstehen Kraftwerke, die Strömungs- und Wellenenergie in Strom wandeln. Zu den wichtigsten regenerativen marinen Energien zählen:
  • die Windenergie
  • die Wellenenergie
  • die Gezeitenenergie
  • die Strömungsenergie
  • die aus Temperaturunterschieden in verschiedenen Meerestiefen gewonnene Energie (Meereswärmekraftwerk)
  • die durch Salzgehaltsunterschiede gewonnene Energie (Osmosekraftwerk)
Diese Energieressourcen könnten den Strombedarf der Menschheit theoretisch spielend decken. Doch wird sich künftig nur ein Teil davon nutzen lassen, weil viele Meeresregionen wie etwa die Tiefsee kaum zu erschließen sind oder eine Anbindung an das Stromnetz via Seekabel unerschwinglich wäre. In den küstennahen Gebieten wiederum scheiden viele potenzielle Standorte aus, weil sie der Fischerei oder Schifffahrt vorbehalten sind oder unter Naturschutz stehen. Dennoch könnten die erneuerbaren Energien künftig einen beträchtlichen Teil des weltweiten Strombedarfs decken.

7.12 e > Windräder im Meer gibt es bereits vielerorts. Einer der größten Offshore-Windparks mit 48 Rotoren befindet sich in der Ostsee zwischen Dänemark und Schweden. Um die Energie ins schwedische Stromnetz einspeisen zu können, hat man hier eine Trafostation errichtet. © Siemens-Pressebild

7.12 e > Windräder im Meer gibt es bereits vielerorts. Einer der größten Offshore-Windparks mit 48 Rotoren befindet sich in der Ostsee zwischen Dänemark und Schweden. Um die Energie ins schwedische Stromnetz einspeisen zu können, hat man hier eine Trafostation errichtet.

7.13 > Windräder werden heute meist in einer Wassertiefe von maximal 45 Metern errichtet, da der Bau der Masten sonst zu teuer ist. Eine Alternative sind schwimmende Windräder, die man mit Halteseilen am Grund verankert. Erste Prototypen werden bereits getestet. © Solberg Production/Statoil

7.13 > Windräder werden heute meist in einer Wassertiefe von maximal 45 Metern errichtet, da der Bau der Masten sonst zu teuer ist. Eine Alternative sind schwimmende Windräder, die man mit Halteseilen am Grund verankert. Erste Prototypen werden bereits getestet.

Offshore-Windenergie

Die Erschließung der Windenergie ist derzeit am weitesten fortgeschritten. Zugleich ist sie besonders vielversprechend. Experten gehen davon aus, dass allein die Offshore-Windkraft künftig weltweit rund 5000 Terawattstunden Strom pro Jahr liefern könnte – rund ein Drittel des derzeitigen jährlichen globalen Stromverbrauchs von rund 15 500 Terawattstunden (TWh, 1 Terawattstunde entspricht 1 Billion Wattstunden). Für Europa wird erwartet, dass die Windenergieanlagen (WEA) auf See bis zum Jahr 2015 bereits rund 340 TWh jährlich liefern. Bis heute wurden weltweit rund 40 Offshore-Windenergieprojekte realisiert, die meisten in Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und Schweden. Dabei werden zwei Trends deutlich: Zum einen werden die Anlagen immer größer. Zum anderen wagt man sich in immer größere Tiefen vor, denn damit lassen sich die Windparkflächen enorm ausweiten. Baute man zu Beginn dieses Jahrhunderts noch in Küstennähe in Wassertiefen von 2 bis 6 Metern, so werden die Türme der Anlagen inzwischen in mehr als 40 Metern Wassertiefe im Meeresboden verankert. Auch schwimmende Konzepte für noch größere Wassertiefen befinden sich in der Entwicklung. So hat un-längst ein norwegisch-deutsches Konsortium die erste schwimmende WEA vor Norwegens Küste errichtet.

Mit der Erfahrung von Tausenden an Land errichteten WEA ist die Windenergietechnik längst ausgereift. Die hohen Windgeschwindigkeiten und rauen Umweltbedingungen auf See erfordern aber technologische Verbesserungen. Dies haben auch die Probleme mit dem ersten großen Windpark in Dänemark gezeigt. In Deutschland wurden daher im ersten Hochsee-Windpark „Alpha Ventus“ zunächst nur zwölf Windenergieanlagen verschiedener Hersteller errichtet und getestet. Der Park liegt etwa 40 Kilometer vor der Nordseeinsel Borkum und wurde mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums realisiert. Die Errichtung von Offshore-Anlagen ist wegen der anspruchsvollen Gründungsarbeiten und des aufwendigen Anschlusses an das Stromnetz derzeit noch deutlich teurer als an Land. Nach Einschätzung von Fachleuten wird die Windenergie auf See, unterstützt durch Einspeisevergütung und Fördermaßnahmen, in den kommenden Jahren dennoch weiter deutlich wachsen.

Zusatzinfo Der richtige Standort für grünen Strom

Wellenenergie

Derzeit wird das technische Erzeugungspotenzial der Wellenenergie auf eine jährliche Leistung von 11 400 TWh geschätzt. Das nachhaltige Potenzial von jährlich 1700 TWh entspricht etwa 10 Prozent des weltweiten Strombedarfs. Es gibt eine Reihe verschiedener Wellenenergiekonzepte, die Strom auf unterschiedliche Weise erzeugen. Die meisten lassen sich drei Grundtypen zuordnen:
  • das Prinzip „schwingende Wassersäule“ (Oscillating Water Column): Bei diesem Typ strömt durch die Wellenbewegung Wasser in einer luftgefüllten Kammer auf und ab. Dabei wird Luft verdrängt und durch eine Turbine gepresst, die elektrischen Strom erzeugt. Erste Pilotanlagen dieser Art wurden in den vergangenen Jahren in Portugal, Schottland und Japan errichtet.
  • das Prinzip „schwingende Körper“ (Oscillating Bodies): Anlagen dieses Typs erzeugen elektrischen Strom, indem sie die Bewegung der Wellen umsetzen. Dazu zählen schwimmende Generatoren, bei denen sich ein Schwimmkörper an einem festen Widerlager entlang- oder auf- und abbewegt. Andere Systeme bestehen aus flexibel gelagerten Teilen, die sich gegeneinander bewegen und dabei Hydrauliköl unter Druck setzen. Das Öl wiederum treibt eine Turbine an. Für Aufsehen sorgte unlängst das britische System Pelamis, eine Art Seeschlange, die aus mehreren Gliedern zusammengesetzt ist und auf den Wellen reitet. Pelamis wurde 2008 vor Portugal als erstes Wellenenergiesystem weltweit über ein Seekabel ans Stromnetz angeschlossen. In Spanien und Portugal sind weitere Parks in Planung
  • das Prinzip „Überlaufen“ (Overtopping): Ähnlich wie bei einem Stau damm wird beim Overtopping-System ein Reservoir mit Wasser gefüllt, aus dem eine Turbine gespeist wird. Gefüllt wird das Becken durch überlaufende Wellen, die durch Rinnen oder Rampen kanalisiert werden. In Dänemark und Norwegen wurden bereits Prototypen installiert, sowohl schwimmende als auch feste Systeme.

7.12 a > An mehreren Orten in Europa gibt es bereits Anlagen zur Ernte der Meeresenergie. Die älteste ist das La-Rance-Gezeitenkraftwerk bei Saint Malo in Frankreich, das bereits in den 1960er Jahren errichtet wurde. Mit einer Leistung von 240 Megawatt war es lange das größte seiner Art. © EDF/Tierry Dichtenmuller 7.12 a > An mehreren Orten in Europa gibt es bereits Anlagen zur Ernte der Meeresenergie. Die älteste ist das La-Rance-Gezeitenkraftwerk bei Saint Malo in Frankreich, das bereits in den 1960er Jahren errichtet wurde. Mit einer Leistung von 240 Megawatt war es lange das größte seiner Art.

Gezeitenenergie

Gezeitenkraftwerke arbeiten ähnlich wie die Kraftwerke an einem Stausee – mit dem Unterschied, dass die Wassermassen nicht bergab fließen, sondern durch Ebbe und Flut hin- und herbewegt werden. Anders als bei anderen Formen der Meeresenergie nutzt man die Gezeitenenergie schon länger kommerziell. So wurde bereits 1966 an der nordfranzösischen Atlantikküste bei Saint Malo das La-Rance-Gezeitenkraftwerk in Betrieb genommen, das den Fluss La Rance vom Meer trennt. Bei Flut strömt das Wasser durch die großen Turbinen des Kraftwerks flussaufwärts, bei Ebbe kehrt sich die Fließrichtung um. Mit 240 Megawatt (MW, 1 Megawatt entspricht 1 Million Watt) entspricht die Leistung der Anlage der eines Gaskraftwerks. Auch in Ländern wie Kanada, China und Russ­land wurden in den vergangen 20 Jahren diverse solcher Anlagen errichtet. Diese waren aber deutlich kleiner. In diesem Jahr soll in Südkorea ein 260-MW-Gezeitenkraftwerk in Betrieb gehen, das in einen schon bestehenden Staudamm integriert wird. In Großbritannien gibt es seit Langem Pläne, in der Mündung des Flusses Severn zwischen England und Wales ein großes Gezeitenkraftwerk zu errichten. Der Standort könnte so viel Energie liefern, um damit 7 Prozent des Strombedarfs im Vereinigten Königreich zu decken. Kritiker aber fürchten, dass durch den Bau der Dämme wichtige Natur- und Vogelschutzgebiete verloren gehen. Der Schaden für die Umwelt wäre beträchtlich. Inzwischen werden deshalb alternative Konzepte und Standorte diskutiert.

7.12 b > Die Energie der Strömung kann auch durch Unterwasserrotoren wie die SeaGen-Anlage vor der nordirischen Küste in elektrischen Strom umgewandelt werden. Bislang wurde eine Anlage errichtet, die ihren Strom schon in das öffentliche Netz an Land einspeist. Weitere sollen folgen.© Marine Current Turbines Limited 7.12 b > Die Energie der Strömung kann auch durch Unterwasserrotoren wie die SeaGen-Anlage vor der nordirischen Küste in elektrischen Strom umgewandelt werden. Bislang wurde eine Anlage errichtet, die ihren Strom schon in das öffentliche Netz an Land einspeist. Weitere sollen folgen.

Strömungsenergie

Die Energie der Meeresströmungen lässt sich noch auf andere Weise ernten: mit Unterwasserrotoren, die durch die Wasserbewegung angetrieben werden. Schätzungen zufolge ließen sich mit derartigen Meeresströmungsanlagen und den Gezeitenkraftwerken zusammen weltweit insgesamt mehrere Hundert TWh elektrischer Strom pro Jahr ernten. Einige Rotorkonzepte werden bereits seit längerer Zeit getestet – etwa das System „Seaflow“, das 2003 vor der englischen Küste seinen prototypischen Betrieb aufnahm. Inzwischen dreht sich in der Meerenge Strangford Narrow vor der irischen Küste der Nachfolger „SeaGen“. Bei diesem Konzept wurden an den Turm der Anlage gleich zwei Rotoren montiert. Das erhöht die Stromausbeute und gleicht die hohen Kosten für Bau und Gründung aus. Die Belastungen für solche Anlagen im Meer, durch Strömungen oder Wellenbewegungen etwa, sind deutlich höher als beim Windrad, daher sind auch hier noch ausführliche Langzeittests nötig. Dennoch ist die SeaGen-Technik eng an das Vorbild der Windräder angelehnt: So lässt sich je nach Strömung der Anstellwinkel der Rotoren und die Drehzahl variieren. Andere Konzepte setzen auf fixierte, nicht variable Systeme.

Energie aus Temperaturunterschieden

Meereswärmekraftwerke nutzen zur Stromerzeugung den Temperaturunterschied zwischen warmem Oberflächenwasser und kaltem Tiefenwasser. Um den Dampfkreislauf in einem solchen Kraftwerk (Ocean Thermal Energy Conversion, OTEC, Meereswärme-Energieumwandlung) be­trei­­­ben zu können, muss die Temperaturdifferenz mindestens 20 Grad Celsius betragen. Derartige Kraftwerke eignen sich daher besonders für wärmere Meeresregionen. Das warme Wasser wird genutzt, um eine bei niedrigen Temperaturen siedende Flüssigkeit zu verdampfen. Der Dampf treibt eine Turbine an. Mit dem 4 bis 6 Grad kalten Meerwasser, das man aus mehreren Hundert Metern Tiefe heraufpumpt, wird der Dampf anschließend wieder ge­-kühlt und verflüssigt. Bislang galt die OTEC-Technik als ausgesprochen kostspielig, da dafür mehrere Hundert Meter lange Rohrleitungen und starke Pumpsysteme erforderlich sind. Nachdem die US-Regierung die OTEC-Entwicklung und erste Tests Mitte der 1970er Jahre gefördert hatte, wurden die Gelder Anfang der 1980er Jahre gestrichen. In jüngster Zeit aber flammt das Interesse wieder auf. Ein amerikanisch-taiwanesisches Konsortium will jetzt auf Hawaii eine 10-MW-Anlage errichten. Zudem haben öffentliche Einrichtungen und Unternehmen in Frankreich die Initiative IPANEMA gestartet, die die erneuerbaren Energien im Meer und auch die OTEC-Technologie fördern soll. Nach Schätzungen könnten mit OTEC jährlich mehrere Tausend TWh Strom gewonnen werden. Anders als bei Wind und Wellen ist die Stromproduktion nicht Wetterschwankungen unterworfen.

7.12 d > Im ersten Osmosekraftwerk der Welt am Oslofjord wird aus dem Salzgehaltsunterschied zwischen Salz- und Süßwasser Energie gewonnen. Die Wassermassen sind durch eine dünne Membran getrennt. An ihr baut sich durch die Salzgehaltsdifferenz ein Druck auf, der dann eine Turbine antreibt. © Statkraft 7.12 d > Im ersten Osmosekraftwerk der Welt am Oslofjord wird aus dem Salzgehaltsunterschied zwischen Salz- und Süßwasser Energie gewonnen. Die Wassermassen sind durch eine dünne Membran getrennt. An ihr baut sich durch die Salzgehaltsdifferenz ein Druck auf, der dann eine Turbine antreibt.

Energie aus Salzgehaltsunterschieden

Ein ganz anderes Verfahren zur Energieerzeugung ist das Osmosekraftwerk. Ein solches Kraftwerk nutzt den osmotischen Druck aus, der sich zwischen Süßwasser und Salzwasser aufbaut, wenn man beides mit einer speziellen wasserdurchlässigen Membran voneinander trennt. Zu diesem Zweck pumpt man Fluss- und Meerwasser in eine Doppelkammer. Die Technologie befindet sich noch im Labormaßstab. Im November 2009 aber haben norwegische Konsortialpartner ein erstes Kraftwerk am Oslo-fjord errichtet. Die Anlage dient vor allem der Weiterentwicklung der Technik. Die Stromausbeute ist mit wenigen Kilowatt noch gering. Künftig könnte man mit Osmosekraft weltweit 2000 TWh pro Jahr nachhaltig gewinnen.

Förderung von Energieanlagen der Zukunft

Es steht außer Frage, dass die Entwicklung von Technologien zur regenerativen Energiegewinnung im Meer einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht hat. Noch aber sind so gut wie alle Technologien, obgleich viele kommerziell vielversprechend erscheinen, auf Förderung angewiesen, denn in vielen Fällen werden sie von jungen und kleinen Unternehmen vorangetrieben. Ne­ben den technischen und wirtschaftlichen Risiken besteht eine Schwierigkeit darin, mit den Anlagen Projektgrößen zu erreichen, die die Rentabilität solcher Inves­titionen möglich machen. Eine Förderung der Technologien ist somit unerlässlich. Verschiedene Nationen bieten solche Programme. Das US-Ministerium für Energie (Department of Energy) und die Europäische Union fördern die Entwicklung bereits mit mehreren Hundert Millionen Euro. Auch die komplexen Genehmigungsverfahren für Anlagen oder Netzanschlüsse müssten vereinfacht werden. Während in Deutschland die Genehmigung von Offshore-Windanlagen vollständig in der Hand des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie liegt, müssen sich Anlagenbetreiber in den USA durch diverse Ämter und Genehmigungsverfahren kämpfen. Hier würden Erleichterungen der Sache dienen. Textende